# taz.de -- Schweden ohne Münzen und Scheine: Bares wird Rares
       
       > Bargeldlos bezahlen? Was in vielen Ländern diskutiert wird, ist in
       > Schweden schon kaum anders möglich. Die Regierung zieht nun die
       > Notbremse.
       
 (IMG) Bild: Da knutsch mir doch einer nen Elch: Ikea gehört zu den Vorreitern des bargeldlosen Zahlens
       
       STOCKHOLM taz | Der Internationale Währungsfonds würde Bargeld am liebsten
       abschaffen. Deutschlands Finanzminister Olaf Scholz (SPD) dagegen will
       Scheine und Münzen behalten, in Österreich fordert die FPÖ eine „Abstimmung
       für das Recht auf Bargeld“. Schweden ist schon einen Schritt weiter.
       
       März 2023 – ab dann würden die Geschäfte dort kein Bargeld mehr
       entgegennehmen, sagt eine Studie der TU Stockholm von 2018 voraus. Die
       Branchenorganisation Svensk Handel rechnet mit Anfang 2025. Jenseits aller
       solcher Spekulationen ist der Gebrauch von Bargeld im alltäglichen Handel
       schon jetzt auf unter 15 Prozent gefallen.
       
       In so gut wie allen Bussen und Bahnen werden schon lange nur noch
       elektronische Zahlmittel akzeptiert. Gerade kam das erste Fährschiff dazu,
       und die Reederei kündigte an, dass das ein Probelauf für alle ihre Schiffe
       sein solle, die von Schweden nach Dänemark und Deutschland verkehren.
       
       Und auch der Versuch mit dem ersten bargeldlosen Ikea-Warenhaus fiel
       offenbar so erfolgreich aus, dass womöglich auch hier Münzen und Scheine
       bald abgeschafft sein könnten. Man habe die kürzesten Wartezeiten an der
       Kasse, das Personal „findet das superpositiv“ und spare täglich eine halbe
       Stunde ein, rechnete der Ikea-Kundenchef in Gävle vor.
       
       ## „No cash“ heißt no cash
       
       Auch wenn es im Reichsbankgesetz heißt, „Scheine und Münzen, die von der
       schwedischen Reichsbank herausgegeben werden, sind legales
       Bezahlungsmittel“, bedeutet das nach der bisherigen Rechtsprechung nicht,
       dass private Händler sie auch entgegennehmen müssen – sofern die KundInnen
       schon am Geschäftseingang auf „no cash“ aufmerksam gemacht würden.
       
       Svante Linusson, Mathematikprofessor an der Technischen Hochschule in
       Stockholm wurde nach einem Arztbesuch seine 100-Kronenscheine nicht los. Er
       weigerte sich, das Geld zu überweisen – „denn ich möchte meine Bank nicht
       über einen Arztbesuch informieren“ – und setzte sich durch. Andere
       öffentliche Institutionen blieben bei „Bargeldkämpfern“ stur und trieben
       Verfahren bis zum Gerichtsvollzieher. Mehrere Prozesse sind anhängig.
       
       Er halte Bargeld für „einen wichtigen Bestandteil „einer freien und offenen
       Ordnung“, sagt Linusson. Sein Verschwinden „gefährdet die Demokratie, die
       Freiheit und die Sicherheit“. Zudem wolle er sich auch solidarisch mit
       Personen zeigen, deren Leben ohne Gebrauch von Bargeld erschwert werde.
       
       Die rot-grüne Regierung hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der nach der
       Sommerpause verabschiedet werden soll. Sie will Geldinstitute zwingen, ab
       1. Januar 2021 wieder einen „hinreichenden“ Bargeldservice anzubieten.
       Welche Gebühren auf diesen Service maximal erhoben werden dürfen, will sie
       nicht regeln. Linusson reicht das nicht. Er möchte eine Regelung nach
       dänischem Vorbild, wo alle bemannten Bankfilialen verpflichtet sind, mit
       Scheinen und Münzen zu arbeiten. Restaurants und Geschäfte dürfen die
       Bezahlung mit Bargeld nicht verweigern.
       
       9 Aug 2019
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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