# taz.de -- Handy-App zum Feiern in der Isolation: Party allein zu House
       
       > Die App Houseparty ist wieder da – und prompt auf Platz 3 der
       > Download-Charts gelandet. Wie gut klappt das virtuelle Feiern? Ein
       > Selbstversuch.
       
 (IMG) Bild: Lustig ist es schon, aber irgendetwas fehlt
       
       Schon am Nachmittag im Park, bei einer Runde Sicherheitsabstand mit einem
       guten Freund, hatte es nur ein Thema gegeben: Heute Abend stellen wir uns
       einen rein. Wir, das sind der Autor dieser Zeilen, sein Freund und ein paar
       andere Leute, die sich länger nicht gesehen haben. Da wir wegen der
       Coronakrise aber eh alle in unsere Heimatstadt Hamburg zurückgekehrt sind –
       ja, okay, zu unseren Eltern –, wird es mal wieder Zeit. Zur Vorbereitung
       mixe ich einen Gin Tonic, schneide ein Stück Gurke hinein, kratze ein
       bisschen Eis aus der Eiswürfelform.
       
       Mal sehen, wer noch kommt. In der Bildschirmecke oben links eine, die den
       Billig-Weißwein aus der Flasche trinkt. Und unten rechts? Ach, der! Auch
       lange nicht mehr gesehen. Er sitzt neben einem Typen, der seine Bauchtasche
       sogar zu Hause auf dem Sofa trägt. Sie reden die ganze Zeit, aber an mir
       vorbei in eine andere Richtung. Da muss noch jemand sein. In der Mitte ist
       nur noch eine weiße Wand zu sehen, mein Kumpel, mit dem ich Abi gemacht
       habe, ist ein Bier holen gegangen. Man hört, wie er jemandem,
       wahrscheinlich seiner Schwester, etwas zuruft. Es hallt, das ist die Küche
       mit den hohen Decken. Immerhin ist das hier keine Pyjama-Party, alle haben
       sich einigermaßen normal angezogen.
       
       Ich bin auf Houseparty. Houseparty ist eine App, so ähnlich wie Zoom, Skype
       oder FaceTime, aber doch ein bisschen anders. Auch bei Houseparty geht es
       darum, sich wie in einer Videokonferenz zu unterhalten. Die App wurde im
       vergangenen Jahr von „Epic Games“ übernommen, das vor allem [1][für das
       Spiel „Fortnite“ bekannt] ist. Erfunden hat die App das israelische
       Start-up „Live on Air“.
       
       Anders als Zoom ähnelt Houseparty allerdings mehr der Dynamik eines
       sozialen Netzwerks. Man fügt „Freunde“ hinzu, mit denen man dann einen
       „Raum“ eröffnen kann, in dem das Videotelefonat stattfindet. Das Besondere
       bei Houseparty: Man kann in jeden Raum reinspringen. Aber nur, wenn
       mindestens einer im Raum ist, mit dem man „befreundet“ ist. So ähnlich wie
       der uneingeladene Anhang auf einer echten Hausparty. Im Splitscreen können
       sich dann bis zu acht Leute tummeln.
       
       Die Houseparty-App ist eigentlich ein Relikt, das vor etwa zwei Jahren vor
       allem bei 14-Jährigen ein kurzer Trend war. Dank Corona kehrt die App jetzt
       zurück und deckt sowohl gemeinsame Besäufnisse unter Freunden als auch
       Gruppenarbeiten von Studierenden ab. Im Apple-App-Store steht Houseparty
       gerade auf Platz 3 der Download-Charts. Und das Hintergrundrauschen
       unterscheidet sich im Grunde kaum von den Partys, die wir früher gefeiert
       haben: Ab und an läuft Mama durchs Bild, oder jemand muss los, weil Papa im
       Homeoffice gekocht hat. Aber auf Houseparty treffe ich nun auch auf Leute,
       die das Weite suchten – Au-pair in England, Studium in Münster,
       Freiwilligendienst in Costa Rica – und unfreiwillig heimkehren mussten.
       
