# taz.de -- Datenmissbrauch bei der Polizei: Polizisten an der Datenquelle
       
       > Immer wieder bedienen sich Polizisten an internen Datenbanken – mal um
       > politische Gegner auszuspähen, mal um Dritten Tipps zu geben.
       
 (IMG) Bild: Zeit, um bei der Polizei nach dem Rechten zu sehen: Polizisten in Mecklenburg-Vorpommern
       
       HAMBURG taz | Wenn Polizisten dienstliche Daten zu persönlichen Zwecken
       nutzen, kann das ganz schön unappetitlich werden. AfD-nahe Polizisten, die
       sich über Linke informieren, Beamte, die sich an junge Mädchen heranmachen
       oder Druck auf Zeugen ausüben, die Liste der Verfehlungen in
       [1][Mecklenburg-Vorpommern] ist lang. Schon 2018 hat der dortige
       Datenschutzbeauftragte Heinz Müller in seinem [2][Jahresbericht]
       entsprechende Fälle ausgegraben.
       
       Darunter den einer 15-Jährigen, die bei der Polizei Strafanzeige erstattet
       hatte, weil Bilder von ihr im Internet veröffentlicht worden waren, die sie
       beim Sex zeigten. Dem Polizisten, der die Anzeige aufgenommen hatte, fiel
       nichts besseres ein, als die junge Frau anschließend per SMS zu einem
       Fotoshooting einzuladen.
       
       Polizeibeamte erliegen eher selten der Versuchung, das polizeiliche
       Informationssystem für persönliche Zwecke anzuzapfen – doch wenn sie das
       tun, betrifft das oft besonders sensible Bereiche. Für
       Mecklenburg-Vorpommern wollte jetzt der Linken-Abgeordnete Peter Ritter
       wissen, wie oft „Polizeibeamte personenbezogene Daten ohne dienstlichen
       Grund aus polizeilichen Informationssystemen abriefen“.
       
       Laut der Antwort der rot-schwarzen Landesregierung kam es 2019 und 2020 zu
       insgesamt zehn solcher Abfragen. Zwei davon wurden „im privaten Kontext“
       gemacht, drei „aus persönlichem Interesse oder Neugier“, drei für Dritte.
       
       ## Linke ausgespäht?
       
       Bei einer sei das Interesse unklar gewesen – und eine weitere Abfrage hatte
       wegen ihrer möglichen politischen Motivation überhaupt erst Ritters
       Interesse geweckt: Es handelt sich um den Fall eines AfD-nahen Polizisten
       aus Greifswald, der ohne dienstlichen Grund die [3][Daten von Menschen aus
       dem linken Spektrum] abgefragt haben soll.
       
       Der Vorfall ereignete sich im Juli 2019. Zwar sei die Datenschutzbehörde
       eingeschaltet und ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden, sagt Ritter.
       „Angesichts der Vorfälle innerhalb der Landespolizei stellt sich jedoch die
       Frage, warum das Innenministerium nicht von sich aus zeitnah zumindest den
       Innenausschuss des Landtages informiert hat.“ Auch stelle sich die Frage,
       warum ein Polizist gezielt Angaben zu Linken sammle.
       
       „Der Gipfel“ aber sei, dass es allein 2019 acht weitere Fälle gegeben habe,
       die erst durch seine Anfrage bekannt geworden seien. „Das ist ein Skandal
       erster Güte“, findet der Linken-Abgeordnete. Besonders interessant sei, was
       sich hinter den Anfragen für Dritte verberge. Das gehe aber aus der Antwort
       nicht hervor. Offen bleibt auch, ob es weitere Datenabfragen über Linke
       gegeben hat.
       
       Als Konsequenz aus den Erkenntnissen müssten die Rechte des
       Datenschutzbeauftragten gestärkt werden, fordert der Oppositionspolitiker.
       Und der geplante Ombudsmann für die Polizei solle auch für Bürger
       ansprechbar sein.
       
       Die Fälle, die durch den Datenschutzbericht 2018 bereits im Detail bekannt
       geworden sind, lassen eher nicht auf eine verbreitete politische Motivation
       für die Datenabfrage schließen. Sie zeugen von mangelnder Eignung für den
       Beruf: In einem Fall von 2018 geht es um die Zeugin eines
       Missbrauchsverfahrens. Ein Polizist verschaffte sich nach ihrer Vernehmung
       ihre Handynummer und begann, mit ihr auf Whatsapp zu chatten. Dabei habe er
       dem 13-jährigen Mädchen „sexuelle Avancen“ gemacht.
       
       In einem weiteren Fall habe ein Polizeibeamter versucht, seinen Sohn vor
       Strafverfolgung zu schützen. Dieser hatte eine 16-Jährige und deren Vater
       bedroht, nachdem sie ihn verlassen hatte, worauf sie ihn anzeigte. Der
       Polizist habe per Whatsapp versucht, „die Jugendliche in bedrohlicher Form
       zur Rücknahme der Strafanzeige zu bewegen“.
       
       Wie eine taz-Anfrage ergab, missbrauchen Polizisten nicht nur in
       Mecklenburg-Vorpommern bisweilen ihre Befugnisse. 2018 wurden in Bremen
       zwei Polizisten vorläufig des Dienstes enthoben, weil gegen sie wegen
       unbefugter Datenabfragen und Dateiweitergaben ermittelt wurde. Aktuell
       prüft die Bremer Landesdatenschutzbeauftragte in vier Fällen, ob Polizisten
       entsprechende Ordnungswidrigkeiten begangen haben.
       
       ## Strafvereitelung im Amt
       
       Solche Fälle würden „ausnahmslos und konsequent verfolgt sowie
       einzelfallbezogen bewertet und bearbeitet“, versichert die Behörde.
       Datenschutzrechtlich handele es sich entweder um Ordnungswidrigkeiten oder
       Pannen. Sie können aber auch strafrechtlich relevant sein, wie bei zwei
       Bremer Fällen aus den Jahren 2018 und 2019. Damals war der Verdacht der
       Strafvereitelung und Bestechlichkeit im Amt aufgekommen.
       
       In der gesamten Bremer Verwaltung gebe es fünf bis zehn unbefugte Abfragen
       pro Jahr. Die Dunkelziffer sei unbekannt. Die schleswig-holsteinische
       Datenschutzbeauftragte Marit Hansen kann keine Zahlen nennen, geht aber von
       einer „hohen Dunkelziffer“ aus.
       
       Der hamburgische Datenschutzbeauftragte Johannes Caspar führt aktuell drei
       Bußgeldverfahren gegen Beschäftigte der Polizei zu Vorfällen aus den Jahren
       2017 bis 2019. Ein weiteres Verfahren ruhe bisher aufgrund eines laufenden
       Strafverfahrens.
       
       Die niedersächsische Datenschutzbeauftragte beantwortete die taz-Anfrage
       bis Redaktionsschluss nicht.
       
       5 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Rechtsextreme-in-Sicherheitsbehoerden/!5666416
 (DIR) [2] https://www.datenschutz-mv.de/datenschutz/publikationen/taetigkeitsberichte/
 (DIR) [3] /Verdacht-auf-Datenlecks-bei-der-Polizei/!5658111
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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