# taz.de -- Rechtsextreme Netzwerke: Augen auf
       
       > Ein Verfassungsschützer taucht im Zusammenhang mit zwei rechtsextremen
       > Morden auf. Das ist keine Bagatelle und muss genau untersucht werden.
       
 (IMG) Bild: Der Zugang zur Synagoge in Halle in den Tagen nach dem Anschlag
       
       Der Ex-Verfassungsschützer Andreas Temme, der am Tatort chillte, während
       Halit Yozgat vom NSU ermordet wurde, [1][war auch mit dem mutmaßlichen
       Lübcke-Mörder Stephan Ernst „dienstlich befasst“]. Hessens Innenminister
       Peter Beuth (CDU) nennt das normal und warnt davor, „Sachverhalte unnötig
       zu skandalisieren“.
       
       Das ist kein Wunder. Wenn es um Rechtsextremismus geht, ist die
       Verharmlosung der erste deutsche Impuls. Auch nach dem Angriff in Halle
       hieß es, dass der Attentäter Stephan B. (nicht zu verwechseln mit Stephan
       E.) Einzeltäter sei. Bei Rechtsextremisten denkt man also zuerst an
       vereinzelte Stephans. Bis heute gilt der NSU als Trio.
       
       Laut BKA gibt es zurzeit 43 rechtsextreme Gefährder*innen in
       Deutschland. Bei der Zahl weiß man nicht, ob man lachen oder weinen soll.
       Lachen, weil so eindeutig klar ist, dass die Zahl nicht stimmen kann und
       viel höher sein muss. Weinen, weil den Behörden der Ernst der Lage nicht
       klar zu sein scheint, während Rechtsextreme sich bewaffnen, Angriffe
       planen, umsetzen und live streamen.
       
       Auch wenn sie ihre Taten einzeln verüben, sind sie Teil einer Gruppe: Die
       losen Strukturen arbeiten nach dem Prinzip [2][des „führungslosen
       Widerstands“]. Unter anderem schützen sie sich so vor Verfolgung.
       
       Auch unter Journalist*innen herrscht oft eine verharmlosende Haltung. Die
       „Tagesschau“-Moderatorin Pinar Atalay fragte nur Stunden nach dem Anschlag
       in Halle den ARD-Terrorismusexperten Georg Mascolo, ob der Döner-Imbiss als
       Ziel zufällig ausgewählt worden sei. Mascolo nannte es „wahllos“, obwohl
       der Täter dabei das Wort „Kanake“ in den Mund nahm. Wenn das Motiv
       rassistisch ist, ist das Ziel gerade nicht wahllos. Atalay ließ Mascolos
       Aussage bedauerlicherweise unwidersprochen.
       
       Eigentlich sollte es genau umgekehrt laufen: Sachverhalte müssen
       skandalisiert werden. Bei rechtsextremistischen Straftäter*innen ist
       zunächst mal davon auszugehen, dass sie keine Einzeltäter*innen sind. Wenn
       ein Name wie Temme erneut im Zusammenhang eines rechtsextremistischen Mords
       auftaucht, ist es nötig, sehr genau hinzuschauen. Rechtsextreme sind gut
       vernetzt und organisiert. Sie trainieren, üben mit Waffen, radikalisieren
       sich gegenseitig, bereiten sich auf ihren Tag X vor.
       
       Und nicht alle Rechtsextreme tragen heutzutage Bomberjacken und
       Springerstiefel. Sie sitzen in Landesparlamenten, im Bundestag und im
       EU-Parlament, aber auch in Behörden und Redaktionen. Und genau das muss
       skandalisiert werden.
       
       18 Oct 2019
       
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