# taz.de -- Tierquälerei im Allgäu: Sonderkommission im Stall
       
       > Die Polizei führte eine Razzia in einem Milchvieh-Großbetrieb durch. Die
       > Empörung ist groß, die Maßnahmen gegen den Landwirt sind mild.
       
 (IMG) Bild: Bei diesem Anblick ahnt man nichts von den haarsträubenden Vorkommnissen im Betrieb
       
       MÜNCHEN taz | Die Staatsanwaltschaft hat die Ermittlungen aufgenommen. „Es
       ist schön, wenn der Staat jetzt endlich handelt. Es hat lange gedauert.“
       Das sagt Friedrich Mülln von der [1][Organisation Soko Tierschutz] am
       Donnerstag gegenüber der taz. Der Verein hat den gegenwärtig größten
       [2][Tierquälereiskandal] der Republik aufgedeckt – im Allgäu, auf einem
       Milchvieh-Großbetrieb im 5.500-Einwohner-Ort Bad Grönenbach.
       
       Mit einer Macht, wie man sie bei mutmaßlichen Verstößen gegen den
       Tierschutz wohl noch nie erlebt hat, schlugen die Ermittler am Mittwoch zu:
       160 Polizisten durchsuchten 21 Objekte, die mit dem Betrieb in Zusammenhang
       stehen, so informiert die Staatsanwaltschaft Memmingen.
       
       Sichergestellt wurde mögliches Beweismaterial. Elf Staatsanwälte waren
       dabei sowie vier Veterinäre. Gegen neun Personen laufen nun
       Ermittlungsverfahren, darunter sechs von dem Milchviehbetrieb sowie drei
       Tierärzte. Die Staatsanwaltschaft hat eine 30-köpfige Sonderkommission
       „Fundus“ geschaffen, um die Vorgänge aufzuklären.
       
       ## Grausame Behandlung von Kühen
       
       Soko Tierschutz hat 20 Mitarbeiter und setzt sich zum Ziel, Misshandlungen
       an Tieren an die Öffentlichkeit zu bringen. Von Ende Mai bis Ende Juni
       hatten Mitglieder der Organisation beim Milchviehbetrieb Endres mit 2.800
       Tieren heimlich gefilmt. 400 Stunden Videoaufnahmen aus den Ställen sind
       entstanden, die nun der Polizei übergeben wurden.
       
       Die Ermittler sind der Ansicht, dass sie als Beweismaterial taugen. Soko
       Tierschutz leitete die Filme zuvor an die Süddeutsche Zeitung sowie die
       ARD-Magazine „Report Mainz“ und „Fakt“ weiter.
       
       Zu sehen sind [3][entsetzliche Misshandlungen von kranken Kühen]. Tiere,
       die nicht mehr laufen konnten, wurden an den Beinen zusammengebunden, mit
       einem Traktor kopfüber nach oben gehievt und wieder auf den Boden geknallt.
       
       Mitarbeiter des Betriebs stachen mit einem spitzen Gegenstand auf ein Tier
       ein, traten und schlugen es, um es zum Aufstehen zu bringen. Auf der
       abgetrennten Krankenstation des Hofes verendeten Kühe langsam und qualvoll,
       sie schnaubten und röchelten über Tage hinweg.
       
       Ein Tier erhielt einen Bolzenschuss und verendete sehr langsam. Nach dem
       Schuss wurde es nicht wie vorgeschrieben durch einen Schnitt ausgeblutet,
       um es schnell sterben zu lassen.
       
       ## Ein emotionales Video und eine milde Auflage
       
       Auf die Berichte folgte eine große Welle der Empörung. Hunderte Menschen
       demonstrierten in Bad Grönenbach und vor dem Hof unter dem Motto
       „Milchqualbetrieb schließen“. Viele Landwirte, die oft nur 50 oder 60 Kühe
       haben, distanzierten sich scharf von dem Großbauer.
       
       Das emotionale Internetvideo einer Allgäuer Jungbäuerin ist zum Renner
       geworden, in dem „Barbara Mägdefrau“ sagt: „Kein Tier auf der ganzen Welt
       hat es verdient, so grausam und brutal behandelt zu werden.“ Die Käserei
       Champignon aus der Nähe von Kempten, an die die meiste Milch geliefert
       wurde, kündigte die Zusammenarbeit mit dem Hof.
       
       In der Landespolitik wurden mehr Kontrollen und ein entschiedeneres
       Vorgehen der Behörden gefordert. Der Chefbauer Franz Endres und seine
       Familie wurden bedroht, Autoreifen zerstochen. Er schweigt zu dem
       Geschehen.
       
       Das Landratsamt hat dem Betrieb, der über mehrere Außenstellen verfügt,
       auferlegt, einen Tierschutzbeauftragten einzusetzen. Die härtere Maßnahme,
       nämlich den Hof zu schließen und dem Bauer ein Tierhalteverbot
       auszusprechen, lehnt das Landratsamt gegenwärtig ab. „Dadurch wäre auch den
       Tieren nicht geholfen“, teilt eine Sprecherin in einer Stellungnahme mit.
       Das sieht Friedrich Mülln anders: „Betriebsschließungen sind notwendig,
       denn man muss abschrecken.“
       
       1 Aug 2019
       
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 (DIR) Patrick Guyton
       
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