# taz.de -- Anti-AfD-Kundgebung in München: Tu's einfach nicht
       
       > Niemals AfD wählen: Inmitten tausender Demonstranten stehen Linke und FDP
       > auf einmal nebeneinander. Sogar Söder ist gekommen. Geht das überhaupt?
       
 (IMG) Bild: Gegen die AfD und für ein buntes München: „Omas gegen Rechts“ auf der Kundgebung
       
       MÜNCHEN taz | Es ist Freitagnachmittag, kurz vor vier, gleich geht es hier
       auf dem Max-Joseph-Platz los. Eine Demonstrantin weiß noch nicht so recht,
       was sie von einem der angekündigten Redner halten soll. „Ist das wirklich
       der Söder, den wir kennen?“, fragt sie ihre Begleiter. „Nein“, antwortet
       einer, „das ist der neue, der frisch gewaschene, direkt aus dem
       Schonwaschgang.“
       
       Der Wind peitscht über den Platz, Witze über das Corona-Virus kursieren,
       und mittendrin dieser anheimelnde Anblick: Vorne links vor der Bühne sieht
       man einen Block, in dem besonders viele Fahnen geschwenkt werden, Fahnen
       zweier Parteien: Linke und FDP stehen hier Seit' an Seit' und demonstrieren
       gegen Rassismus, gegen die AfD und für ein buntes München. Ein Bild für
       Götter. Oder für Thüringer.
       
       „Ach, ist das schön“, seufzt Charlotte Knobloch, die Präsidentin der
       Israelitischen Kultusgemeinde, als sie über den Platz blickt. Dreht man
       sich um, blickt man direkt auf die Oper, dort haben sie drei lange
       Transparente aus den Fenstern gehängt. Darauf die Worte „Humanität“,
       „Respekt“ und „Vielfalt“. Schwarz auf Weiß. Daneben über dem Eingang des
       Residenztheaters eine weitere Botschaft, ein Zitat aus dem Hauptmann-Stück
       „Vor Sonnenaufgang“, das dort gerade gegeben wird: „Eure erfundenen
       Geschichten – sie spalten.“ Und darunter der Appell: „Just don’t do it.“
       
       „Just don’t do it“: Das ist das Motto dieser vom Münchner
       Flüchtlingsprojekt Bellevue di Monaco organisierten Demo. Eine Woche vor
       der bayerischen Kommunalwahl haben sie zu der Veranstaltung mit
       hochkarätigen Gästen eingeladen. Der Aufruf, es einfach nicht zu tun,
       bezieht sich denn auch nicht nur allgemein darauf, den Rechten nicht zu
       weichen, sondern konkret auf das Wahlverhalten: „Vote AfD? Just don’t do
       it.“ Am 15. März, so schrieben die Veranstalter in der Ankündigung der
       Demo, „sollte dieses rechtsradikale Gedankengut, eine Brutstätte für
       rechten Terror, keinen Raum in Stadt- und Gemeinderäten mehr erhalten“.
       
       ## „Macht das Maul auf“
       
       Das Bündnis ist breit, nicht nur FDP und Linke schwenken Fahnen, auch
       Grüne, Caritas, ÖDP, Verdi, Rosa Liste, SPD, Omas gegen Rechts, GEW,
       Arbeiterwohlfahrt, die Internationale Sozialistische Organisation et cetera
       sind da. „München ist bunt“, steht auf den Schildern, die die Demonstranten
       mitgebracht haben. „[1][Mord in Hanau] – [2][Mord auf Lesbos]“, „Hass macht
       hässlich“ und „Alle Rassisten sind Arschlöcher überall“. Die Mitglieder der
       Satirepartei Die Partei halten Schilder mit der Aufschrift „Nazis töten“ in
       die Höhe. Ein Mann mit Kippa geht vorbei. Und in der Mitte, über allen,
       thront Max Joseph, der erste König Bayerns, und grüßt sein Volk. In Erz
       gegossen.
       
       „Es reicht“, ruft Knobloch. Die AfD nennt sie „Stichwortgeber für die
       Terroristen von Kassel, Halle und Hanau“ und „Brandstifter in einem Land,
       das mit dem Löschen kaum noch nachkommt“.
       
