# taz.de -- Sport-Journalismus in Corona-Zeiten: Irgendwas von früher oder so
       
       > Der Sport steckt in einer epochalen Krise. Vielen Sendern fällt dazu
       > nicht mehr ein, als abgehangenes Archivmaterial zu zeigen – schade
       > eigentlich.
       
 (IMG) Bild: Gleich wird's nass: Rudi Völler und Frank Rijkaard streiten derzeit in der BR-Mediathek
       
       Da ist der Weltsport in der vielleicht tiefsten Krise, die er je erlebt
       hat, da brechen Olympische Spiele und die Fußball-EM auseinander, da gibt
       es kaum noch Vereins- und gar keinen Schulsport mehr, da werden
       Tennisturniere und jede anstehende WM verschoben oder abgesagt, alle großen
       Profiligen dieser Welt ruhen – und? „Ja, dann gibt’s ja für euch nüscht
       mehr zu berichten!“ Solche Sätze höre ich ständig, sogar von Kollegen.
       
       Stimmt eigentlich, könnte man erwidern, es ist ja so, als wenn,
       konstruieren wir mal ein Beispiel, irgendwo ein Staatspräsident erschossen
       wird, dann haben Politikjournalisten auch nichts mehr zu berichten –
       schließlich gibt der keine Pressekonferenzen mehr. Nein, nein, zur
       dramatischen Krise des Sports gehört auch eine Krise des Sportjournalismus.
       
       Zeitungen füllen die Plätze derzeit mit Homestorys, wie sich der oder die
       Sportlerin gerade fit hält, die ARD-„Sportschau“ rettet sich mit
       [1][Wiederholungen] von DFB-Pokal-Halb- und Viertelfinalpartien über die
       Runden; Weihnachten den „Kleinen Lord“ zeigen dürfte origineller sein.
       Dabei ist die ARD ja noch einem journalistischen Selbstverständnis
       verpflichtet.
       
       Private Abspielstationen stehen noch verlorener da: „Sky Sport News“ etwa
       holt erfahrene Dauerschwätzer vor die Skypekamera: „Wontorra – Allein zu
       Hause“ oder „Matze Knops Home Office“, und man hat auf die Schnelle Dokus
       wie „Die Rekordspieler der Liga“ oder „Hamburger SV 1976–1983“
       zusammengezimmert. Der Streamingdienst DAZN soll in weniger als zwei
       Wochen über ein Viertel seiner Kunden verloren haben, genaue Zahlen
       verschweigt die Geschäftsführung.
       
       Wann Livefußball, der nicht nur durch Tore und Spielzüge, sondern auch
       durch die von Fans, vor allem Ultras angefeuerte Atmosphäre begeistert,
       wieder zu sehen sein wird, ist völlig offen. Tatsächlich steht das
       Geschäftsmodell dieser Sportvermarkterjournalisten zur Disposition: Leute,
       die immer nur ein tolles Produkt verkaufen wollen und nie über dieses
       Phänomen, das doch so viele Seiten hat, berichten wollten, gucken jetzt
       dumm aus der Wäsche.
       
       Gewiss, Sport lebt vom Liveevent, von der Unberechenbarkeit. „Warum gehen
       die Leute ins Stadion? Weil sie nicht wissen, wie es ausgeht“, so eine der
       ewigen Sepp-Herberger-Weisheiten, deren Tiefe sich erst in der Krise
       erschließt – wenn man nämlich sehr wohl weiß, wie das in Wiederholung
       gezeigte Fußball-EM-Spiel von 1984 damals ausgegangen ist.
       
       Dass aber der Sportjournalismus sich schon dem Liveevent gegenüber
       unkritisch verhält, ist ja bekannt: Wenn wie in den Wochen vor Corona
       TV-Reporter über Fanproteste schwadronierten, als seien sie beim
       [2][Klubsponsor privat zum Abendessen] eingeladen, für das sie sich dankbar
       zeigen wollen, ist das schon ein Tiefpunkt. Jetzt aber sehen wir: In einer
       richtig tiefen Krise ist deren Tiefpunkt noch tiefer.
       
       Die ARD verweist auf ihren existierenden journalistischen Anspruch, weil
       sie auf dem Sendeplatz der „Sportschau“ Dokus wie „100 Jahre Kicker“
       ausstrahlt. Gewiss, das ist besser als der übliche 1:0-Journalismus, aber
       es gehorcht doch nur dem Willen, irgendwas zu machen, jetzt, wo es
       vermeintlich nichts zu berichten gibt. Solche gut gemeinten Formate
       offenbaren: Zur aktuellen Krise des Weltsports fällt dem Gros der
       Sportjournalisten nichts ein.
       
       9 Apr 2020
       
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