# taz.de -- Abschiebungen nach Afghanistan: Zurück in den Krieg
       
       > Die Corona-Krise übertönt alles. Fast unbemerkt werden ein Dutzend gut
       > integrierter Afghanen zwangsweise ins Krisengebiet abgeschoben.
       
 (IMG) Bild: Abschiebung im Juni 2019. Auch dieses Jahr werden Menschen gezwungen, nach Afghanisthan zu reisen
       
       DRESDEN taz | Im Schatten der drastischen Schutzmaßnahmen gegen die
       Corona-Pandemie hat sich in der vergangenen Woche in Sachsen eine
       Abschiebetragödie abgespielt. Nach Erkundigungen des Sächsischen
       Flüchtlingsrates sind zwölf [1][Flüchtlinge] unter teils empörenden
       Umständen [2][nach Afghanistan] abgeschoben worden. Eine Demonstration von
       etwa 100 Anhängern der Gruppe „Protest LEJ“ in Leipzig und in letzter
       Minute gestellte Eilanträge bei Gerichten konnten die Sammelabschiebung am
       11.März nicht verhindern. Der Flüchtlingsrat dokumentierte daraufhin die
       krassesten Fälle.
       
       Der spektakulärste Fall betraf den 21-jährigen Afghanen S., der als
       Laien-Mitglied im JugendClub des Schauspiels Zittau an einer Koproduktion
       mitwirken sollte. Auf dem Programm stand die Bühnenfassung des 2017
       erschienenen Romans „Endland“ von Martin Schäuble.
       
       Das Buch widmet sich der Rolle von Flüchtlingen in einem fiktiven
       hermetisch gesicherten und nationalistisch regierten Deutschland. Drei Tage
       vor der langfristig geplanten Premiere am 14.März wurde S. überraschend
       abgeschoben. Ein Vorgang, der auf makabre Weise die Dystopie des Stückes
       illustriert, wo Geflüchtete nur noch als „Invasoren“ bezeichnet werden.
       
       Bis zuletzt hatte eine Betreuerin vergeblich versucht, über Telefonate mit
       dem Verwaltungsgericht, der Bundespolizei und anderen Behörden die
       Abschiebung ihres Schützlings zu verhindern. Auch der Sächsische
       Flüchtlingsrat und Anwälte versuchten zu helfen.
       
       ## „Unsäglich und schäbig“
       
       Sogar die Polizei zeigte sich kooperativ. Von „vorbildlichen und
       hilfsbereiten Verhalten der Zittauer Polizei“, schreiben die Zittauer
       Intendantin Dorotty Szalma und Geschäftsführer Caspar Sawade in einer
       Protestnote. S. galt nach drei Jahren in Deutschland als besonders gut
       integriert und schauspielerisch begabt, konnte sich in acht Sprachen
       verständigen und war in seiner Gemeinschaftsunterkunft beliebt. „Die Kinder
       dort haben ihn geliebt und jeden Tag sein Zimmer gestürmt“, schrieb die
       Betreuerin.
       
       Das Gerhart-Hauptmann-Theater Görlitz-Zittau zeigte sich Ende der vorigen
       Woche geschockt. Man werde „nicht stillschweigend zusehen, wie die
       Grundrechte der Demokratie missachtet werden“, heißt es im
       Protestschreiben. Abschiebungen in Kriegs- und Krisengebiete müssten
       untersagt werden. In der Premiere sollten die Lücken, die S. in der
       Inszenierung hinterlässt demonstrativ sichtbar bleiben. Dazu kam es
       allerdings nicht, weil die Vorstellung wegen der Corona-Pandemie inzwischen
       abgesagt werden musste.
       
       Ein anderer Flüchtling wurde nach Angaben des Sächsischen Flüchtlingsrates
       bei einem massiven Polizeieinsatz in Großenhain verhaftet und abgeschoben.
       Sein Arbeitgeber in Frankenberg vermisst den anerkannten Monteur.
       „Unsäglich und schäbig“ nennt Sprecher Mark Gärtner vom Flüchtlingsrat
       dieses Verhalten.
       
       Obschon die Aufenthaltsfrist im Abschiebegewahrsam bereits überschritten
       war, wurde auch Familienvater R. aus der Dresdner Abschiebehaft nach
       Afghanistan „zurückgeführt“.
       
       Dieses Schicksal blieb der Hilfsarbeiter-Fachkraft A. in der Chemnitzer
       HELO Maschinentechnik GmbH erspart, weil die Polizei an seinem Arbeitsplatz
       vergeblich auf ihn lauerte. „A. ist derzeit auf unserem Arbeitsmarkt
       [3][nicht gleichwertig zu ersetzen]“, schrieb Geschäftsführer Thorsten
       Hermsdorf an den Flüchtlingsrat. Gemeinsam wollen sich beide Seiten für
       sein Bleiberecht einsetzen.
       
       18 Mar 2020
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Bartsch
       
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