# taz.de -- Maskenpflicht in Berlin: Ein sinnvolles Flickwerk
       
       > Auch die neueste Corona-Verordnung des Senats ist nicht ganz durchdacht.
       > Vielleicht ist das langfristig aber sogar hilfreich.
       
 (IMG) Bild: Sicher bald ein ganz gewohntes Bild: Mundnasenschutz in öffentlichen Verkehrsmitteln
       
       Wer in Irans Hauptstadt Teheran fliegt, wird im Flugzeug Zeuge absurder
       Szenen: Bereits bei der Ankunft im iranischen Luftraum werden alle
       Passagierinnen aufgefordert, ein Kopftuch anzulegen, gut eine Stunde vor
       der Landung und damit lange vor dem ersten Kontakt mit Grenzkontrollen.
       Ähnliche Szenen dürften sich ab 27. April in der S-Bahn an der Landesgrenze
       zwischen Berlin und Brandenburg abspielen. Der Grund: Berlin hat am
       Dienstag entschieden, in öffentlichen Nahverkehrsmitteln einen – wie es
       offiziell heißt – [1][„Mundnasenschutz“ verpflichtend vorzuschreiben]. Für
       alle. Brandenburg will das bisher nicht.
       
       Dies ist eine weitere von vielen nicht ganz nachvollziehbaren Maßnahmen in
       den Corona-Notverordnungen der Länder. Man erinnere sich nur an die schon
       dadaesk anmutenden Erörterungen zur Frage, ob mensch allein auf einer Bank
       im Freien sitzen, ausruhen und dabei vielleicht sogar ein Buch lesen
       dürfte. Ganz überraschend kommen also die Irritationen über die
       Mundschutzpflicht nicht.
       
       In diesem Fall geht es aber noch ein bisschen weiter: Anders als in anderen
       Bundesländern wie etwa Sachsen gilt sie in Berlin nicht auch in Geschäften.
       Vor allem die Grünen hatten sich dagegen gewehrt, unter anderem, weil es
       bisher nicht genügend Masken zu kaufen gibt. Wohl auch deswegen wird der
       Senat welche an Bedürftige ausgeben, sprich verschenken. Das Gegenargument
       entfällt also, die Vorgabe für Geschäfte kommt trotzdem nicht.
       
       Über die fehlende Konsequenz des rot-rot-grünen Senats wird in den nächsten
       Tagen diskutiert werden. Zurecht. Wenn über Maßnahmen wie diese, die noch
       vor einen Monat undenkbar waren, weil sie den Alltag und die Freiheit der
       Menschen drastisch einschränken, nicht mehr geredet würde, wäre Deutschland
       keine Demokratie mehr.
       
       Dennoch irritiert die Schärfe und die Härte, mit der bisweilen Positionen
       ausgetauscht werden – um Argumente geht es dabei kaum noch. In Coronazeiten
       sind mehr Menschen als früher in unfassbar kurzer Zeit zu ExpertInnen
       geworden. Sie vertreten eine Haltung, von der sie nicht abweichen und die
       in Frage zu stellen die halbe Menschheit gefährdet. Vielleicht mag das
       sogar so sein. Vielleicht kann man das rückblickend irgendwann so
       beurteilen. Aber derzeit wissen wir das nicht.
       
       Wie wir so vieles über das Virus, seine Taktik, seine Verbreitung, seine
       Effizienz, seine Wandelbarkeit bisher nur erahnen.
       
       ## Der Politik geht es auch um Versuche, um Wagnisse
       
       Die Politik muss in dieser Auseinandersetzung Position beziehen und dabei
       unterschiedliche Haltungen berücksichtigen. Das Ergebnis sind eben nicht
       immer klare Positionen, es sind Zugeständnisse, Wagnisse, manchmal schlicht
       Versuche am lebenden Objekt: der Bevölkerung und, wenn mensch so will, der
       Menschheit.
       
       Im Fall des Mundnasenschutzes ist unbestritten, dass ohne ihn eine Rückkehr
       zu einen gesellschaftlichen Leben ähnlich jenem noch im Februar diesen
       Jahres kaum möglich sein wird. Bald dürfte es gezwungenermaßen eine Art
       [2][It-Item] dieser Saison (und vielleicht noch mehrerer weiterer) sein.
       Dennoch muss nicht unbedingt eine umfassende Pflicht, sie zu tragen, der
       erfolgreichere und akzeptiertere Schritt sein. Letztlich müssen die
       Menschen kapieren, dass sie vor allem andere damit schützen; dass das
       Nicht-Tragen eines Mundschutzes als Angriff auf die Gesundheit anderer
       aufgefasst werden kann und bereits schon wird.
       
       Und da ist so ein kurzer Moment des Nachdenkens etwa bei der Überschreitung
       der Grenze zwischen Brandenburg und Berlin in der S-Bahn ganz hilfreich.
       Genauso wie bei der Akzeptanz, dass eben nicht alle Bundesländer,
       PolitikerInnen, Menschen immer die gleichen Haltungen vertreten und gleich
       vorgehen. Und trotzdem erfolgreich sind.
       
       21 Apr 2020
       
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