# taz.de -- Änderung der Berliner Corona-Verordnung: Sitzenbleiben nicht bestrafen
       
       > Grüne und Linke fordern Veränderungen der Corona-Eindämmungsverordnung.
       > Die wird, wie das Wochenende zeigte, weitgehend befolgt.
       
 (IMG) Bild: Polizisten ermahnen Lesenden am Spreeufer in Berlin Moabit
       
       Die Grünen wollen die aktuelle Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus
       überarbeiten. „Wir müssen klarstellen, dass man natürlich auch mal 15
       Minuten auf einer Parkbank sitzen darf“, sagte der innenpolitische Sprecher
       Benedikt Lux am Sonntag der taz. Zudem müsse die Verpflichtung abgeschafft
       werden, den Personalausweis immer dabei zu haben; dies binde unnötig
       Kapazitäten der Polizei und ist in keinem anderen Bundesland außer
       Sachsen-Anhalt ebenfalls vorgeschrieben.
       
       Lux will beide Vorschläge in der Sitzung des Innenausschusses an diesem
       Montag einbringen. Ende vergangener Woche hatte bereits der Innenexperte
       der Linksfraktion, Niklas Schrader, in der taz angekündigt, dass Änderungen
       der Verordnung geprüft werden müssen. Ähnlich äußerten sich weitere linke
       Abgeordnete bei Twitter.
       
       Die vom rot-rot-grünen Senat beschlossene Verordnung zur Eindämmung des
       Coronavirus gilt in dieser Form seit einer Woche. Wesentliche Vorgaben
       laufen allerdings am 5. April planmäßig aus, darunter das allgemeine
       Verbot, die Wohnung zu verlassen, wovon wiederum zahlreiche Ausnahmen
       gestattet sind. Allerdings sind nicht alle genau definiert, was zu
       Irritationen führte: So galt das „kurzzeitige“ Sitzen allein oder zu zweit
       auf einer Bank als erlaubt, ein Buch dort zu lesen jedoch nicht.
       
       In der Praxis sanktionierten Polizisten Verstöße gegen die Verordnung oft
       nach eigenen Ermessen und entsprechend unterschiedlich. Am Wochenende
       wurden diese nach Augenzeugenberichten weitgehend geduldet, solange die
       Abstandsregelungen eingehalten wurden. 1,5 Meter sind dabei vorgeschrieben.
       
       Insgesamt werde die Verordnung weitgehend eingehalten, bilanziert die
       Polizei. Nach ihren Angaben waren am Samstag tagsüber 520 Beamte vor allem
       in Grünanlagen unterwegs. Dabei wurden insgesamt 103 Objekte und
       Zusammenkünfte im Freien überprüft. Davon musste „eine geringe Anzahl an
       Betreibern von Gaststätten“ aufgefordert werden, ihre Sitzgelegenheiten
       abzubauen. Insgesamt seien 24 Straf- und 36 Ordnungswidrigkeitenverfahren
       eingeleitet worden. Abends und nachts hatte die Polizei dann mehr zu tun:
       Zwischen 18 und 6 Uhr wurde in 379 Fällen die Einhaltung der Verordnung
       kontrolliert und 34 Straf- sowie 72 Ordnungswidrigkeitenverfahren
       eingeleitet.
       
       Am Samstagabend gab es in Berlin laut Gesundheitsverwaltung 2.337
       bestätigte Coronainfektionen. Daher gilt als sicher, dass die Verordnung
       des Senats verlängert wird, vorerst wohl bis Ende der Osterferien am 19.
       April. Allerdings müsse dann klar gestellt werden, so Benedikt Lux, was die
       Menschen draußen tun dürften.
       
       So müsse eindeutig sein, was unter „kurzzeitig“ zu verstehen sei. „Auch das
       Sitzen auf einer Decke im Park muss erlaubt sein – wenn wirklich großer
       Abstand eingehalten wird“, sagte Lux. Generell solle der Senat darüber
       nachdenken, ob die Verordnung umgekehrt werde: dass also kein generelles
       Ausgangsverbot mit Ausnahmen gilt, sondern dass Wohnungen prinzipiell auch
       ohne triftigen Grund verlassen werden dürfen, wie das etwa in Hamburg und
       Hessen möglich ist.
       
       ## Rückreisestaus aus Brandenburg
       
       Offenbar auf weniger Akzeptanz stößt bei BerlinerInnen der Appell der
       Brandenburger Landesregierung, auf Ausflüge ins Umland zu verzichten. Am
       Samstagabend gab es Rückeisestaus auf der A114 Richtung Berlin.
       
       Am Wochenende begann in Brandenburg zudem die Motorradsaison. Auf den
       Landstraßen waren überdurchschnittlich viele Biker unterwegs. Auch auf den
       Radwegen war viel los: Entweder machten Familien mit dem Rad einen Ausflug
       oder Paare. Alle hielten sich an die Abstandsregeln.
       
       Auch viele Rennradfahrer waren auf der Straße – allerdings nicht die sonst
       am Wochenende üblichen Pulks in bunten Trikots. Maximal Pärchen waren
       unterwegs, was ja erlaubt ist. Ob das an Einsicht in die Abstandsregeln und
       an Solidarität mit gefährdeteren Gruppen liegt, bleibt offen – es könnte
       auch die Angst sein, in größerer Zahl von der Polizei gestoppt und zur
       Kasse gebeten zu werden: Die Polizei fährt laut Augenzeugen selbst in
       abgelegenen Regionen Brandenburgs regelmäßig Streife.
       
       Leer ist es hingegen auf den Spargelfeldern. Kurz vor Luckenwalde, wo
       zwischen Berkenbrück und Ruhlsdorf kilometerweit weiße Plastikplanen die
       Spargelfelder abdecken und im glitzernden Sonnenlicht wie schneebedeckt
       aussehen lassen, sieht zwar alles wie auf Ernte vorbereitet aus und es
       steht ein Dixiklo neben dem üblichen ausrangierten Ex-Nahverkehrsbus fürs
       Rankarren der Helfer. Aber wo sonst Menschen dicht an dicht ernten, sind am
       Samstagmorgen höchstens – aus der Ferne geschätzt – zwei Dutzend Menschen
       zu sehen.
       
       29 Mar 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Bert Schulz
 (DIR) Uwe Rada
 (DIR) Stefan Alberti
       
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