# taz.de -- „Corona in der Welt“ – Honduras: Virus trifft auf Korruption
       
       > Die Pandemie wird von einer Skandal-Regierung gemanagt. Durch fehlende
       > Kontrollen nehmen Menschenrechtsverletzungen zu.
       
 (IMG) Bild: Gebet am Karfrei​tag in der Haupstadt Tegucigalpa
       
       TEGUCIGALPA taz | Kaum ein Land in Lateinamerika ist so schlecht auf eine
       Pandemie vorbereitet wie [1][Honduras]. Das geht aus dem von der Johns
       Hopkins University erstellten globalen Gesundheitssicherheits-Index (Global
       Health Security-Index) hervor. Laut dieser Skala hat nur Venezuela noch
       schlechtere Bedingungen, um mit einer solchen Pandemie fertig zu werden.
       
       Jetzt ist Covid-19 im Land angekommen. Es sind 397 [2][registrierte Fälle],
       und das Gesundheitssystem steht kurz vor dem Kollaps, was an den fehlenden
       Mitteln liegt – und an einem öffentlichen Gesundheitswesen, das die
       schlimmsten Konsequenzen staatlicher Korruption zu erleiden hatte.
       
       Die Angst vor der Krankheit hält sich die Waage mit dem Misstrauen gegen
       Präsident Juan Orlando Hernández, der 2017 auf verfassungswidrige Art
       wiedergewählt wurde und eine lange Reihe von Korruptionsskandalen zu
       verantworten hat.
       
       Im Angesicht der Notlage hat die honduranische Regierung ein Paket von
       insgesamt 638 Millionen US-Dollar beschlossen, um Schutzmaterialien zu
       kaufen, die Krankenhäuser auf den Umgang mit Covid-19-Patienten
       vorzubereiten und nach der Pandemie die Wirtschaft zu reaktivieren.
       
       Angesichts der Bewilligung einer so hohen Summe hat der Nationale
       Antikorruptionsrat (CNA) eine Erklärung verabschiedet. Er befürchtet, diese
       Situation könnte „die perfekten Bedingungen“ für Akte der Korruption
       schaffen.
       
       ## Nicht geeignet
       
       Ein erstes Beispiel ließ nicht lange auf sich warten: Am 16. März
       verkündeten die Behörden, man habe 140 Beatmungsgeräte gekauft, um
       Covid-19-Patienten in kritischem Zustand versorgen zu können. Experten des
       Colegio Médico de Honduras machten schnell darauf aufmerksam, dass die
       gekauften Geräte für diese Art von Patienten gar nicht geeignet sind.
       
       Und im Transparenzportal des Finanzministeriums, das eingerichtet wurde, um
       Informationen über staatliche Beschaffungsmaßnahmen während der Notlage
       öffentlich nachvollziehbar zu machen, heißt es, die Beatmungsgeräte seien
       aus dem Haushalt der Katastrophenschutzbehörde Copeco beschafft worden – da
       tauchen aber nur 130 Geräte auf. Über die fehlenden 10 und die Gründe für
       die Diskrepanz gibt es keinerlei Informationen.
       
       Mit diesen Widersprüchen konfrontiert gab Präsident Hernández schließlich
       zu, dass die Information über die mangelnde Eignung der Geräte stimme, dass
       aber nirgends auf der Welt mehr die richtigen Beatmungsgeräte zu bekommen
       seien, sodass das Land sie nicht kaufen konnte. Zu den fehlenden 10 Geräten
       gab es von den Behörden auf Anfrage einiger Medien überhaupt keine Antwort.
       
       ## Fehlende Transparenz
       
       Die Unstimmigkeiten bei diesem Einkauf sind nur ein Beispiel für die
       fehlende Transparenz, mit der die Behörden seit der Ausrufung des
       Nationalen Notstands wegen Covid-19 am 16. März agieren. Der Notstand
       erlaubt es ihnen, Materialien einzukaufen und Dienstleistungen in Auftrag
       zu geben, ohne dass Eignung und Qualifikation der beauftragten Unternehmen
       überprüft wird.
       
