# taz.de -- Die Wahrheit: Lecker Zwieback Havarie
       
       > Die Bundesregierung veröffentlicht bald ein Notfallkochbuch für das Leben
       > in Quarantäne – nach der großen Seuchenkrise.
       
 (IMG) Bild: Die Mutter aller Notfallessen: Toast Hawaii – mit Toastbrot als Vater des Zwiebacks
       
       Haben wir gerade eine große Krise? Einen Notfall? Eine Katastrophe?
       Eigentlich schon. Wie günstig, dass das Bundesamt für Bevölkerungsschutz
       und Katastrophenhilfe (BBK) uns seit Längerem auf den Ernstfall vorbereitet
       und ab Mai 2020 einen „Ratgeber für Notfallvorsorge und richtiges Handeln
       in Notsituationen“ herausgeben wird. Wenn die Virusseuche vermutlich vorbei
       ist.
       
       Derzeit läuft jedenfalls ein Wettbewerb des BBK zu den „50 besten,
       kreativsten und leckersten Rezepten“, die man auch bei einem vollständigen
       Stromausfall ohne Wasser aus der Leitung umsetzen kann. Als Hauptgewinn
       lockt ein tragbarer Gasherd inklusive fünfteiligem Topfset aus Edelstahl.
       
       Noch kommt der Strom zwar aus der Steckdose. Aber wenn auch der wegbleibt,
       dann wird selbst all der sauber gehamsterte Notvorrat kaum noch zur
       Versorgung dienen. Zwar heißt es: Wer hortet, ist nur zu faul zum Plündern,
       aber was nützen vier Kilo Nudeln und ein großer Sack Langkornreis, wenn man
       die Hardware nicht weichkriegt, außer vielleicht mit viel Geduld beim
       Quellenlassen in den Backentaschen.
       
       Das sorgt für Kontemplation und womöglich sogar für die Einsicht, ob es
       tatsächlich klug war, sich angesichts der Coronakrise mit so viel
       Toilettenpapier einzudecken, weil es eben alle gemacht haben. Zum
       Poperzeputzen ist es nur bedingt geeignet, wenn erst mal der Spülungskasten
       leer bleibt. Da wäre die Anschaffung von Feuchttüchern zielführender
       gewesen.
       
       Nicht zufällig empfiehlt der „Ratgeber für Notfallvorsorge“ im Kapitel
       „Persönliche Notfallvorsorge“ die Anschaffung einer „Campingtoilette mit
       Ersatzflüssigkeit“. Im gleichen Kapitel wird einem übrigens auch ein
       Campingkocher nahegelegt. Der aber ist in den wenigsten Haushalten
       vorhanden. Glück dem, der genügend Zellstoff auf Rolle hat, um in der Spüle
       ein kleines Feuerchen zu entfachen, das notfalls mit ein paar Reiswaffeln
       angeheizt werden kann. Schwund muss halt sein.
       
       Mit der Seite www.ernaehrungsvorsorge.de bietet die Bundesanstalt für
       Landwirtschaft und Ernährung übrigens noch genauere Angaben, welche
       Lebensmittel man auf Lager haben sollte und das sogar in carnivorer und
       auch ovo-lacto-vegetarischer Ausführung. Bloß Veganer müssen wohl auf die
       Kräuter am Straßenrand und Baumrinde ausweichen, wenn der letzte Biomarkt
       geplündert und abgebrannt ist.
       
       Auf Basis dieser Listen hier nun drei Rezeptvorschläge für das
       Notfallkochbuch, die den Wettbewerb nicht nur bereichern, sondern auch
       hundertptozentig gewinnen werden:
       
       ## Speise eins: Zwieback Havarie vor Madagaskar (160 kcal pro Portion)
       
       Vier Scheiben Zwieback zwanzig Minuten in der Einlegeflüssigkeit der
       Sauerkrautkonserve weich werden lassen. Dann mit bevorzugtem Streichfett
       (Butter oder Margarine) dünn lackieren und darauf sparsam die Heringsfilets
       in Soße aus der Dose beziehungsweise dünne Scheiben der vegetarischen
       Salami verteilen. Jeweils eine in Streifen geschnittene Trockenpflaume
       drüberstreuen und mit dem Sauerkraut bedecken. Fertig ist unser „Zwieback
       Havarie“. Wer beim Verzehr nicht unweigerlich „Wir lagen vor Madagaskar und
       hatten die Pest an Bord“ summt, hat früher wohl nie an einer Jugendfreizeit
       oder einem Pfadfinderlager teilgenommen.
       
