# taz.de -- Aufnahme von Flüchtlingskindern: Groko für „Koalition der Willigen“
       
       > Union und SPD wollen minderjährige Flüchtlinge aus Griechenland aufnehmen
       > – wenn andere EU-Länder mitmachen. Die Details sind noch vage.
       
 (IMG) Bild: Ein Mädchen steht am Zaun eines provisorischen Zeltlagers in der Nähe des Camps Moria auf Lesbos
       
       BERLIN taz | Ein vorsichtiges Ja, ein großes Aber – so lässt sich die
       Einigung von Union und SPD zur Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge
       zusammenfassen, den sie [1][am frühen Montagmorgen im Koalitionsausschuss
       gefasst haben]. Die Regierungsparteien wollen einen „angemessenen Anteil“
       von rund 1.000 bis 1.500 Kindern nach Deutschland holen, die derzeit in den
       völlig überfüllten Flüchtlingscamps auf den griechischen Inseln hausen.
       Soweit das „Ja“.
       
       Das erste „Aber“ beginnt bereits damit, dass die Aufnahme unter einem
       entscheidenden Vorbehalt steht: Nur wenn auch andere EU-Staaten zur
       Aufnahme bereit sind, will Deutschland helfen. Von einer „Koalition der
       Willigen“ sprechen die Regierungsparteien. Im Einigungspapier schreiben
       sie: „In diesem Rahmen steht Deutschland bereit, einen angemessenen Anteil
       zu übernehmen.“
       
       Bereits seit Monaten diskutieren die EU-Länder, ob Kinder aus den massiv
       überfüllten Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln geholt werden
       sollen, um den humanitären Notstand in den Lagern zu mindern. Bislang kamen
       sie dabei aber zu keiner Einigung. Spätestens seit die Türkei in den
       vergangenen Wochen begonnen hat, syrische Flüchtlinge an die EU-Außengrenze
       zu bringen, hat sich die Situation nochmals verschärft. Laut Unicef etwa
       leben 40.000 geflüchtete Kinder in Griechenland. Im Flüchtlingscamp Moria
       auf Lesbos hausen etwa 19.000 Menschen im Dreck. Traumatisierte Kinder
       spielen im Schlamm und frieren in unbeheizten Zelten.
       
       EU-Staaten wollen sich beteiligen 
       
       „Es geht hier um die Schwächsten, die sich zum Teil seit Monaten in einer
       prekären Lage befinden“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU)
       nach der Einigung. Doch wie viele Staaten mitmachen, blieb – „Aber“ Nummer
       zwei – vorerst unklar. Dass alle 27 EU-Länder mitziehen, gilt als sehr
       unwahrscheinlich.
       
       Aussichtsreicher erscheint da, dass sich einzelne Mitgliedsländer dem
       Berliner Vorstoß anschließen. So hätten laut Innenministerium bereits erste
       Länder ihre Bereitschaft erklärt. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen
       sprach von positiven Signalen unter anderem aus Finnland, Luxemburg und
       Portugal. Auch Frankreich dürfte sich laut CDU-Chefin Annegret
       Kramp-Karrenbauer beteiligen.
       
       Was mit den Angehörigen? 
       
       Doch selbst wenn diese „Koalition der Willigen“ rasch zustande kommen
       sollte, bleiben einige Punkte offen. 1.000 bis 1.500 Minderjährige sollen
       EU-weit verteilt werden. Was wäre da der „angemessene Anteil“ Deutschlands?
       Das Innenministerium wollte keine Zahl nennen, teilte nur mit, dass es im
       Fall der Fälle rasch gehen solle. Dies sei „keine Frage von Monaten,
       sondern eher von Wochen“, sagte ein Ministeriumssprecher am Montag.
       
       Eine weiteres Fragezeichen: Um welche Flüchtlingskinder geht es genau? „Es
       handelt sich dabei um Kinder, die entweder wegen einer schweren Erkrankung
       dringend behandlungsbedürftig oder aber unbegleitet und jünger als 14 Jahre
       alt sind, die meisten davon Mädchen“, schreiben die Koalitionäre. Was das
       in der Praxis bedeutet, blieb am Montag offen. Was, beispielsweise mit
       einem unbegleiteten 15-jährigen Flüchtlingskind, oder was mit möglichen
       Angehörigen schwer kranker Flüchtlingskinder passiert. Müssen diese dann im
       Lager auf Lesbos bleiben?
       
       In der Einigung bestätigt 
       
       Auch wenn Details noch offen sind, lobten Hilfsorganisationen den
       Beschluss. World Vision teilte etwa mit, die Hilfe für unbegleitete
       Minderjährige sei ein Schritt in die richtige Richtung. Ähnlich klang Petra
       Bendel vom Sachverständigenrat deutscher Stiftungen für Integration und
       Migration: „Gerade kranke und unbegleitete Kinder brauchen Schutz.“
       [2][Viele Bundesländer und Kommunen seien bereit, Flüchtlinge aufzunehmen].
       Griechenland dürfe nicht allein gelassen werden.
       
       Derweil haben die Seenotretter von Mission Lifeline am Montag eine eigene
       Evakuierungsmission gestartet. Mit Hilfe von Spenden wollen sie ein
       Flugzeug chartern, um geflüchtete Mütter mit ihren Kindern von Lesbos nach
       Berlin zu bringen. „Wir können nicht länger zusehen, wie Menschen in Europa
       behandelt werden“, erklärte Axel Steier von Lifeline. Die Groko-Einigung
       sehen sie als Rückenwind: „Der Druck, den wir ausgeübt haben, zeigte
       endlich Wirkung“, [3][schrieben sie auf Twitter.]
       
       9 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Koalition-will-Gefluechtete-aufnehmen/!5670088
 (DIR) [2] /Aufnahme-von-Fluechtlingen-in-Kommunen/!5660625
 (DIR) [3] https://twitter.com/SEENOTRETTUNG/status/1236909906311237632
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Godeck
       
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