# taz.de -- Wahlkampfabschluss in Sachsen: The final countdown
       
       > 48 Stunden vor der Landtagswahl geben CDU, SPD, Linke, Grüne und AfD noch
       > einmal alles. Die einen mit mehr, die anderen mit weniger Publikum.
       
 (IMG) Bild: Werben für die CDU: Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer und Annegret Kramp-Karrenbauer
       
       DRESDEN/LEIPZIG taz | Hendrik Martin ist am Freitag von Meißen nach Leipzig
       gekommen. Eigentlich, um sich für das Studium anzumelden, aber dann las er
       in der Zeitung, dass die sächsische CDU in Leipzig ihren Wahlkampfabschluss
       zelebriert. [1][Michael Kretschmer], der um sein Amt kämpfende
       Ministerpräsident, läuft am Freitagnachmittag mit satter Verstärkung aus
       Berlin auf dem Nikolaikirchhof auf: Parteichefin Annegret
       Kramp-Karrenbauer, Gesundheitsminister Jens Spahn und CDU-Jungstar Philipp
       Amthor kamen. 1.500 Menschen, so die Zählung der CDU, wollen ihnen zuhören.
       Aus den Lautsprechern dröhnt „The final countdown“.
       
       Am Sonntag wird in Sachsen und Brandenburg gewählt. 3,3 Millionen Menschen
       können in Sachsen ihre Stimme abgeben, 152.000 von ihnen sind [2][laut
       Leipziger Volkszeitung] Erstwähler. In Sachsen trommeln die Parteien kurz
       vor der Wahl ihre potentiellen Wählerinnen und Wähler zu mehr oder weniger
       fulminanten Wahlkampfabschlüssen zusammen.
       
       Der 18-jährige Hendrik Martin stürzt sich also nach der Einschreibung in
       die Menschenmenge neben der Nikolaikirche und nutzt die Gelegenheit: Er
       bittet Kramp-Karrenbauer um ein Selfie und fragt sie, warum die
       Abiturprüfungen in Deutschland so unterschiedlich seien. Kramp-Karrenbauer
       nimmt sich Zeit für beides. „Sie hat mich überzeugt“, sagt Hendrik Martin,
       die Wangen noch rot vor Aufregung. Wen er am Sonntag wählt? „Die CDU ist
       eine Option“, sagt er. Weil sie das dreigliedrige Schulsystem erhalten
       wolle. Und weil man der AfD die Stirn bieten müsse.
       
       Die sächsische CDU steht in Umfragen derzeit bei rund 30 Prozent. Sie hat
       damit gute Chancen, erneut stärkste Partei zu werden. Aber die AfD ist mit
       25 Umfragepunkten dichtauf. Es bleibt eine Zitterpartie.
       
       ## Papphocker statt Bierbänke
       
       Zehn Laufminuten von der CDU-Party entfernt, vor der geschwungenen
       Silberfassade des ehemaligen Centrum-Warenhaus, haben die Grünen eine Bühne
       aufgebaut. Der Platz, gerade noch halbleer, hat sich schnell gefüllt.
       
       Die Grünen stehen vor einem Wahlsieg. Kamen sie vor fünf Jahren mit Ach und
       Krach über die Fünf-Prozent-Hürde, können sie nun mit doppelt so vielen
       Mandaten rechnen. 600 Menschen, so wird Spitzenkandidatin [3][Katja Meier]
       später [4][twittern], seien zur Abschlusskundgebung der Grünen gekommen.
       Statt auf Bierbänken, wie bei der CDU, sitzen diese auf Papphockern.
       
       Oder sie stehen, so wie die beiden RadfahrerInnen, die sich als Helene und
       Jonathan vorstellen. Helene, die mit 23 schon zum zweiten Mal wählt, will
       für die Grünen stimmen: „Das sagt mir mein Bauchgefühl“. Wenn sie durch die
       Innenstadt radelt, kommt sie an einem Graffito vorbei, das jemand an die
       Fassade der Uni Leipzig gesprüht hat: „Es gibt keinen Planeten B“. „So ist
       es“, sagt sie fest.
       
       Jonathan ist 19 und wird zum ersten Mal bei der Landtagswahl sein Kreuz
       machen. Bei welcher Partei, ist noch offen. Für den Samstag hat er sich
       vorgenommen, sich alle Programme durchzulesen. Bei den Grünen kann er schon
       mal zuhören – „Praktisch, da muss ich nicht mehr so viel lesen.“ Als Robert
       Habeck, der Bundesvorsitzende der Grünen in rotem Hemd die Bühne springt,
       nickt er Helene zu. „Lass uns mal näher ran gehen.“
       
       ## Spielkarten und zwei Bierflaschen
       
       Linkspartei und SPD haben schon Stunden zuvor zum Wahlkampfabschluss in
       Dresden geladen. Die Linkspartei wirbt am Donnerstag vor 50er-Jahre-Bauten
       in der inneren Altstadt mit Gregor Gysi. Mehrere hundert Menschen wollen
       den Alt-Star der Linken sehen und hören. Sie sitzen auf Bänken in der
       prallen Sonne oder im Schatten unter Bäumen auf ihren Rollatoren.
       
