# taz.de -- Bremens Parlament wird queerer: Es ist noch nicht gut so
       
       > R2G in Bremen will einen „Queerpolitischen Beirat“, damit der
       > Landesaktionsplan umgesetzt wird. Es fehlt an Beratung, Weiterbildung –
       > und Geld.
       
 (IMG) Bild: Hilft in Sachen Akzeptanz in Bremen weiter: Der Christopher Street Day, hier im Jahr 2018
       
       BREMEN taz | Die Bremische Bürgerschaft soll einen queerpolitischen Beirat
       bekommen. Das beantragt die Grünen-Fraktion – und bekommt dafür
       Unterstützung aus der Linkspartei und der SPD, aber auch der Queerszene.
       „Wir finden das gut“, sagt Reiner Neumann, der seit 1995 im Vorstand des
       [1][Rat&Tat-Zentrums] aktiv ist: „Es gibt noch viel zu tun.“ Er fordert zum
       Beispiel eine „von möglichst vielen Seiten getragene Akzeptanz-Kampagne“,
       die fortsetze, was die Community selbst mit dem nun auch in Bremen wieder
       regelmäßig stattfindenden CSD begonnen habe.
       
       Zwar hat der rot-grüne Senat schon 2014 einen [2][Landesaktionsplan gegen
       Homo-, Trans- und Interphobie] beschlossen, dessen Umsetzung
       [3][vergangenes Jahr evaluiert] wurde. „Da ist enorm viel passiert“, sagte
       Henrike Müller von den Grünen seinerzeit im Parlament, und auch Sofia
       Leonidakis – damals noch Oppositionspolitikerin – fand, dass da in Bremen
       „viel in Bewegung“ sei.
       
       „Aber noch immer haben queere Menschen nicht die gleichen Rechte, werden
       noch immer nicht überall gesellschaftlich akzeptiert und werden auch noch
       immer nicht in allen Regelstrukturen von Schule bis Krankenhaus
       mitgedacht“, sagt die queerpolitische Sprecherin der Grünen, Kai Wargalla,
       heute. „Das müssen wir ändern.“
       
       Wargalla will nicht alle zwei Jahre „ein Spotlight“ im Parlament, wenn es
       wieder mal über die Umsetzung des Landesaktionsplanes debattiert, sondern
       eine „engmaschige Begleitung“. Dabei vertraut sie nicht allein auf die
       bestehenden Ausschüsse und Deputationen in der Bürgerschaft. Der
       Queerpolitische Beirat soll zusammen mit den Akteur*innen auf die
       konsequente Umsetzung des Landesaktionsplanes achten und dazu
       Vertreter*innen vom Rat&Tat-Zentrum, den Vereinen Trans*recht e.V. und
       Intersexuelle Menschen e.V. oder dem Lesben- und Schwulenverband (LSVD)
       versammeln.
       
       Dort würde man den Beirat „grundsätzlich sehr begrüßen“, wie
       LSVD-Landesvorsitzender Benjamin Rottmann sagt – vor allem dann, wenn er
       die Vielfalt der queeren Community widerspiegele und „keinen Selbstzweck in
       einer Alias-Funktion erfüllt, sondern eine direkte Anbindung an
       Bürgerschaft und Verwaltung hat und Gehör findet“. Überdies sieht der
       [4][rot-grün-rote Koalitionsvertrag] eine queerpolitische
       Koordinierungsstelle im Senat vor – deshalb sei es sinnvoll, auch einen
       entsprechenden Beirat zu haben, so die queerpolitische Sprecherin der
       SPD-Fraktion, Antje Grotheer.
       
       „Queerpolitik ist ein Querschnittsthema und soll in alle Lebensbereiche
       Eingang finden“, sagt auch Neumann, beispielsweise in der
       Lehrer*innen-Ausbildung, in den Schulen, aber auch schon in den
       Kindergärten. Oder in den Altenheimen: Die Grünen fanden schon vergangenes
       Jahr, dass ein Altenheim für lesbische Frauen und schwule Männer auch in
       Bremen „dringend notwendig“ wäre.
       