       „Mit uns nicht“, sagt Oberbürgermeister Dieter Reiter und ganz
       stadtväterlich: „Ich bin stolz auf euch.“
       
       „Macht das Maul auf“, fordert der Comedian Simon Pearce. „Denn die Rechten
       haben alle die ganze Zeit ihr Maul offen.“
       
       ## Söder aus dem Schonwaschgang?
       
       Und Nesrin Gül vom Migrationsbeirat fragt sich, warum alle immer von
       Fremdenhass redeten. „Wer sind diese sogenannten Fremden? Wir Menschen mit
       Migrationsbiografie sind keine Fremden.“
       
       Die Well-Brüder singen Gstanzl, LaBrassBanda spielt seine Nummer „Alarm“
       und Stefan Zinner Gitarre. Vertreter der Kirchen sprechen, auch
       Lifeline-Kapitän Claus-Peter Reisch. Amelie Fried, die die Veranstaltung
       moderiert, gibt immer wieder die aktuellen Teilnehmerzahlen der Polizei
       durch: fast 5000, 6000, am Ende sind es 7500.
       
       Irgendwann mittendrin kommt dann also auch dieser eine Redner, der in den
       Augen mancher [3][nicht so recht hierher passt], Ministerpräsident Markus
       Söder. „Vor zwei Jahren wäre das vielleicht noch ein Grund gewesen zu
       sagen, ich komm nicht“, hat kurz zuvor noch Kabarettist Maxi Schafroth
       gesagt. Ein Scherz? Vielleicht.
       
       Amelie Fried erinnert bei der Begrüßung Söders an die Lichterkette von
       1992, als nach dem rassistischen Mordanschlag in Mölln in München 400.000
       Menschen auf die Straße gingen, um ihre Solidarität zum Ausdruck zu
       bringen. Damals habe Ministerpräsident Max Streibl abgesagt – er wollte
       lieber einen Weihnachtsmarkt eröffnen. Der jetzige Ministerpräsident sei
       aber gekommen, sagt Fried, er habe „die Zeichen der Zeit erkannt“.
       
       ## Alle zusammen gegen die AfD
       
       Zur Erinnerung: Söder ist der Mann, der noch vor weniger als zwei Jahren,
       schon im Amt des Ministerpräsidenten, [4][den Begriff des „Asyltourismus“
       prägte], auch mal von „Asylgehalt“ und „Überfremdung“ sprach und von den
       „eigenen Leuten“, die man bei aller Hilfsbereitschaft für Flüchtlinge nicht
       vergessen dürfe. Dieser Mann reiht sich jetzt hier in die Front gegen
       Rechts ein. Aber vielleicht ist es ja doch ein anderer? Der aus dem
       Schonwaschgang? In der Tat beendete Söder kurz vor der Landtagswahl im
       Herbst 2018 den fehlgeschlagenen Versuch, der AfD mit eigenen rechten
       Sprüchen das Wasser abzugraben. Seither zeigt er klare Kante gegen die
       Rechtsextremen.
       
       Erstmal hat Söder einige Mühe, sich angesichts einer kleiner Gruppe
       [5][lautstarker CSU-Gegner] Gehör zu verschaffen, er appelliert: „Setzen
       wir ein Signal der Geschlossenheit und nicht der Spaltung.“ Man müsse
       aufpassen, sagt er dann, dass das braune Gift nicht weiter ins
       demokratische Grundwasser sickere. Was folgt, sind dann im wesentlichen die
       AfD-Passagen aus seiner Rede beim Politischen Aschermittwoch in Passau –
       mit etwas angepasster Tonalität. Sei’s drum, die Schnittmenge der
       Zuhörerschaft dort und hier dürfte gering sein. Die AfD bezeichnet Söder
       als neue NPD, der völkische Flügel von Höcke wolle nicht zurück in die
       Achtziger, sondern in die Dreißiger. „Demokraten lassen sich von der AfD
       nicht wählen oder tolerieren, sie bekämpfen die AfD.“
       
       Dass er gekommen sei, sei ein Bekenntnis, sagt Söder. Dass man ihn
       eingeladen hat, war wohl auch eines. Man wolle ein „gemeinsames Zeichen“
       setzen, hat Stephan Dünnwald vom Bellevue zuvor erklärt, deshalb seien
       alle, die gegen die AfD und rechte Umtriebe seien, willkommen. Eben auch
       Söder.
       
       7 Mar 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Dominik Baur
       
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