# taz.de -- Biologische Vielfalt: Das Jahr des Rebhuhns
       
       > Sie sind lebenswichtig, aber kaum bekannt: Die „Aichi-Ziele“ sollten das
       > Artensterben bis 2020 bremsen. Bis jetzt ist das aber nicht geglückt.
       
 (IMG) Bild: In freier Wildbahn kaum noch zu sehen: das Rebhuhn
       
       BERLIN taz | 2020 wird das Jahr der Rebhühner, der Ackerkräuter, der
       Bodenbakterien. Denn 2020 wird quasi monatlich auf europäischen oder
       internationalen Konferenzen beraten, wie die biologische Vielfalt der Welt
       künftig geschützt werden kann. Höhepunkt wird das große Treffen der
       Mitgliedstaaten der UN-Konvention zum Erhalt der biologischen Vielfalt im
       Oktober im chinesischen Kumning. Analog zu den großen Klimakonferenzen will
       die Weltgemeinschaft dort beschließen, wie sie die Artenvielfalt künftig
       schützen will.
       
       Das allerdings sollte eigentlich gar nicht nötig und die Kuh 2020 längst
       vom Eis sein. [1][Vor zehn Jahren hatte sich die Weltgemeinschaft
       vorgenommen], den Verlust der Artenvielfalt und der Lebensräume aufzuhalten
       und dazu auf einer UN-Konferenz in Nagoya die sogenannten Aichi-Ziele
       beschlossen.
       
       Damit sollte erreicht werden, dass der Erhalt der biologischen Vielfalt in
       politischen Entscheidungen selbstverständlich berücksichtigt wird.
       Wirtschaftliche Anreize oder Subventionen, die den Erhalt der biologischen
       Vielfalt gefährden, sollten gestrichen oder entsprechend reformiert werden.
       Es sollten kaum noch Lebensräume wie Wälder verloren gehen, ihr Zustand
       sollte sich nicht länger verschlechtern. Land- und Forstwirtschaft sowie
       Fischerei sollten nachhaltig arbeiten und die biologische Vielfalt
       erhalten. Und so weiter und so weiter. „Die Ziele waren und sind gut“, sagt
       Friedrich Wulf von der Schweizer Naturschutzorganisation Pro Natura. „Wir
       haben sie nur nicht umgesetzt.“
       
       ## Deutschlanbd hat eine miserable Bilanz
       
       Beispiel Deutschland: Die Bundesrepublik hatte sich zum Ziel gesetzt, 2
       Prozent der Landesfläche in großflächige Wildnisgebiete umzuwandeln.
       „Geschafft haben wir aber nur 0,6 Prozent“, sagt Nicola Uhde,
       Naturschutzreferentin beim Bund für Umwelt und Naturschutz. Auch die
       angestrebten 5 Prozent naturbelassener Wälder seien nicht erreicht worden,
       so Uhde. Um das Massenaussterben zu stoppen, sei eine deutliche Reduktion
       des Einsatzes von Pestiziden in der Landwirtschaft, in Gärten und im
       städtischen Grün notwendig.
       
       Auch die Situation der Küstengewässer habe sich in den letzten Jahren nicht
       verbessert, sondern verschlechtert, sagt Kim Detloff, Meeresexperte des
       Naturschutzbundes. „Der Zustand von Riffen und Seegraswiesen ist
       gleichbleibend schlecht, Bestände von Schweinswalen oder Meeresvögeln sind
       sogar rückläufig“, so Detloff.
       
       Mit seiner [2][miserablen Bilanz] ist Deutschland nicht allein. Weltweit
       haben die Staaten dabei versagt, die Aichi-Ziele umzusetzen. Trotzdem
       findet es Naturschützer Wulf sinnvoll, an diesen Zielen festzuhalten:
       „Viele Regierungen haben immerhin angefangen, Biodiversitätsstrategien
       aufzusetzen und Maßnahmen in Angriff zu nehmen“, meint er. „Wenn wir die
       Zielvorgaben nun wieder ändern, gehen die Prozesse womöglich von vorne los
       und wir verlieren wertvolle Zeit.“ Als einen Treiber für positive
       Veränderungen sieht er derzeit die EU. Ende Februar oder Anfang März will
       die Kommission ihre Biodiversitätsstrategie 2030 vorlegen und damit die
       internationale Debatte voranbringen. Die Rebhühner dürfen gespannt sein.
       
       1 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.cbd.int/sp/targets/
 (DIR) [2] /Biodiversitaetskonferenz-in-Aegypten/!5554908&s=Biodiversit%C3%A4t/
       
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