# taz.de -- Immer schön nach Osten gucken: So isser, der Alman
       
       > Der „Spiegel“ warnt vorm Nazi-Ossi – und hat die Wessis auf seiner Seite.
       > Doch auch im idyllischen Schwarzwald wird gepöbelt und gehetzt.
       
 (IMG) Bild: Nicht so richtig die Ossi-Perspektive: Wahlplakate in Deggendorf
       
       Es gibt viele Legenden über den Osten Deutschlands, viele Wahrheiten, viele
       Projektionen. Ein Bekannter etwa erzählte mir, wie er auf seinen jährlichen
       Autofahrten zwischen Bochum und Berlin tunlichst vermied, nach Braunschweig
       noch mal das Auto zu verlassen, bevor er in der Hauptstadt ankam – um
       unerfreulichen Begegnungen und rassistischen Kommentaren an Raststätten aus
       dem Weg zu gehen.
       
       Ein anderer Freund erzählt, dass man ihn in Dresden in einem Café nicht
       bedient habe und in Chemnitz ihm migrantisch aussehende Personen davon
       abrieten, um eine bestimmte Uhrzeit in eine bestimmte Richtung zu
       spazieren.
       
       Ich bin sicher, dass all diese Geschichten stimmen, ich selbst bin äußerst
       vorsichtig, wenn ich in Ostdeutschland unterwegs bin. Zahlreiche Übergriffe
       in den vergangenen Jahren auf Geflüchtete und People of Color geben Grund
       zur Sorge. Gleichzeitig aber glaube ich, dass viele meiner Vorbehalte auch
       damit zu tun haben, dass ich in Westdeutschland sozialisiert bin, wo man
       das Bild des unzivilisierten Ostens besonders gern zeichnet.
       
       An diese Tradition knüpft der Spiegel nun an: Eine Woche vor den Wahlen in
       Sachsen und Brandenburg, wo die AfD laut Umfragen mit Höchstwerten rechnen
       darf, [1][zeigt] das Nachrichtenmagazin den berüchtigten Fischerhut in
       Schwarz-Rot-Gold mit der Schlagzeile: „So isser, der Ossi.“
       
       ## Schön bequem, Westdeutschland
       
       Klar, es ist eine bewusste Provokation, mit der gerade dieses elitäre
       Wessi-Blatt gern spielt, vor genau einem Jahr etwa, als die Schlagzeile
       „Sachsen“ halb in Frakturschrift über den Titel lief. Vor allem aber zeigen
       diese sich wiederholenden Vergewisserungen über den Nazi-Osten eins: wie
       unreflektiert Westdeutschland auf sich selbst blickt.
       
       Ich wurde auch schon in einem Restaurant nicht bedient und regelrecht
       rausgeekelt. Das war aber nicht in Bautzen, sondern im idyllischen
       Südschwarzwald. Freund*innen von mir wurden bespuckt, angepöbelt,
       zusammengetreten von rassistischen und queerfeindlichen Tätern in den
       westlichen Metropolen dieses Landes, Passant*innen liefen vorbei, sahen
       weg.
       
       Es gibt Orte wie das bayrische [2][Deggendorf], das württembergische
       [3][Heilbronn], das westfälische [4][Gelsenkirchen], die nicht im Osten
       liegen und trotzdem AfD–Hochburgen sind. Wie kommt es also, dass die
       Popularität dieser von Wessis geführten Partei allein auf das vermeintlich
       undemokratische Wesen Ostdeutschlands zurückgeführt wird? Es ist zu bequem,
       ein gesamtdeutsches Problem auf den Osten abzuwälzen, und es ist auch
       äußerst gefährlich.
       
       Denn während die alltäglichen und institutionalisierten Rassismen im Westen
       des Landes dadurch kleingeredet werden, passiert noch etwas anderes:
       Engagierte Leute, die tagtäglich in Ostdeutschland um eine gerechtere
       Gesellschaft kämpfen, werden unsichtbar gemacht. Und so gibt es wieder mal
       nur Schwarz und Weiß, nur Westen und Osten, nur Gut und Böse. Aber hey, was
       weiß er schon von Selbstkritik und Reflexion. So isser, der Alman.
       
       26 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://magazin.spiegel.de/SP/2019/35/index.html?utm_source=spon&utm_medium=skyscraper&utm_content=SDHWOEIGEN&utm_campaign=heftwerbung
 (DIR) [2] https://www.sueddeutsche.de/bayern/deggendorf-wie-die-afd-im-schwarzen-stammland-siegte-1.3685840
 (DIR) [3] https://www.zeit.de/2017/41/heilbronn-afd-bundestagswahl-wahlergebnis
 (DIR) [4] https://www.youtube.com/watch?v=IzY-7ajO1Z4
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fatma Aydemir
       
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