# taz.de -- Opferhilfe „Weißer Ring“ in Lübeck: „Ein neuer Anfang“
       
       > Der Lübecker „Weiße Ring“ hat sich nach Vorwürfen gegen ihren Ex-Leiter
       > wegen sexueller Übergriffe neue Regeln auferlegt.
       
 (IMG) Bild: Beschauliches Lübeck: Etwa 23.000 Straftaten ereignen sich hier pro Jahr
       
       LÜBECK taz | Als Sonja Schuster* sich am frühen Morgen auf den Weg zur
       Arbeit macht, weiß sie noch nicht, dass das für viele Monate zum letzten
       Mal sein wird. Kurz darauf wird ein Unbekannter sie aufhalten und
       vergewaltigen. Danach wird sie für Monate nicht arbeiten gehen können, aus
       Angst vor ihrem Arbeitsweg. Sie kommt in finanzielle Not und bittet den
       [1][Weißen Ring Lübeck] um Hilfe.
       
       Doch damals steht die Hilfsorganisation gerade wegen eines Skandals im
       Rampenlicht: [2][Insgesamt 29 Frauen hatten dem Leiter der Lübecker
       Außenstelle Detlef H. selbst sexuelle Grenzüberschreitungen vorgeworfen.]
       Der damals 73-jährige trat zurück und stand im Sommer 2019 wegen
       Exhibitionismus vor Gericht. Nur eine der Anklagen hatte es bis vors
       Amtsgericht geschafft. H. wurde schließlich aus Mangel an Beweisen
       freigesprochen, doch im Sommer 2020 wird der Prozess in einer Berufung neu
       eröffnet.
       
       Die Vorwürfe und das Verfahren waren für den Weißen Ring „ein Schock“,
       erinnert sich Heike Schulz. Die ehemalige Oberstaatsanwältin ist die
       Nachfolgerin Detlef H.s. „Es war gut, dass die Vorwürfe vor Gericht und
       damit öffentlich verhandelt wurden“, sagt sie. „Sie müssen von unabhängigen
       Instanzen aufgeklärt werden.“
       
       Sonja Schuster gehört nicht zu den Opfern von Detlef H. Aber sie bekommt
       als Hilfesuchende die Folgen dieses Skandals mit. Bei der Beratung von
       Frauen gilt nun das Sechs-Augen-Prinzip. „Manchmal bitten wir die Opfer,
       eine Verwandte oder Nachbarin zur Beratung mitzubringen“, sagt Schulz. Die
       Alternative ist, dass der Weiße Ring zwei Berater einsetzt – ein
       gestiegener Beratungsaufwand in keiner einfachen Situation.
       
       ## Opfer gibt es viele
       
       Denn der Skandal kostete den Weißen Ring Lübeck Mitglieder und
       ehrenamtliche Mitarbeiter. Als Schulz den Vorsitz übernahm, arbeiteten von
       ehemals 13 nur noch zwei Ehrenamtliche für die Zweigstelle. Inzwischen sind
       sie zu elft. „Wir konnten einen neuen Anfang machen“, sagt sie, auch eine
       unabhängige Beschwerdestelle wurde eingerichtet. Trotzdem: „Wir sind zu
       wenige Mitarbeiter für die 200 Fälle, die wir jedes Jahr betreuen.“
       
       Schulz kam neu zum Weißen Ring und kannte Detlef H. aus seiner Amtszeit
       nicht. Sie hatte mit Problemen gerechnet, aber „viele Türen waren weiterhin
       offen für uns. Die Johanniter haben uns kostenlos einen Raum gegeben, und
       die Polizei lud mich zum Gespräch ein.“ Neben den Frauenhäusern ist die
       Polizei ein wichtiger Partner für die Vermittlung von Opfern. Deren
       Vertrauen ist die Basis für die Arbeit des Weißen Rings.
       
       Und Opfer gibt es viele, auch im scheinbar so beschaulichen Lübeck: Hier
       würden jedes Jahr etwa 23.000 Straftaten verübt, sagte Schulz bei ihrer
       Amtseinführung, und diese lassen „in großer Zahl persönliche Opfer zurück“.
       
       *Name von der Redaktion geändert
       
       18 Feb 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://luebeck-schleswig-holstein.weisser-ring.de/
 (DIR) [2] /Uebergriffsvorwuerfe-gegen-Opferberater/!5606653
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Friederike Grabitz
       
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