# taz.de -- Stimmungsmache gegen Migration: Offenes lässt sich nicht öffnen
       
       > Die Behauptung, Angela Merkel habe „Grenzen geöffnet“ hält sich auch nach
       > Jahren aufrecht. Doch sie ist falsch und instrumentalisiert Sprache.
       
 (IMG) Bild: Rechte Parteien machen sie sich zu nutze: Narrative, die im Alltag übernommen werden
       
       Vier Jahre nach dem Tag, an dem Angela Merkel entschied, die Einreise
       Tausender Schutzsuchender nicht zu verhindern, hält sich die Behauptung,
       sie habe die „Grenzen geöffnet“ weiter aufrecht. Sie ist falsch.
       
       Offene Grenzen zu öffnen, das erscheint gleichermaßen unmöglich wie
       unsinnig. Dennoch bricht der Mythos der Grenzöffnung auch nach Jahren nicht
       ab. In einer [1][Doku am Mittwoch] erzählte das ZDF die Ereignisse des 4.
       September 2015 nach. Die [2][Bild berichtet] darüber und titelt: „Der Tag,
       an dem Angela Merkel die Grenzen öffnete.“
       
       Seit Jahrzehnten hat es, wie im Schengener Abkommen entschieden, bei den
       teilnehmenden Staaten – darunter große Teile der EU – keine geschlossenen
       Grenzen mehr gegeben. Wo nichts geschlossen ist, kann man auch nichts
       öffnen. So einfach ist das – möchte man meinen. Denn bei der sprachlichen
       Umsetzung scheint es nicht nur in den Medien zu hapern.
       
       Für die Doku interviewte das ZDF verschiedene Politiker. Unter ihnen auch
       Sigmar Gabriel. „Wir haben einmal die Grenze geöffnet“, sagt der
       SPD-Politiker, der im Jahr 2015 als damaliger Vizekanzler sogar an der
       Entscheidung, die Grenzen nicht zu schließen, beteiligt war.
       
       ## Merkel als Schuldfigur
       
       Mit den „geöffneten Grenzen“ einher geht oft die Behauptung, bei dem
       Entscheid handele es sich um einen „Rechtsbruch“ oder eine „illegale
       Grenzöffnung.“ So wird es regelmäßig von Seiten der AfD befeuert – aber
       auch viele weitere politisch Handelnde schließen sich wütend dem Vorwurf
       an, wie etwa Innenminister Horst Seehofer oder [3][CDU-Politiker Friedrich
       Merz] im vergangenen Jahr. Mit dem Narrativ machten rechte Akteure Merkel
       zur Schuldfigur, die im Alleingang beschloss Tausenden die Tür zu öffnen.
       
       Die fälschliche Verwendung des Ausdrucks, ein reines Versehen? Wenn, dann
       ist es ein gefährliches Versehen, das insbesondere Politik- und
       Medienvertretern nicht passieren darf. Denn es spielt denjenigen in die
       Hände, die ihren rassistischen Abschottungsfantasien hinter Worten
       verstecken, die nicht auf Anhieb als rechte Stimmungsmache erkennbar sind.
       
       Hierbei handelt es sich keineswegs um Haarspalterei – es geht um den
       Unterschied zwischen Wahrheit und Lüge, zwischen Fakten und Stimmungsmache.
       Wer das Narrativ der „geöffneten Grenzen“ verwendet, unterstützt und
       verbreitet – ob bewusst oder unbewusst – rechtes Gedankengut, das sich auf
       falsche Tatsachenbehauptungen stützt.
       
       5 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /ZDF-Film-ueber-Merkels-Fluechtlingspolitik/!5619782&s=zdf/
 (DIR) [2] https://bildblog.de/114155/der-tag-an-dem-angela-merkel-die-grenzen-gar-nicht-oeffnen-musste/
 (DIR) [3] https://www.welt.de/vermischtes/article184099356/Anne-Will-Merz-nennt-Merkels-Fluechtlingskurs-2015-einen-Rechtsbruch.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Charlotte Köhler
       
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