       Ungebetene Gäste am Eintreten hindern, das geht im echten Leben gut, zum
       Beispiel durch eine solide Haustür oder einen soliden Türsteher. Bei
       Houseparty geht das auch, und zwar, indem man den Raum „verschließt“. Das
       muss man aber aktiv tun, jedes Mal, wenn jemand reingekommen ist. Mein
       Ehrgeiz verlangt es, mich in möglichst viele Konversationen uneingeladen
       einzumischen. Die Reaktionen sind vielfältig: Ein alter Freund blafft halb
       amüsiert, halb genervt: „Oh nee, was willst du denn hier?“ Hier bin ich
       offensichtlich nur halb erwünscht. „Ich hab grad gesehen, dass du online
       warst, und wollte den Raum noch schnell zumachen.“ Aber so schnell lasse
       ich mich nicht abschrecken. Zumal es die Funktion, jemanden rauszuwerfen,
       nicht gibt. Ich sehe, dass noch ein anderer Freund online ist, und hole ihn
       dazu. Aber es wird unangenehm. Offenbar wollen die hier doch unter sich
       bleiben. Houseparty scheint sowieso ein Ort zu sein, wo man ist, weil man
       mit Leuten abhängen will, die man kennt, nicht, um neue kennenzulernen.
       
       Über Houseparty-Creeps sind die wildesten Geschichten im Umlauf. Es soll
       Leute geben, die mit einem gängigen Namen wildfremde Leute adden, also
       hinzufügen, anderer Leute Partys crashen, einfach nur nerven, provozieren
       wollen. Eine Anna will dich adden. Ach, die Anna! Und am Ende kommen von
       Anna Live-Mitschnitte von Fäkalien oder Geschlechtsteilen.
       
       ## „Und wer hat alles einen sitzen?“
       
       Vor knapp zwei Wochen machten Gerüchte die Runde, durch die App könnten
       Bankkonten, Clouds, Spotify und Uber-Accounts gehackt werden. Houseparty
       verteidigte sich: Die App sei sicher, sammle keine Passwörter für andere
       Seiten und sei außerdem noch nie gehackt worden. Auf Twitter verkündeten
       die App-Macher: Houseparty sei Ziel einer „kommerziellen
       Verleumdungskampagne“ geworden, und man zahle demjenigen eine Million
       Dollar Belohnung, der das beweisen könne. Auf wiederholte Anfrage der taz
       und anderer Medien, wie Benutzerdaten geschützt, ob diese an Dritte
       weitergegeben würden und wie viele Houseparty-Nutzer es in Deutschland
       gebe, reagieren die App-Macher nicht.
       
       Freitagnacht, die App ist überlastet. Ich weiche mit meinen Freunden auf
       andere Kanäle aus. Gegen 23 Uhr funktioniert Houseparty dann wieder. Die
       Stoßzeit ist vorbei, und so langsam steigt der Alkoholpegel. Lustig ist es
       schon, aber irgendetwas fehlt. Wir sind angeheitert, was dazu führt, dass
       wir mehr und mehr in uns zusammensinken und müde werden.
       
       Irgendwann stellt jemand leicht lallend die Frage: „Und wer hat alles einen
       sitzen?“ Bis auf wenige Ausnahmen heben alle die Hand. Ich sitze vor meinem
       Bildschirm, habe gar nicht mal viel getrunken, aber trotzdem fühlt sich das
       aktuelle Level nicht gut an. Vielleicht, weil selbst die Leere nach dem
       virtuellen Feiern eine andere ist als nach einer richtigen Party – es fehlt
       die vorherige Nähe, die Bewegung, die Zufälligkeit der Berührung.
       
       Wir können zwar versuchen, das angehaltene Leben mithilfe einer App
       weiterlaufen zu lassen, aber der Splitscreen erinnert ohne Unterlass daran,
       in welcher Situation wir uns derzeit befinden: Jeder ist allein zu Haus.
       
       12 Apr 2020
       
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