# taz.de -- Ökonom über Coronakrise: Sargnagel für den Neoliberalismus
       
       > Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig der Staat als letzte Instanz ist,
       > sagt der Ökonom Marcel Fratzscher. Für ihn hat der Glaube an den Markt
       > versagt.
       
 (IMG) Bild: Leere Tische und Strandkörbe: mittelständische Unternehmen trifft das Coronavirus hart
       
       BERLIN dpa | Der Kampf gegen die wirtschaftlichen Folgen des Corona-Schocks
       zeigt nach Ansicht des Ökonomen Marcel Fratzscher die [1][Stärke der
       Politik] und die Gefahren reiner Marktgläubigkeit. Wenn sich Gesellschaften
       nur auf den freien Wettbewerb verließen, würden die Risiken derzeit
       überdeutlich, sagte der Präsident des Deutschen Instituts für
       Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin der Deutschen Presse-Agentur: „Ich
       würde schon sagen, dass die Corona-Krise so etwas wie der letzte Sargnagel
       für den Neoliberalismus ist.“Hilfen für Arbeitnehmer, Unternehmen, Kliniken
       oder Schulen seien in der aktuellen Lage ohne Alternative.
       
       „Nun sehen wir: Der [2][Staat ist die letzte Instanz], wenn es darauf
       ankommt“, sagte Fratzscher. „Der Markt kann in entscheidenden Bereichen
       nicht mehr allein funktionieren.“ Die Finanzkrise 2008/2009 habe dies
       angedeutet, ebenso die Migrations- und die Klimakrise. Covid-19 mache die
       Kritik am schwerfälligen, bürokratischen Staat nun ziemlich unglaubwürdig.
       
       „Die Bundesregierung hat über eine Billion Euro an Garantien und direkten
       Hilfen mobilisiert“, betonte der DIW-Chef. „Das ist ein Signal, das uns
       allen bewusst machen sollte: Ein starker, effizienter, gut funktionierender
       Staat ist absolut essenziell.“ Das gelte auch fürs Gesundheitswesen, das
       nicht primär Gewinninteressen unterworfen sein dürfe.
       
       „Beim Blick in die USA, wo viele Menschen auf sich allein gestellt sind,
       wird einem klar, wie wichtig staatliche Institutionen jetzt sind.“ Es sei
       gut, im medizinischen System Wettbewerb zuzulassen. „Aber man sollte
       gleichzeitig sicherstellen, dass es eine hohe Qualität der Grundversorgung
       für alle gibt.“
       
       ## Für mehr Staatsausgaben
       
       Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie und
       Konjunkturforschung (IMK), sprach sich für eine gezielte Ausweitung der
       Staatsausgaben aus: „Jetzt muss die Nachfrage gestützt werden. Auch
       Investitionen in Wasserstoffnetze könnte man anschließen. Und der
       Investitionsstau im Straßenbau und bei den Schulen ist groß.“
       
       Die Bundesregierung rechnet indes für dieses Jahr wegen der
       Coronavirus-Pandemie mit der schwersten Rezession der Nachkriegszeit. „Wir
       stehen vor großen Herausforderungen“, sagte Wirtschaftsminister Peter
       Altmaier am Mittwoch in Berlin. An diesem Donnerstag wollen Bundesregierung
       und Ministerpräsidenten über weitere Lockerungen für Gastronomie und
       Tourismus diskutieren.
       
       Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) dürfte dieses Jahr um 6,3 Prozent
       einbrechen, hieß es in der Frühjahrsprognose, die das
       Wirtschaftsministerium veröffentlichte. „Es gab schon schönere Anlässe“,
       sagte Altmaier dazu. Er rechnet im zweiten Quartal mit dem Tiefpunkt und
       danach einer allmählich einsetzenden Erholung. Hier werde der Schutzschirm
       der Regierung im Volumen von mehr als einer Billion Euro helfen. Für 2021
       sagte die Regierung ein Wachstum von 5,2 Prozent voraus. Das Niveau der
       Wirtschaft vor der Krise dürfte entsprechend erst 2022 wieder erreicht
       werden.
       
       30 Apr 2020
       
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