# taz.de -- Nach Erdbeben in Großbritannien: Regierung stoppt Fracking
       
       > Nach Erschütterungen in Blackpool wird die umstrittene
       > Erdgas-Fördermethode ausgesetzt. Die Industrie fordert nun einen höheren
       > Grenzwert.
       
 (IMG) Bild: Schuld am schwersten Erdbeben der britischen Geschichte? Bohrstelle in Preston New Road
       
       DUBLIN taz | In der Gegend um die einzige britische Fracking-Anlage in der
       Preston New Road im nordwestenglischen Blackpool bebte binnen elf Tagen
       viermal die Erde. Das ist aber kein Grund zur Sorge, wenn man Cuadrilla
       glauben darf. Ein Sprecher des Fracking-Unternehmens sagte, dass die
       meisten Menschen in der Gegend von dem Beben gar nichts mitbekommen haben,
       weil es so schwach gewesen sei. Das sei ungefähr so, als ob jemand eine
       große Einkaufstüte fallen gelassen hätte.
       
       Das British Geological Survey hat jedoch Anfang letzter Woche ein Beben mit
       der Stärke von 2,9 auf der Richterskala gemessen – das stärkste Erdbeben in
       der britischen Geschichte. Besonders besorgniserregend sei, dass die Stärke
       mit jedem der vier Erdbeben zugenommen habe. Die Regierung unterband das
       Fracking deshalb am Mittwoch vorerst. Laut britischen Bestimmungen dürfen
       die durch Fracking ausgelösten Beben die Stärke 0,5 nicht überschreiten.
       
       Beim Fracking werden unter hohem Druck Wasser und Chemikalien in den Boden
       gepumpt, um Gesteinsschichten aufzubrechen und das darin gespeicherte Öl
       und Gas zu gewinnen. Der Fotograf Stephen Cheatley, der wenige Kilometer
       von der Preston New Road entfernt wohnt, [1][sagte dem Guardian], dass er
       „einen Knall wie einen Gewehrschuss“ gehört habe. Dann wackelte sein Haus
       fünf Sekunden lang. Das Zittern der Erde war sogar im mehr als 20 Kilometer
       entfernten Preston zu spüren.
       
       Cuadrilla erklärte, das Unternehmen habe an dem betreffenden Wochenende gar
       nicht gefrackt. Die Sache werde aber untersucht. „Wir verstehen, dass die
       Anwohner besorgt sind“, sagte ein Sprecher. „Sie sollten sich aber
       beruhigen und zur Kenntnis nehmen, dass das Beben nur eine Sekunde dauerte
       und die maximale Erdbewegung bei fünf Millimeter pro Sekunde lag.“ Das sei
       lediglich ein Drittel der zugelassenen Bewegung bei Bauprojekten.
       
       ## Jeremy Corbyn fordert Fracking-Verbot
       
       Cuadrilla musste bereits 2011 nach einer Erdbebenserie das Fracking in der
       Preston New Road für sieben Jahre einstellen. Das Unternehmen argumentiert,
       dass die Obergrenze von 0,5 auf der Richterskala die Fracking-Industrie
       abwürge. Die Regierung solle die Bestimmung lockern und außerdem die
       Fracking-Lizenz, die im November ausläuft, verlängern, fordert Cuadrilla.
       
       Einige Minister stehen dem wohlwollend gegenüber. Boris Johnson hatte kurz
       nach seinem Amtsantritt als Regierungschef den Wirtschaftsminister Greg
       Clark durch Andrea Leadsom ersetzt. Die ist ausgewiesener Fracking-Fan.
       „Schiefergas ist eine großartige Chance“, sagte sie. „Wir wären verrückt,
       nicht zu überlegen, was wir damit machen können.“ Ein Regierungssprecher
       fügte hinzu: „Schiefergas könnte eine wichtige neue einheimische
       Energiequelle sein. Dadurch können der Import von Gas gesenkt und neue, gut
       bezahlte Jobs geschaffen werden. Außerdem wird dadurch unser
       [2][Null-Emissions-Ziel bis 2050] unterstützt.“
       
       Das Gegenteil sei der Fall, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. Er forderte
       Johnson auf, Fracking zu verbieten, wie es in Schottland bereits geschehen
       ist. Andernfalls habe man wegen der Kohlendioxid-Emissionen durch Fracking
       überhaupt keine Chance, das Null-Emissions-Ziel zu erreichen. Corbyn hatte
       Ende Juli an einer Demonstration vor der Fracking-Anlage teilgenommen.
       
       Rosie Rogers, die Klimabeauftragte der Umweltorganisation Greenpeace,
       erklärte dazu: „Bei diesem Klimanotstand ist es schockierend, dass die
       Regierung ihre Zeit damit verschwendet, über Fracking nachzudenken. Es wird
       Zeit, dass sie zugibt, auf das falsche Pferd gesetzt zu haben.“ Der für den
       Wahlkreis Blackpool zuständige Unterhausabgeordnete Mark Menzies von den
       Tories sagte: „Die jüngsten Erdbeben zeigen, dass die Fracking-Industrie
       nicht in der Lage ist, innerhalb der Sicherheitsbestimmungen zu
       operieren.“
       
       ## Schiefergasvorkommen geringer als behauptet
       
       Cuadrilla habe wiederholt gegen die Richtlinien verstoßen, meint auch
       Daniel Carey-Dawes von der Kampagne zum Schutz des ländlichen England.
       Statt das Unternehmen zur Rechenschaft zu ziehen, sollen nun die
       Richtlinien gelockert werden, empört er sich. „Das würde das Vertrauen der
       Öffentlichkeit weiter untergraben, und es ist mit bedeutenden Umweltrisiken
       behaftet“, sagte er.
       
       Darüber hinaus hat eine [3][Untersuchung der Universität Nottingham]
       ergeben, dass die Schiefergasvorkommen in Großbritannien weit geringer
       seien, als die Fracking-Unternehmen und die Regierung behaupten. In
       Wirklichkeit betragen die Vorräte lediglich ein Sechstel der kolportierten
       Menge.
       
       3 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.theguardian.com/environment/2019/aug/26/latest-fracking-tremor-believed-to-be-uk-biggest-yet-cuadrilla-blackpool
 (DIR) [2] /Grossbritannien-will-CO2-frei-werden/!5599882
 (DIR) [3] https://www.nottingham.ac.uk/news/ukshalegas
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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