# taz.de -- Karstadt am Hermannplatz: Streit um alten Glanz
       
       > Investor, Senat und Neuköllner Bezirksbürgermeister sind begeistert vom
       > monumentalen Projekt. Die Zivilgesellschaft nicht.
       
 (IMG) Bild: Größer ging wohl nicht: Architekten-Modell des geplanten Karstadt-Gebäudes am Hermannplatz
       
       BERLIN taz | Der Immobilienkonzern Signa des österreichischen Milliardärs
       René Benko will das Karstadt-Gebäude am Hermannplatz abreißen, um es dann
       im alten Glanz der 1920er Jahre wiederaufzubauen. Benkos Pläne stoßen in
       der Zivilgesellschaft auf Widerstand: Der Bau sei unnötig und würde
       angestammtes Gewerbe verdrängen. Der Argumentation folgte auch der grüne
       Friedrichshain-Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt und erteilte dem
       Projekt im vergangenen Jahr eine Absage. Doch Benko ist niemand, der
       einfach aufgibt. Um sein ambitioniertes Bauvorhaben doch noch
       durchzusetzen, setzt sein Konzern ganz auf Dialog.
       
       Signas Erklärung Anfang vergangenen Jahres, am Hermannplatz eine Replik des
       Original-Karstadtgebäudes aus den 1920er Jahren wiedererrichten zu wollen,
       löste vor allem in Medien und Politik Begeisterung aus. „Berlin bekommt
       seinen größten Einkaufstempel zurück“, titelte zum Beispiel die B.Z. über
       einer an 1920er-Jahre-Nostalgie kaum zu überbietenden Konzeptzeichnung, auf
       der elegant gekleidete Pärchen auf der historischen Dachterrasse über den
       Dächern Berlins tanzen.
       
       Auch Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD) – das Karstadt-Grundstück
       liegt auf Kreuzberger Boden, der angrenzende Hermannplatz gehört zu
       Neukölln – zeigte sich zunächst enthusiastisch und sprach von dem
       „architektonischen Glanz“, der am Hermannplatz wiedererstehen könne.
       
       Weniger begeistert zeigte sich die Zivilgesellschaft. Kritiker*innen
       befürchten, das Prestigeprojekt würde den ohnehin schon starken
       Verdrängungsdruck auf Anwohnende und Gewerbetreibende verstärken. „Das wird
       die Immobilienspekulation in Kreuzberg und Neukölln weiter anheizen“,
       erklärt Niloufar Tajeri von der Initiative Hermannplatz, die sich gegen
       Signas Pläne engagiert.
       
       Die ursprüngliche Planung sah vor, im Neubau die Fläche der
       Karstadt-Filiale zu verkleinern, dafür aber deutlich mehr Einzelhandel,
       Büros, ein Hotel und Luxuswohnungen anzusiedeln. Das migrantische
       Kleingewerbe, das die Umgebung bisher prägte, bekäme dadurch enormen
       Konkurrenzdruck, dem es unmöglich standhalten könne, fürchten die Kritiker.
       Und die Großbaustelle würde bei einer Mindestbauzeit von fünf Jahren den
       Hermannplatz komplett lahmlegen. Zudem sei ein Abriss des komplett
       funktionalen Karstadt-Gebäudes unnötig.
       
       Gründe genug für Baustadtrat Schmidt, im vergangenem September dem Projekt
       eine krachende Absage zu erteilen. „Die geplante Fassadenrekonstruktion
       ist nur noch eine Hülle für ansonsten austauschbare Nutzungen“, hieß es in
       der Pressemitteilung des Bezirks, in der er die Ablehnung des notwendigen
       Bebauungsplans begründete.
       
       Seitdem mobilisiert Signa auf allen Ebenen Unterstützung für das Projekt.
       „Wir können unsere Projekte mit sehr viel Geduld und guten Argumenten
       angehen. Bisher sind wir so immer ans Ziel gekommen“, erklärte Benko im
       vergangenen November bei einem Vortrag in der Industrie- und Handelskammer.
       Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) und
       Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) hat der Milliardär schon auf seiner
       Seite; sie reagierten entsetzt auf Schmidts Absage und erklärten, dass der
       Senat das Bebauungsplanverfahren zur Not an sich ziehen werde.
       
       Doch auch die Zivilgesellschaft und die Bezirkspolitik will Signa
       umstimmen. Vor zwei Wochen wurde die Firma eingeladen, ihre Pläne vor dem
       Stadtentwicklungsausschuss im Neuköllner Rathaus zu präsentieren. Die
       Gegner*innen hielten mit rund 150 Leuten eine Kundgebung vor dem Rathaus
       ab. Etwas schnippisch und leicht nervös richtete Signa-Projektmanager
       Thibault Chavanat seine ersten Worte an die Aktivist*innen: „Danke, dass
       Sie Karstadt gemeinsam mit uns erhalten wollen.“
       
       ## Plötzlich bezahlbarer Wohnraum?
       
       Die folgende Präsentation wirkte wie der Versuch, den Argumenten der
       Gegner*innen systematisch die Grundlage zu entziehen. Karstadt solle in
       seiner ursprünglichen Größe erhalten werden, erst durch den Neubau würde
       das Kaufhaus angesichts sinkender Umsatzzahlen zukunftsfähig gemacht
       werden. Die Einzelhandelsfläche werde nicht vergrößert. Statt
       Luxuswohnungen und Hotels gäbe es jetzt bezahlbaren Wohnraum und
       Gemeinschaftsnutzung.
       
       Und falls man sich Sorgen über die Umweltbilanz des monumentalen Projekts
       mache: Das neue Gebäude sei so energieeffizient, dass es nach Signas
       Berechnungen CO2-neutral wäre, so Chavanat. Überhaupt, und das war die
       Hauptbotschaft, seien das ja alles nur Vorschläge. Die konkrete Nutzung
       wolle man in Dialog- und Beteiligungsverfahren erarbeiten.
       
       „Signa befindet sich gerade in der Verkaufsphase“, schätzt Niloufar Tajeri
       die Taktik des Konzerns ein. Doch letztendlich gebe es keine wirksamen
       politischen Instrumente dafür, dauerhaft eine bestimmte Nutzung in einem
       solchen Gebäude zu garantieren.
       
       Obwohl Signa die Kaufhausketten Karstadt und Galeria-Kaufhof unter massivem
       Einkommensverzicht der Beschäftigten wieder in die Gewinnzone gebracht hat,
       verdient der Konzern sein Geld in erster Linie mit der Vermietung von
       Immobilien. Daher ist der Neubau, der die bisherige Gesamtfläche nach
       ursprünglicher Planung fast verdreifachen würde, für Signa so wichtig.
       
       Signas Angebot sei daher nur ein Scheindialog: „Der Abriss ist für Signa
       alternativlos“, so Niloufar Tajeri. Von gleichberechtigter Beteiligung
       könne keine Rede sein. Daher fordert die Initiative Hermannplatz ein durch
       die Zivilgesellschaft organisiertes Verfahren, an dem alle Akteur*innen
       gleichberechtigt mitwirken können: „Die Bedürfnisse der Menschen auf dem
       Platz sollen im Vordergrund stehen und nicht die von Eigentümer*innen und
       Investoren“, so Tajeri. „Wir wollen entscheiden.“
       
       3 Feb 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jonas Wahmkow
       
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