# taz.de -- Grundrenten-Diskussion in der Regierung: Für wen der Rubel rollt
       
       > Bei der Bedürftigkeitsprüfung für die Grundrente dreht die Große
       > Koalition jeden Cent um. Prämien für E-Autos vergibt sie dagegen sehr
       > großzügig.
       
 (IMG) Bild: Glücklich sind die AutofahrerInnen, denn sie werden vom Staat beschenkt
       
       Das Beispiel der Zahnarztgattin wird i[1][m großkoalitionären Streit über
       die Grundrente] gerade gern bemüht. Braucht die eine Grundrente, wo doch
       ihr Mann arbeitet? Hat sie es überhaupt verdient, Geld zu bekommen, das
       andere BeitragszahlerInnen fleißig erarbeitet und eingezahlt haben in die
       solidargemeinschaftliche Rentenkasse? Obwohl sie doch einfach nur die Frau
       vom Zahnarzt-Mann ist?
       
       Man muss den VerfechterInnen der Bedürftigkeitsprüfung fast dankbar sein,
       dass ihnen zum Thema Grundrente kein intelligenteres Beispiel einfällt als
       die Frau, die scheinbar zweckbefreit Teil dieser Gesellschaft ist und
       dennoch Geld erhalten soll. Die Realität ist bekanntlich eine andere – und
       sie orientiert sich sicher nicht an Problemen eines Narrativs, das seinen
       Ursprung in der westdeutschen Versorgerehe des 20. Jahrhunderts hat.
       
       Bei der Grundrente handelt es sich um einen Zuschlag von maximal 10 Prozent
       auf die Grundsicherung im Alter. Es geht um Menschen, die trotz mindestens
       35 Jahren Berufstätigkeit eine [2][Rente unterhalb der Grundsicherung]
       erhalten würden. Für Alleinstehende liegt diese aktuell bei 424 Euro pro
       Monat, plus Mietkosten.
       
       Schlimm genug, dass so etwas wie die Grundrente überhaupt nötig ist. Die
       ganze Neiddebatte über die Gattin mit Perlenkette und Golf-Cabrio aber
       beschämt jene, die nach einem langen Arbeitsleben auf Unterstützung
       angewiesen sind. Es geht hier um Geld für die neue Brille, eine
       Waschmaschine oder Weihnachtsgeschenke für die Enkel – um nicht mehr als
       insgesamt 2 Milliarden Euro im Jahr.
       
       Für eine andere Gruppe hingegen, für die AutofahrerInnen, entscheidet die
       Große Koalition gerade schnell und unbürokratisch. Über einen Zeitraum von
       sechs Jahren sollen die [3][Kaufprämien für Elektroautos] kräftig erhöht
       werden: Statt 4.000 Euro wie bisher gibt es nun 6.000 Euro vom Staat für
       ein neues E-Auto; 4.500 für Plug-in-Hybride. Selbst für Autos, die teurer
       als 40.000 Euro sind, wird die Prämie erhöht: von 4.000 auf 5.000 Euro. Da
       rollt der Rubel.
       
       Mag sein, dass hier Äpfel mit Birnen verglichen werden: dauerhafte
       Maßnahmen mit mittelfristigen, industrie- mit sozialpolitischen. Aber es
       fällt schon unangenehm auf, wie leicht eine politische Entscheidung von der
       Hand geht, die von einer starken Autolobby vorangetrieben wurde. Und wie
       verbissen dagegen den RentnerInnen die Groschen in die Hand gezählt werden,
       die hart rechnen müssen für ein Bahnticket. Von einem eigenen Auto ganz zu
       schweigen. Die Frage nach der Zahnarztgattin, die ihren Golf-Cabrio gegen
       einen subventionierten VW ID.3 eintauschen könnte, wird hier gar nicht erst
       gestellt.
       
       4 Nov 2019
       
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