       Es gibt unzählige Fragwürdigkeiten bei der Verwaltung des Staatshaushalts.
       Die Behörden agieren unter der Aufsicht von Institutionen, die sie selbst
       beauftragt haben. Die Kirchen zum Beispiel spielen in der Regierung eine
       immer wichtigere Rolle, obwohl die Verfassung dem Einfluss religiöser
       Vereinigungen eigentlich klare Grenzen setzt. Und eine zentrale Rolle kommt
       dem Nationalen Konvergenz-Forum (Fonac) zu, offiziell eine Organisation der
       Zivilgesellschaft zur Umsetzung nationaler Vorhaben.
       
       Das Fonac ist derzeit damit beauftragt, die Verteilung von
       Lebensmittelrationen an die ärmste Bevölkerung zu kontrollieren und zu
       überprüfen, ob die wichtigsten Krankenhäuser des Landes über alle
       notwendigen Ressourcen verfügen, um mit der Situation umzugehen.
       
       Ob die Organisation dazu aber in der Lage ist, bezweifelt etwa Joaquín
       Mejía, ein angesehener Anwalt und Rechercheur der jesuitischen
       Bürgerrechtsorganisation Eric-SJ. Er bemängelt, dass eine Institution mit
       einer so wichtigen Aufgabe betreut werde, die gerade erst Ende Januar
       gegründet worden sei und die noch über keinerlei Erfahrung und
       Glaubwürdigkeit verfügt.
       
       ## Stimmen sichern
       
       Das Programm „Solidarisches Honduras“, das Fonac kontrolliert, hat zum
       Ziel, 800.000 Lebensmittelrationen an 3,2 Millionen Arme in diesem Land zu
       verteilen, das laut Daten der Weltbank den größten Anteil an armer
       Bevölkerung Lateinamerikas hat.
       
       Aber auch diesem Programm wird Korruption vorgeworfen: Es mehren sich die
       Anzeichen, dass die Lebensmittelrationen – im Wert von je gerade einmal 20
       US-Dollar – nur an die Aktivisten der Regierungspartei abgegeben werden. So
       war es auch schon bei anderen Hilfsprogrammen der Regierung: Sie nutzt sie
       aus, um sich bei den nächsten Wahlen Stimmen zu sichern.
       
       Darüber hinaus darf nicht vergessen werden, dass in allen Ländern
       Zentralamerikas die Macht nicht aus der Demokratie heraus entsteht, sondern
       aus dem Einfluss der Streitkräfte. Die Pandemie scheint ein geeigneter
       Moment für Menschenrechtsverletzungen, insbesondere an Umweltschützern und
       Menschen, die, weil sie ihren Lebensunterhalt in der informellen Wirtschaft
       verdienen, keine „absolute Ausgangssperre“ befolgen können. Seit dem 16.
       März sind ihre verfassungsmäßig garantierten Rechte suspendiert.
       
       Ein Bericht des Komitees der Angehörigen von Verhaftet-Verschwundenen in
       Honduras, Cofadeh, zählt für den Zeitraum seit Ausrufung des Notstands bis
       Ende März mindestens 22.000 Menschenrechtsverletzungen, von der Kündigung
       von Arbeitern über Vertreibung bis zu illegalen Verhaftungen durch Polizei
       und Militär.
       
       ## Vollkommener Zusammenbruch
       
       Die Strategie zur Eindämmung des Virus, die Präsident Hernández
       vorgeschlagen hat, wurde vom ersten Tag an von Polizei und Militär
       federführend umgesetzt. In ihren sozialen Netzwerken betreiben sie eine
       PR-Kampagne und präsentieren sich als Helden inmitten der Pandemie.
       
       In Honduras, dem zentralamerikanischen Land mit knapp über 9 Millionen
       Einwohnern, bedeutet die Gesundheitskrise durch Covid-19 keinerlei
       Hindernis für die Korruption, die Armut und die Gewalt. Alle drei Phänomene
       gehen genauso weiter wie vorher. Irgendwann werden sie für den vollkommenen
       Zusammenbruch der honduranischen Gesellschaft sorgen.
       
       18 Apr 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Abgeschoben-aus-den-USA/!5573515
 (DIR) [2] https://www.worldometers.info/coronavirus/country/honduras
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Fernando Silva Cruz
       
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