# taz.de -- Die Wahrheit: Die ganze Affenbande brüllt
       
       > Die singenden Satirekinder des WDR haben sich abermals wehrlose Opfer
       > gesucht und schlagen schon wieder erbarmungslos zu.
       
 (IMG) Bild: Auch ohne Eingreifen des WDR-Kinderchors ist die Anteilnahme am Schicksal der Krefelder Affen groß
       
       Stoppt die Presse! Besonders die der Lüge! Haltet die Maschinen wie einen
       Dieb: Die neueste Neuigkeit, die allerneueste Umweltsau, die durch das
       globale Dorf der medialen Nachrichtenwelt getrieben wird, ist nun endlich
       raus. Der sagenumwobene WDR-Kinderchor („Meine Oma ist eine Umweltsau“) ist
       in den Untergrund abgetaucht und hat dort aufgrund jüngster Ereignisse in
       der Hölle der Musikindustrie wirklich und wahrhaftig eine Schallplatte
       aufgenommen!
       
       Die allerdings wird nur auf Schellack in einer Auflage von 23 (!) Stück
       erhältlich sein – schließlich sind inzwischen die Goldenen Zwanziger Jahre
       zurück, jedenfalls in der Lügenpresse. Außerdem darf der exklusive
       Tonträger nur in der Kellerbar des Bochumer Schauspielhauses nach 23 (!!)
       Uhr abgespielt werden – und zwar ausschließlich rückwärts. Natürlich nur
       auf einem Deutschen Grammophon! Gut, ein Monochord von 1930 tut es
       ehrlicherweise auch.
       
       ## Überraschung auf der Wachsplatte
       
       Klar ist natürlich, dass ein Bootleg der legendären großmütterbeleidigenden
       Skandal-Aufnahme von 1919 (Entschuldigung, 2019) des WDR-Kinderchors unter
       der Leitung von Zeljo Davutovic („Es geht nicht um die Oma, sondern um uns
       alle“) auf der A-Seite zu hören sein wird. Leider lässt die Tonqualität
       etwas zu wünschen übrig, da das Stück aufwändig von blöden
       Bluetooth-Lautsprechern der letzten Dekade abgespielt und auf eine
       uromaalte (Entschuldigung) Wachsplatte aufgezeichnet werden musste. O
       tempora, o mores! Zum Glück ist der Chor aber vielstimmig genug und hat
       über die Feiertage auch ordentlich zugelegt, so dass die Stimmchen der
       vorgeblich „instrumentalisierten“ Kinderschar nur ganz oberflächlich „dünn“
       klingen.
       
       Die eigentliche Überraschung bietet jedoch die B-Seite. Nach der Oma und
       der Freitagsbewegung haben die singenden Satirekinder schon wieder zu einem
       brandheißes Eisen des Zeitgeschehens gegriffen und abermals einen uralten
       Schlager aus der Volksliederschatulle über den satirischen Wolf gedreht.
       Der nächste Shitstorm dürfte damit vorprogrammiert sein. Wie gut, dass
       Chorleiter Davutovic („Der Begriff Oma ist aufgrund des Originaltextes
       ‚Meine Oma fährt im Hühnerstall Motorrad‘ Teil des parodierten Textes“)
       vorgedacht und in vorauseilendem Gehorsam schon eine geharnischte
       [1][Entschuldigungserklärung] ins Netz gestellt hat.
       
       ## Allgemeingültige Entschuldigung
       
       Die ist zwar identisch mit dem Rechtfertigungsschreiben für [2][das alte
       Oma-Lied], funktioniert aber immer noch, wenn man den Begriff „Oma“ einfach
       durch das Wort „Tier“ oder „Affe“, die Wörter „Seniorinnen und Senioren“
       durch „Frauen mit Himmelslaternen“ und das Wort „Seniorenheime“ durch
       „Zoos“ ersetzt: „Es geht nicht um die Oma, sondern um uns alle. Hier
       schließe ich mich persönlich ein. Ich möchte mich als beteiligter Musiker
       bei allen entschuldigen, die sich trotz der Einordnung als Satire von uns
       persönlich angegriffen fühlen. Wir haben in den vergangenen Jahren immer
       allergrößten Respekt vor Seniorinnen und Senioren gezeigt. Diesen werden
       wir uns auch in Zukunft nicht nehmen lassen. Zahlreiche Auftritte in
       Seniorenheimen dokumentieren unsere generationenübergreifende Arbeit.“
       
       Die Stichworte sind: Krefeld, Wald, Kokosnuss, Affenbande, Kopf – und
       ohnehin schon gefallen. Diesmal wird also der Mundorgel-Klassiker „Die
       Affen rasen durch den Wald“ zur Hochleistungssatire umgemodelt. Bei der
       Neuversion dieses umweltsaualten Schulklassenschlagers geht es natürlich
       nicht nur um die jüngst unglücklich verunglückten Primaten des Krefelder
       Affenhauses, sondern um „uns alle“! Sogar das Wort „Umweltsau“, diesmal in
       leicht abgeschwächter Form verwendet („Hexen mit fliegenden Laternen“),
       fällt wieder.
       
       ## Konspiration im Affentheater
       
       Helle Aufregung herrscht seit Bekanntwerden des erneuten Coups von
       Deutschlands frechstem Kinderchor („Morgens um sieben ist die Welt noch in
       Dortmund“) aber nicht nur in rechten Netzwerken, also beim Zoo Krefeld, bei
       Peta, Philipp Amthor und der GEMA, sondern auch in der Bundesprüfstelle für
       jugendgefährdende Medien. Die wollen die Schellackplatte – wenngleich
       sowieso nur als Bückware unter dem Ladentisch erhältlich – schnellstmöglich
       indi- und konfiszieren. Verständlicherweise.
       
       Der abgetauchte Kinderchor lässt sich von dem ganzen Affentheater nicht
       unterkriegen. Im Bochumer Untergrund plant das konspirative Gesangsnetzwerk
       bereits die zweite Single. Angeblich soll eine in der australischen
       Pama-Nyunga-Sprache gesungene Version des Dschungelbuchsongs gegeben
       werden, ein fiktives Duett („Probier’s mal mit Nachhaltigkeit“) zwischen
       Balu, dem angekokelten Koalabären und Down-under-Premier Scott Morrison.
       Mit einer deutschsprachigen Fassung von „Anarchy in the UK“ („Gott rasiert
       die Queen“) soll auf der B-Seite der Brexit gewürdigt werden.
       
       Die Vorbestellungen gehen bereits durch die Decke, und zwar nicht nur durch
       die der WDR-Zentrale in Köln. Der Rundfunkrat ist außer sich. Tom Buhrow,
       übernehmen Sie.
       
       6 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wdr-kinderchor.de/de/
 (DIR) [2] https://www.youtube.com/watch?v=MDwAPEc3COU
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) René Hamann
       
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