# taz.de -- Pop-Songs über den Brexit: Wie ein schlechtes Tattoo
       
       > Der Austritt der Briten aus der EU hat ein eigenes Pop-Subgenre
       > hervorgebracht: den Brexit-Song. Unser Autor hat sich ein paar Tracks
       > angehört.
       
 (IMG) Bild: „Willst Du 'nen Harten oder Weichen, denn er muss raus oder rein?“: Text aus Brexit-Song
       
       Fast fünf Jahre dauerte der Brexitstreit, und er hat auch in der Musikwelt
       deutliche Spuren hinterlassen. Wer durch die Archive der Streaming-Anbieter
       scrollt, findet mehr als 60 Titel zum Thema Brexit.
       
       Da wäre etwa eine obskure Band namens [1][Political Figures,] die ihr ganz
       eigenes hörbares Memorandum kreiert hat: Zu einem Synthpop-Beat sind
       Songzeilen wie „Brexit means Brexit. No one knows what it is“ und „Stop
       Brexit“ zu vernehmen. Zudem kann man einige O-Töne aus der Debatte der
       vergangenen halben Dekade nachhören.
       
       Analytischer geht das Blowfish Theater aus dem Norden Englands mit ihrem
       satirischen Musical [2][„Now that's what I call Brexit“] vor. Die
       Leave-Position wird zum Beispiel im Track „BeLeave“ verhandelt, zu
       Beatlesrefrains werden in „Take Back Control“ einige Hauptargumente der
       Leavianer geträllert.
       
       Dem Remain-Lager scheint dagegen Folkrocker Douglas Hinton anzugehören. Der
       in Frankreich lebende Brite singt in [3][„Road to Brextincton“], der Brexit
       sei wie ein schlechtes Tattoo: teuer, schmerzhaft – und nicht leicht
       rückgängig zu machen. Hinton liefert damit einen kurzen, knackigen
       Brexit-Blues, musikalisch solide, aber nicht originell.
       
       [4][DJ Brexit] geht dagegen zu wummernden Bierzelt-Technobeats expliziter
       zu Werke, er singt „Shove Your Brexit“. Gelungener ist da die
       Dancehallnummer von [5][YT] („Brexit“), nimmt sie doch die offensichtlichen
       Nachteile des Austritts in den Blick und verhandelt den inhärenten
       Rassismus genauso wie die Vorteile der EU-Mitgliedschaft. Eine der wenigen
       clubtauglichen Antibrexitnummern.
       
       ## Herzzereißende Aussage
       
       Die meisten Songs richten sich inhaltlich gegen den Brexit. Die Subkultur
       hat sich in den vergangenen Jahren recht deutlich zum Remainlager bekannt,
       während die Multimillionäre und Privatschulenabsolventen Nigel Farage und
       Boris Johnson gleichzeitig behaupten die Straße zu repräsentieren. Eine der
       wenigen Ausnahmen ist „[6][We Want our Country Back!“] von der Band
       Brexitanthem aus dem Jahr 2016. Eine Zeile aus der simplen Rocknummer
       klingt heute geradezu prophetisch: „We will succeed if we believe we can“.
       
       Eine schlichte Rocknummer ist auch auf dem Sampler [7][Rage Against the
       Brexit Maschine]“ im Song „We’re not gonna Brexit“ (nach Twisted Sisters)
       zu hören. Das darin skizzierte Vorhaben den Brexit zu verhindern konnte die
       Band aber nicht verwirklichen. Der Track erscheint zusammen mit 27 anderen
       Stücken, in denen man sich auf eine kleine Hörreise durch den Brexit aus
       Remain-Perspektive begeben kann. Hier tauchen sehr viele verschiedene
       Genres auf, von Rock- und Elektro-Stücken bis hin zur Klassik. Der Song
       [8][„In Limbo“] sei allein wegen seiner herzzereißenden Aussagen von in
       Großbritannien lebenden EU-Bürger*Innen empfohlen.
       
       Im [9][“Remainer’s Song“] versucht man sich dagegen selbstkritisch zu
       hinterfragen und zu parodieren – eine Ausnahme. Spielchen mit Zitaten und
       O-Tönen von Nigel Farage, Stephen Hawking und einem Brexitwähler runden die
       Sache ab.
       
       ## Vote Drillminister
       
       [10][Big Ben and the Brexit Singers]“ aus den Niederlanden, widmen sich
       dagegen im lustigen Polka-Rhythmus dem Genre Altmännerhumor. „Willst Du
       'nen Harten, oder Weichen, denn er muss raus oder rein?“, singen sie frei
       übersetzt, Schlümpfestar Vader Abraham steckt hinter dieser Nummer. Und
       selbst im Discostil wurde der Brexit aufgearbeitet. „[11][Article 54]“
       bietet ganze acht Tracks, mit Titeln wie „Backstop“ und „No Deal.“
       
       [12][Drillminister] dagegen bringt in Tracks wie „Brexit“, „Political
       Drilling“ und „NI Backstock“ nicht nur seine politischen Ansichten zum
       Ausdruck, man kann seine Stücke auch als eine Art Beitrag zum Wahlkampf
       verstehen.
       
       Denn Yung Drilly, wie der immer noch Gesichtsmaske tragende Londoner
       genannt wird, hat sich diese Woche für die Bürgermeisterwahlen in der
       englischen Hauptstadt ins Gespräch gebracht, ganz auf den Spuren Boris
       Johnsons. So schillernd wie der wäre er ganz sicher.
       
       31 Jan 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://open.spotify.com/artist/6bpcL6QWeliQPzaWgIujfA
 (DIR) [2] https://open.spotify.com/album/6Yn17GteD6FJjQUaHSftNw
 (DIR) [3] https://open.spotify.com/album/5Qxn6BptEGUwDX7PzhnSzR
 (DIR) [4] https://open.spotify.com/artist/2wGeA8L8CQFsBS003JM9ZJ
 (DIR) [5] https://open.spotify.com/album/4wIR66uGgIVg926v3yLiBj
 (DIR) [6] https://open.spotify.com/album/70akBwKsM7SkcNaY3oIfAl?highlight=spotify%3Atrack%3A53NXGvybzHyUphoSrXZ1Pr
 (DIR) [7] https://open.spotify.com/artist/779GxBoJNa9RovphlMtlDK
 (DIR) [8] https://open.spotify.com/album/4koYnDdnRiRe5TA93cnWuk
 (DIR) [9] https://open.spotify.com/album/4koYnDdnRiRe5TA93cnWuk
 (DIR) [10] https://open.spotify.com/album/1QWXGqowoemdU1Jyh4p708
 (DIR) [11] https://open.spotify.com/artist/6EtFnZNBAreTN9SkEYHAfh
 (DIR) [12] https://open.spotify.com/album/0T9g9Ysq3qkXenQFwawaNw
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Zylbersztajn
       
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