# taz.de -- Möglicher Abzug der US-Truppen: Irak zwischen den Fronten
       
       > Das irakische Parlament will alle US-Soldaten aus dem Land werfen.
       > Beobachter fürchten in dem Fall ein Erstarken der Terrormiliz IS.
       
 (IMG) Bild: Das irakische Parlament will, dass sie gehen: US-Soldaten am Neujahrstag in Bagdad
       
       AMSTERDAM taz | Der Ball liegt nun bei der irakischen Regierung. Nachdem
       das Parlament in Bagdad am Sonntag forderte, alle ausländischen Truppen des
       Landes zu verweisen, muss sie nun vor allem über die künftige Präsenz der
       rund 5.200 US-Soldaten im Irak entscheiden. Ein Rausschmiss beträfe all
       jene Streitkräfte, die derzeit auf Einladung der irakischen Regierung im
       Land stationiert sind, um die Regierung im Kampf gegen die Terrormiliz
       „Islamischer Staat“ (IS) zu unterstützen.
       
       Bindend ist die Resolution des Parlaments nicht. Allerdings deutet vieles
       darauf hin, dass die Regierung der Forderung nachkommen wird.
       Regierungschef Adel Abd al-Mahdi, der die Tötung des iranischen Generals
       Qasim Soleimani im Irak als „empörende Verletzung der irakischen
       Souveränität“ bezeichnete, hatte das Parlament zuvor aufgefordert, den
       Truppenabzug zu beschließen.
       
       Der Einbezug der Legislative verleiht seiner Forderung nach einem
       US-Truppenabzug Legitimität. Die hat al-Mahdi dringend nötig, der vor gut
       einem Monat [1][seinen Rücktritt angekündigt] hat und nur noch
       kommissarisch im Amt ist. Zuvor hatten Hunderttausende Iraker
       [2][wochenlang gegen die Regierung demonstriert].
       
       US-Präsident Donald Trump reagierte heftig auf die Überlegungen, die
       US-Truppen des Landes zu verweisen: „Wir werden ihnen Sanktionen
       auferlegen, wie sie es noch nie gesehen haben“, twitterte er. „Es wird die
       iranischen Sanktionen lahm aussehen lassen.“
       
       Bei dem [3][US-Angriff am Freitag war nicht nur Soleimani], sondern auch
       Abu Mahdi al-Muhandis getötet worden, einer der Führer der
       paramilitärischen Einheiten Haschd al-Schaabi. Auch wenn dieser dem Iran
       nahesteht, ist es bemerkenswert, dass die USA mit al-Muhandis einen
       hochrangigen Militär und Politiker eines verbündeten Staates eliminierten.
       
       ## Abwesenheit sunnitischer Parlamentarier
       
       Seit dem Sturz des Saddam-Regimes durch die Amerikaner 2003 ringen der Iran
       und die USA um Einfluss im Irak. Mit der Eskalation zwischen den beiden
       Mächten setzen sie die irakische Regierung unter Druck. Der iranische
       Revolutionsführer Ali Chamenei forderte bereits 2018 den Abzug der
       US-Truppen aus dem Irak, während US-Außenminister Mike Pompeo sagte, die
       USA wollten sicherstellen, dass der Irak „eine unabhängige Nation“ bleibe –
       also frei von iranischem Einfluss.
       
       Dass der iranische Wunsch nach einem US-Truppenabzug nun ausgerechnet
       aufgrund der Tötung Soleimanis durch die USA in Erfüllung gehen könnte,
       entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie.
       
       Der Parlamentsentscheid vom Sonntag erfolgte praktisch in Abwesenheit
       kurdischer und sunnitischer Abgeordneter. Von den insgesamt 328
       Abgeordneten waren nur 170 anwesend. Er war also vor allem ein Votum der
       beiden schiitischen Blöcke Sairun und Fatah. Die Fatah-Allianz, die die
       Haschd-al-Schaabi-Milizen repräsentiert, steht dem Iran nahe. Dessen Führer
       Hadi al-Ameri hatte zuvor bereits den US-Abzug gefordert.
       
       Sairun-Anführer Muqtada al-Sadr wiederum hatte in den vergangenen Jahren
       auf nationalistische Rhetorik gesetzt und so in einer Koalition mit den
       Kommunisten die Parlamentswahl 2018 gewonnen. Er hatte den Iran wiederholt
       für seine Einflussnahme im Irak kritisiert.
       
       Nach der Tötung Soleimanis fiel seine Kritik an den USA jedoch harsch aus.
       Er kritisierte den Parlamentsbeschluss als „schwache Antwort“ auf „die
       amerikanische Verletzung irakischer Souveränität“. Al-Sadr fordert den
       sofortigen US-Abzug, die Schließung der US-Botschaft und die
       Kriminalisierung jeglicher Kommunikation mit der US-Regierung.
       
       Die US-Soldaten im Irak übernehmen mehrheitlich eine beratende Funktion für
       die irakische Armee. Ihr Abzug, fürchten viele, könnte zu einem Erstarken
       des IS führen. Die Aktivitäten der Truppen wurden in den vergangenen Tagen
       bereits ausgesetzt, weil die Sicherheit der Berater nicht garantiert werden
       konnte.
       
       7 Jan 2020
       
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