# taz.de -- Irak nach dem Tod von Soleimani: Trump schlägt Reformbewegung
       
       > Gerade hatten die Iraker die iranhörigen Kräfte im Land zurück gedrängt –
       > dann schlug der US-Präsident zu. Damit hat er der Protestbewegung
       > geschadet.
       
 (IMG) Bild: US-Soldaten wie diesen im Botschaftsviertel in Badgad will das irakische Parlament loswerden
       
       KAIRO taz | Es gibt ein Sprichwort, das derzeit im Irak häufig zitiert
       wird: „Wenn zwei Elefanten kämpfen, dann leidet das Gras.“ Die Iraker
       wissen: [1][Nach der Tötung des iranischen Generals Qasim Soleimani] wird
       ihr Land mit den dort stationierten US-Truppen und den vom Iran
       kontrollierten Milizen eine der Hauptfrontlinien im USA-Iran-Konflikt sein.
       Die Iraker werden die Zaungäste sein.
       
       [2][Die gigantischen Trauerfeierlichkeiten für Soleimani im Iran] verheißen
       nichts Gutes. Die enorme Mobilisierung der Iraner und die Appelle an ihren
       Nationalismus und die schiitische Ehre, die gerächt werden müsse, sprechen
       dafür, dass das iranische Regime als Antwort nicht nur gesichtswahrende
       Aktionen, sondern Größeres plant.
       
       Erklärtes Ziel Teherans ist es, die US-Truppen aus der gesamten Region zu
       vertreiben. Die US-Truppen im Irak sind so etwas wie niedrig hängende
       Früchte, die darauf warten, gepflückt zu werden. Ihnen das Leben mithilfe
       der schiitischen Milizen militärisch schwer zu machen, dürfte ein
       Kinderspiel sein.
       
       Die zweite Ebene ist eine politische: Zunächst hat das [3][irakische
       Parlament am Sonntag einen Abzug der im Irak stationierten US-Truppen
       gefordert] – allerdings nur im Beisein der schiitischen Parteien und in
       Form einer nicht bindenden Resolution. Sunnitische und kurdische Parteien
       hielten sich zurück. Nun soll der irakische Premier Adel Abd al-Mahdi die
       Angelegenheit weiterdrehen. Dafür gibt es allerdings keinen zeitlichen
       Rahmen.
       
       ## Sanktionen schweißen zusammen
       
       Momentan ist die Zeit der flammenden Reden. Hinter den Kulissen dürfte es
       aber ruhiger zugehen. Dort wird wohl diskutiert, was ein US-Abzug konkret
       für Auswirkungen auf den Kampf gegen den sogenannten „Islamischen Staat“
       (IS) haben würde. Apropros IS: Deren Vertreter dürften sich angesichts der
       Soleimani-Krise ins Fäustchen lachen, gehen sich doch jetzt ihre
       Hauptgegner, die USA und die schiitischen Milizen, gegenseitig an die
       Kehle.
       
       Und während es im Irak in Sachen US-Truppenrückzug wahrscheinlich
       pragmatisch zugeht, hält es US-Präsident Donald Trump mit flammenden Tweets
       und droht den Irakern noch nie dagewesene Sanktionen an, sollten sie die
       US-Truppen des Landes verweisen. Ob er das macht, weil ihm bewusst ist, wie
       sanktionstraumatisiert die Iraker sind, nachdem sie zu Zeiten Saddam
       Husseins jahrelang unter UN-Sanktionen litten, sei dahingestellt.
       
       Eine andere Lektion hat Trump sicherlich nicht gelernt: Sanktionen sind
       zwar ein Instrument der Bestrafung, sie sind aber ein denkbar schlechtes
       Mittel, die Machtverhältnisse in einem Land von außen zu verändern. Meist
       erreichen sie das Gegenteil und schweißen die Bevölkerung zusammen.
       
       Und die hat im Irak in den letzten Monaten alles andere als
       zusammengehalten. Monatelang ging im vergangenen Jahr [4][eine
       Protestbewegung auf die Straßen], gegen die konfessionelle Politik, gegen
       die schiitischen Milizen und Parteien, die seit Jahren in ihre eigenen
       Taschen wirtschaften – und damit auch gegen den iranischen Einfluss.
       
       ## Doch dann kam Trump
       
       Die Proteste waren eine überkonfessionelle Bewegung, an der
       überdurchschnittlich viele Schiiten teilnahmen, die sich damit gegen ihre
       eigene politische Führung wandten. Die meist jungen Iraker, die eine
       Neuwahl und eine völlig neue Politik einforderten, hatten die Satelliten
       Teherans im Irak gegen Ende des letzten Jahres politisch in die Ecke
       gedrängt.
       
       Doch dann kam Trump und um die irakische Reformbewegung wurde es still.
       Jetzt bestimmen wieder die schiitischen Milizen und Parteien die Szene. Das
       wahrlich Tragische dabei: Hätte man es den Irakern überlassen, einmal
       selbst auszuhandeln, wer sie politisch führt, dann hätte der Einfluss des
       iranischen Regimes wahrscheinlich von ganz allein und vor allem nachhaltig
       nachgelassen. Stattdessen spielt Trump jenen Iranhörigen, die von einer
       konfessionell getriebenen Politik profitieren, mit der Tötung Soleimanis
       in die Hände.
       
       7 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Karim El-Gawhary
       
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