       ## Speise zwei: Fitness-Bowl Fähnlein Fieselschweif (300 kcal pro Portion)
       
       Pro Portion zwei Handvoll Haferflocken in einer Tasse Milch quellen lassen.
       Dann fünf Dosenchampignons in feine Scheiben schneiden und zusammen mit
       zwei Esslöffeln aus der Erbsen-Möhrchen-Konserve unter die Haferflocken
       mischen, gemeinsam mit einem zerteilten Bockwürstchen beziehungsweise
       vegetarische Würstchen sowie einem guten Schuss Wurstwasser. Anschließend
       drei Haselnüsse hacken, drüberstreuen und mit rohen Zwiebelringen
       garnieren. Fertig ist der kernig-würzige Snack für den bewussten
       Pfadfinder.
       
       Und wenden uns daher dem ansehnlichen Feuer zu, das nun hoffentlich in der
       Spüle lodert. Die ganze Wohnung ist jetzt zwar verqualmt, wir aber können
       den Hauptgang zubereiten.
       
       ## Speise drei: Gratin Fallout an Rote Bete und Spargel(600 kcal pro
       Portion)
       
       Dazu platzieren wir das Backofengitter über der Glut und legen darauf dünne
       Scheiben von pro Portion einer mittelgroßen Kartoffel, die wir sogleich
       salzen. An den Rostrand legen wir den abgetropften Spargel aus dem Glas.
       Vorsicht, die labbrigen Stangen rutschen leicht durch das Gitter und
       verkohlen dann unnütz im Feuer.
       
       Die Kartoffeln wenden und darauf achten, dass der Spargel nicht zu weich
       wird. Jetzt die Rote Bete aus dem Glas würfeln, etwa zwei Handvoll pro
       Portion. Vermeiden Sie eine Verfärbung Ihrer Finger.
       
       Nun geht es ans Anrichten. Spargel und Kartoffelscheiben auf einen Teller
       schichten, mit der Roten Bete bestreuen. Dazu einige Stück Dosenmandarinen
       geben sowie grob zerteiltes Corned Beef. Vegetarier greifen zum Tofu. Das
       Ganze mit jeweils einhundert Gramm geriebenem Hartkäse bestreut.
       
       Jetzt mit einer Flamme gratinieren, zum Beispiel mit einem Feuerzeug oder
       einer Kerze – von beiden sollte man schließlich immer ausreichend viele in
       der Schublade haben. Bei Kerzen darauf achten, dass nicht unnötig viel
       Parafin ins Essen gerät. Gut eignet sich ein Crème-Brulée-Brenner, der in
       den meisten Haushalten vorhanden ist, weil man ihn irgendwann einmal
       geschenkt bekommen hat.
       
       Wohl bekommt’s. Mit jeweils zwei Portionen dieses Drei-Gänge-Menüs für das
       Leben in Quarantäne decken Sie perfekt den Tagesbedarf von 2.200
       Kilokalorien. Ziehen Sie sich aber warm an, falls Sie hinterher iÍhre
       Wohnung lüften wollen. Die Heizung funktioniert ja auch nicht mehr. Oder
       gewöhnen Sie sich an den Brandgeruch und wärmen Sie Ihre Hände am immer
       noch lodernden Feuer in der Spüle. Solange Sie genug Toilettenpapier haben,
       kann Ihnen nichts passieren.
       
       Und wir vergnügen uns dann ab Mai mit unserem Bundeshauptgewinn aus
       Edelstahl. Wenn Corona bis dahin das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und
       Katastrophenhilfe überhaupt noch hat stehen lassen.
       
       16 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thilo Bock
       
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