# taz.de -- Rechtsextreme Partei in Schweden: Rassisten salonfähig?
       
       > Die konservativen Moderaten wollen mit den rassistischen
       > Schwedendemokraten kooperieren. Die profitieren davon, dass ihre Themen
       > nun Mainstream sind.
       
 (IMG) Bild: Radikale Kehrtwende: Ulf Kristersson von den konservativen Moderaten
       
       STOCKHOLM taz | Hédi Fried ist zutiefst enttäuscht: „Er versprach mir,
       niemals, niemals mit denen irgendwie zusammenzuarbeiten“, berichtete die
       95-jährige Psychologin und Auschwitz-Überlebende in einem Interview der
       Tageszeitung Dagens Nyheter. Mit „denen“ ist die 1988 von militanten
       Rassisten und Faschisten gegründete Partei Schwedendemokraten gemeint. Das
       Versprechen hatte ihr vor den Parlamentswahlen im Herbst 2018 der
       Vorsitzende von Schwedens Moderaten gegeben, Ulf Kristersson. Es dauerte
       weniger als ein Jahr, bis er sein Versprechen brach.
       
       Gemeinsame Sache mit den rassistischen Schwedendemokraten zu machen gehört
       nun offenbar fest zur Politik seiner konservativen Oppositionspartei. Ein
       Jahrzehnt lang galt jegliche Zusammenarbeit mit dieser Rechtsaußenpartei
       allen anderen sieben Parlamentsparteien als No-Go. Im neuen Jahrzehnt soll
       das nicht mehr gelten. „Bürgerlich“ soll sich der Block nennen, zu dem man
       sich zusammentun will.
       
       Was hat sich geändert? Jedenfalls nicht die Schwedendemokraten, auch wenn
       sie sich nun gern als „sozialkonservativ“ weißzuwaschen versuchen. Die
       Partei, die bei den letzten Wahlen auf 17,5 Prozent gekommen war, hat die
       Mehrheitsverhältnisse im Parlament gründlich verschoben. Wo vorher ein
       rot-grüner Block einer etwa gleich starken liberal-konservativen „Allianz“
       gegenüberstand, sehen sich die Konservativen nun isoliert, [1][weil die
       liberalen Parteien sich für eine Zusammenarbeit mit Rot-Grün entschieden
       haben].
       
       Die „Moderaten“ glauben auf absehbare Zeit nur eine realistische
       Alternative zu haben, wieder an die Macht zu kommen: ein
       Rechts-rechtsaußen-Bündnis aus Konservativen, Christdemokraten und
       Rechtspopulisten.
       
       ## Blau-Braun regiert schon in fünf Kommunen
       
       Es gehe um Sachfragen, antwortet Ulf Kristersson auf Kritik. So eine
       Zusammenarbeit in Sachfragen sei „ganz normal“ in einem parlamentarischen
       System. Tatsächlich haben die Konservativen mit Kristersson an der Spitze
       aber eine Kehrtwende in der Charakterisierung der Schwedendemokraten
       vollzogen. Wo seine Amtsvorgängerin Anna Kinberg Batra ohne Wenn und Aber
       von einer „rassistischen Partei“ gesprochen hatte, will Kristersson „solche
       Etiketten nicht mehr gebrauchen“.
       
       Wie gut das neue blau-braune Gespann miteinander kann, beweist es derzeit
       bereits in fünf Kommunen, wo es gemeinsam die Kommunalregierungen stellt –
       teilweise unter Führung der Schwedendemokraten. Die rangieren aktuell in
       Umfragen 7 Prozentpunkte vor den Konservativen und liefern sich mit jeweils
       23 bis 24 Prozent ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Sozialdemokraten um Platz
       1.
       
       Der Rechtsruck der anderen, die Übernahme vieler politischer Positionen der
       Schwedendemokraten und das Aufbrechen der Isolation der Rechtspopulisten
       kommt bislang also allein dieser Partei zugute. Und geht vor allem auf
       Kosten der Konservativen und Christdemokraten.
       
       Kopieren Parteien die Politik der Konkurrenz, gewinnt dabei eben für
       gewöhnlich nicht die Kopie, sondern das Original. Dafür gebe es genügend
       Beispiele, sagt Jonas Hinnfors, Staatswissenschaftsprofessor an der
       Universität Göteborg. Einen solchen fatalen Kurs hätten nicht nur Schwedens
       Konservative eingeschlagen. Er könne nicht begreifen, warum das etwa auch
       die Sozialdemokraten täten: „Wäre ich Parteistratege, sähe ich hierzu keine
       Veranlassung.“
       
       ## Sozialdemokraten als Law-and-Order-Partei?
       
       Es stellt sich wirklich die Frage, was die Sozialdemokraten mit ihrem
       Versuch gewinnen wollen, sich als schärfste Law-and-Order-Partei zu
       profilieren. Sicher: Eine Reihe spektakulärer Gangkonflikte prägten in den
       vergangenen Monaten Teile der öffentlichen Debatte in Schweden. Von einem
       markanten Anstieg der Gewaltkriminalität kann allerdings keine Rede sein.
       
       Was [2][Ministerpräsident Stefan Löfven] mit einem aktuellen Vorstoß
       signalisieren will, die Zahl der Flüchtlinge halbieren zu wollen, erscheint
       erst recht unverständlich. Mit nur 20.000 Asylsuchenden sind 2019 so wenige
       nach Schweden gekommen wie seit 15 Jahren nicht mehr.
       
       Tatsächlich hat Schweden derzeit andere Probleme. Die Klimapolitik ist
       eines davon, die unzureichende finanzielle Ausstattung großer Teile des
       Sozialsystems ein anderes.
       
       Hédi Fried findet es „beunruhigend“, wie sich die Politik in Stockholm von
       einer Partei wie den Schwedendemokraten vor sich hertreiben lässt. Auch
       wenn es in Schweden glücklicherweise genügend Menschen gebe, „die keine
       autoritäre Gesellschaft wollen“, schade es doch nicht, einen Blick auf die
       Geschichte, etwa nach Deutschland, zu werfen. „Menschen sind so naiv“, sagt
       Fried. Sie hat Kristersson einen Brief geschrieben, in dem sie ihre Sorgen
       formulierte und ihn an sein Versprechen erinnerte: „Aber ich habe keine
       Antwort bekommen.“
       
       21 Jan 2020
       
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