       In Berlin gibt es europaweit die erste Pflegeeinrichtung nur für
       Homosexuelle, ähnliche Initiativen gibt es ansonsten bislang nur in
       Metropolen. Neumann zufolge geht es aber auch darum, dass die bestehenden
       Alteneinrichtungen besser auf die Bedürfnisse und Lebensweisen queerer
       Menschen vorbereitet sind, etwa mit Fortbildungen für Pflegekräfte. Ob es
       in Bremen eine separate Einrichtung brauche, müsse man noch „intensiver
       diskutieren“, so Neumann.
       
       „Es braucht auch mehr Beratungsangebote“, sagt Wargalla – und zwar auch
       solche in Bremerhaven oder Bremen-Nord. Auch Neumann verweist auf fehlende
       Strukturen – es fehlten beispielsweise Angebote für Eltern intersexueller
       Kinder oder für queere Menschen mit Behinderungen. Und auch für
       Trans*-Menschen: „Da ist die Nachfrage riesig“, sagt Neumann.
       
       2014 hat der ebenfalls im Rat&Tat-Zentrum angesiedelte [5][Verein
       „Trans*Recht“] noch 37 Beratungen durchgeführt, 2018 waren es bereits 195.
       Der Verein bekommt aber schon seit drei Jahren von der Stadt nur Geld für
       16 Beratungsstunden im Monat – und [6][Trans*Recht] würde gerne auch
       Strukturen und Unterstützung „abseits des Viertels“ anbieten. „Wir haben in
       den letzten Jahren gemerkt, dass die Perspektive der betroffenen Menschen
       von der Politik zwar wohlwollend betrachtet wird, den Politiker*innen aber
       schlicht und einfach viel Wissen fehlt“, sagt eine Vertreter*in von
       Trans*Recht der taz. „Viele der im Landesaktionsplan angesprochen Themen
       warten immer noch auf die Umsetzung und wir begrüßen die Chance, die Stadt,
       bei der Umsetzung der Ziele zu unterstützen.“
       
       ## Kaum Platz, keine angemessenen Gehälter
       
       Nicht nur die Beratung von Trans*Recht, auch das Rat&Tat-Zentrum selbst
       platzt aus allen Nähten – in drei Zimmern stehen sieben Schreibtische für
       zehn Menschen – vertrauensvolle Beratungsgespräche seien da schwierig, so
       Neumann. Momentan sucht das Zentrum deshalb nach neuen Räumen. Und mehr
       Geld bräuchte es auch: Derzeit bezahlt das Rat&Tat-Zentrum seine
       Mitarbeiter*innen noch nach dem Tarifvertrag von 2012 – weil für mehr kein
       Geld da ist, wie Neumann erklärt: „Wir hinken 30 Prozent hinter der
       allgemeinen Gehaltsentwicklung hinterher.
       
       Zwar verspricht der rot-grün-rote Koalitionsvertrag – wie vielen anderen
       auch – das Rat&Tat-Zentrum „finanziell besser auszustatten“. Konkret ist
       das aber noch nicht, die Haushaltsberatungen kommen erst noch. Und auch das
       „Referat für gleichgeschlechtliche Lebensweisen“ im Sozialressort ist
       derzeit unbesetzt, sagt Neumann – und mit gerade mal vier Wochenstunden
       auch unterbesetzt.
       
       10 Sep 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.ratundtat-bremen.de/
 (DIR) [2] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp18/land/drucksache/D18L1738.pdf
 (DIR) [3] https://www.bremische-buergerschaft.de/dokumente/wp19/land/drucksache/D19L1552.pdf
 (DIR) [4] https://www.spd-land-bremen.de/Binaries/Binary6296/Entwurf-Koalitionsvertrag-2019-07-01.pdf
 (DIR) [5] /Archiv-Suche/!5606863&s=Landesaktionsplan+gegen+Homo-%252C+Trans-+und+Interphobie&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [6] https://trans-recht.de/
       
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 (DIR) Jan Zier
       
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