       Oliver und Marcel sitzen auf dem Boden, Spielkarten und zwei Bierflaschen
       vor sich. Oliver wird zum ersten Mal wählen, mit der Zweitstimme hat er
       sich schon festgelegt: Die geht an die Linke. „Weil man, um das Klima zu
       schützen, radikal etwas ändern muss. Nicht nur, so wie die Grünen, eine
       Steuer erheben“, sagt er. Den Kapitalismus müsse man abschaffen, ergänzt
       Marcel. Er ist erst 17, wählen darf er noch nicht.
       
       Oliver steckt indes noch in einem Dilemma. In seinem Wahlkreis, der von den
       Villen auf dem Weißen Hirsch bis zu den Plattenbauten in Prohlis reicht,
       liefern sich CDU-Kandidat, Kultusminister Christian Piwarz, und der
       AfD-Kandidat ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Kandidatin der Linken ist
       chancenlos. „Vielleicht muss ich doch die CDU wählen, um die AfD zu
       verhindern“, meint Oliver bekümmert.
       
       ## Zwei Reihen von Küchentischen
       
       Es ist Freitagvormittag, gleicher Ort. Knapp hundert Menschen haben an den
       meterlangen Küchentischen Platz genommen, die die SPD zum
       Wahlkampfabschluss aneinandergereiht hat. Für die gebeutelte SPD ist
       Dresden eigentlich ein gutes Pflaster. Seit Ende der 90er hat sie in der
       Landeshauptstadt kontinuierlich Stimmen gewonnen – vor fünf Jahren wählten
       knapp 14 Prozent der Dresdner SPD. Der Liedermacher Rany singt: „Ist gar
       nicht so schlimm, wir kriegen das hin“.
       
       Die sächsischen Sozialdemokraten verzichten auf Beistand aus Berlin, der
       wohl ohnehin kaum als Beistand fungiert hätte. Umfragen im Bund sehen die
       SPD zwischen 13 und 15 Prozent. In Sachsen wird die SPD am Sonntag
       zufrieden sein, wenn sie der Fünf-Prozent-Hürde nicht allzu nahe kommt. In
       den Umfragen zur Landtagswahl liegt sie zwischen 7 und 9 Prozent.
       
       Spitzenkandidat [5][Martin Dulig] versucht es im Alleingang, als Kollege
       oder Verkehrsminister und zum Wahlkampfausklang wieder als Hausherr und
       WG-Kumpel zwischen zwei Reihen von Küchentischen. Er steht am Mikrofon und
       wirbt unverblümt für eine Koalition von CDU, SPD und Grünen. Wir gegen die
       AfD, darauf setzt die SPD in letzter Verzweiflung. Die Nummer zwei auf der
       Liste, [6][Petra Köpping], Integrationsministerin und Ossi-Versteherin,
       sitzt derweil im Schatten und redet mit den Wählerinnen und Wählern.
       
       Eine von ihnen ist Ruth Neukirch. 70 Jahre, ehemals Lehrerin und
       Stammwählerin. Die SPD sei für sie die einzig wählbare Partei: „Sozial,
       sympathisch und dabei realistisch“. Auf die Frage, was die Partei tun
       müsse, um wieder auf die Beine zu kommen: „Durchhalten“, sagt Neukirch und
       nickt. „Einfach durchhalten.“
       
       Die AfD lädt am Samstagabend zum Wahlkampfabschluss in Görlitz ein. Im
       Wahlkreis 58 tritt Sebastian Wippel als Direktkandidat gegen
       Ministerpräsident Michael Kretschmer an. Ein Duell mit Symbolcharakter.
       „High Noon“ würde gut als musikalische Untermalung passen.
       
       31 Aug 2019
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Landtagswahl-in-Sachsen/!5619210
 (DIR) [2] https://www.lvz.de/Leipzig/Wahl/Landtagswahl-Sachsen/Darum-gehen-wir-waehlen-Das-sagen-Erstwaehler-in-Sachsen
 (DIR) [3] /Sachsens-Gruenen-Spitzenkandidatin/!5620605
 (DIR) [4] https://twitter.com/Ka_Meier/status/1167454266086150144
 (DIR) [5] /SPD-im-saechsischen-Wahlkampf/!5621394
 (DIR) [6] /Kandidatin-fuer-den-SPD-Vorsitz/!5616292
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Lehmann
       
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