# taz.de -- Die Folgen der Ökonomisierung: Wem gehören die Krankenhäuser?
       
       > Der Verkauf der Krankenhäuser an Asklepios war für Hamburg ein
       > durchwachsenes Geschäft. Jetzt geht die Diskussion wieder in die andere
       > Richtung.
       
 (IMG) Bild: Renoviert: Asklepios-Klinikum Wandsbek
       
       HAMBURG taz | Es war ein starkes Stück, als der damalige Hamburger Erste
       Bürgermeister Ole von Beust und sein Finanzsenator Wolfgang Peiner (beide
       CDU) im Juli 2004 verkündeten, sie würden auf den Volksentscheid gegen die
       Privatisierung der landeseigenen Krankenhäuser [1][pfeifen], – fast drei
       Viertel der Stimmen waren gegen die Privatisierung abgegeben worden.
       
       Ganz abgeebbt ist die Diskussion, ob der Verkauf an den in Familienbesitz
       befindlichen Asklepios-Konzern ein Fehler war, seitdem nie. Zuletzt 2017
       haben die Fraktionen der SPD, Grünen und Linken in einem gemeinsamen Antrag
       festgestellt, dass der Verkauf für die Stadt „ein schlechtes Geschäft“
       gewesen sei. Auch der aktuelle rot-grüne Senat sieht den Verkauf
       „kritisch“. Und die Linke sucht noch immer nach Wegen, wie sich ein
       Rückkauf bewerkstelligen ließe.
       
       Nachdem Senate unter Führung von SPD wie CDU um die Jahrtausendwende herum
       im großen Stil öffentliches Eigentum verkauften, hat sich der Zeitgeist
       inzwischen gewandelt. Hamburg hat die Versorgungsnetze für Strom, Gas und
       Fernwärme [2][zurückgekauft] und wieder einen Stromversorger gegründet. Mit
       der Rückkehr des Staates in der Coronakrise und der Frage, wie wir künftig
       leben wollen, könnte die Debatte neuen Schub bekommen.
       
       Der ehemalige Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) behandelte 2003 rund 45
       Prozent aller Fälle in Hamburg. Als der CDU-FDP-Schill-Senat Anfang der
       2000er beschloss, ihn zu verkaufen, hatte er bereits ein jahrelanges
       Sanierungsprogramm hinter sich. SPD-geführte Senate hatten den
       Landesbetrieb hergerichtet und ein CDU-geführter Senat hat ihn verkauft.
       
       ## Schon die Stadt hat rationalisiert
       
       Wie andere defizitäre öffentliche Unternehmen, etwa das
       Wohnungsbauunternehmen Saga, wurden die Krankenhäuser rechtlich
       verselbstständigt. Im Zuge der Sanierung, die 2005 abgeschlossen werden
       sollte, wurden Profitcenter geschaffen, die Abläufe in den medizinischen
       Abteilungen gestrafft, aber auch Dienstleistungen wie die Reinigung oder
       Hauswirtschaft outgesourct und 3.000 Stellen abgebaut. Ein in Hamburg
       prominentes und umstrittenes Opfer war das Hafenkrankenhaus. Der damalige
       SPD-Senat trug das mit.
       
       Als er 1992 zum LBK gekommen sei, erinnert sich der frühere
       Vorstandssprecher Heinz Lohmann, habe er festgestellt: „Wir haben die
       höchsten Fallkosten.“ Die Kosten einer Behandlung hätten rund 30 Prozent
       über dem Bundesdurchschnitt gelegen. Zu dieser Zeit habe sich abgezeichnet,
       dass die Krankenkassen nicht einfach weiter Betten finanzieren würden,
       sondern das System zur Kostendämpfung umgekrempelt werden würde.
       
       Früh führte Lohmann intern Fallpauschalen ein, die es möglich machten, die
       Kosten für bestimmte Behandlungen an verschiedenen Häusern zu vergleichen.
       Trotz dieser Bemühungen machte der Landesbetrieb kräftig Verluste. 2003
       waren sie mit 86,9 Millionen Euro besonders hoch.
       
       Unter anderem lag das daran, dass der Landesbetrieb die Altersversorgung
       seiner Mitarbeiter umstellte und dazu eine Unterstützungskasse gründete,
       für die er in den Anfangsjahren Prämien nachzahlen musste. Außerdem hatte
       ihm der Senat die Renten für ehemalige Mitarbeiter aufgebürdet – 2003
       allein 36 Millionen Euro.
       
       „Die Ertragskraft reichte in den vergangenen Jahren nicht aus, um die
       Belastungen durch Restrukturierungsmaßnahmen und betriebliche
       Altersversorgung sowie Investitionen und Zinszahlungen zu tragen“, stellte
       der Senat 2004 in einer Drucksache zum Verkauf fest. Der LBK dürfe nicht
       weiter Schulden bei der Stadt auflaufen lassen, sagte Finanzsenator Peiner.
       
       Asklepios machte die Stadt es von vornherein leichter: Beim Verkauf
       übernahm sie die Last der Rentenansprüche. Außerdem sicherte sie den
       ehemaligen LBK-Beschäftigten ein Rückkehrrecht in den öffentlichen Dienst
       zu, das [3][1.746 Menschen in Anspruch nahmen] – weit mehr, als der Senat
       gedacht hatte. Darunter waren viele Leute aus dem nicht-medizinischen
       Bereich. Asklepios war sie los und die Stadt musste eine Beschäftigung für
       sie finden.
       
       „Das reine Betriebsergebnis war Anfang der 2000er einigermaßen
       ausgeglichen“, erinnert sich Lohmann. Allerdings erwirtschafteten die
       Krankenhäuser in den ersten Jahren nach dem Verkauf auch keine Überschüsse.
       Das drückte den Kaufpreis, weil der Vertrag einen Abschlag vorsah, falls
       keine Gewinne erwirtschaftet würden. Dazu kam, dass 2004 plötzlich
       Sonderbelastungen bilanziert wurden, die bis dato keine Rolle gespielt
       hatten und das negative Eigenkapital sprunghaft vergrößerten. 245,6
       Millionen Euro hat Asklepios überwiesen; weitere 75 fielen flach.
       
       Hätte die Stadt die Krankenhäuser ohne die Pensionslasten also selbst
       weiterbetreiben können? „Man braucht einen Gesellschafter, der einen
       Modernisierungskurs uneingeschränkt teilt“, sagt Lohmann, der heute ein
       Beratungsunternehmen führt. Das bedeute, dass sich der Gesellschafter nicht
       gegen die wirtschaftliche Rationalität entscheiden dürfe. Für die Stadt als
       Gesellschafter wäre das schwierig, weil der Senat politisch erpressbar sei.
       „Unter dem Gesichtspunkt, vielen Ärger nicht zu haben, hat sich das für die
       Stadt auf jeden Fall gelohnt“, findet der ehemalige LBK-Chef.
       
       Eigentlich sei das entscheidende Thema nicht die Privatisierung, sondern
       die Ökonomisierung des Gesundheitssystems, sagt der Politikwissenschaftler
       Detlef Sack von der Uni Bielefeld. Bei der Umstellung auf Fallpauschalen in
       den 1990er-Jahren wurde für jede Behandlung ein Vergütungssatz festgelegt.
       Kliniken, die darunter bleiben, können das Geld einstreichen. Wer zu teuer
       ist, erwirtschaftet ein Defizit. Auf die Genesung komme es dabei nicht an,
       sagt Sack.
       
       Asklepios schiebt die Verantwortung für den Renditedruck auf die Länder,
       die nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz für Neubauten und neue Geräte
       aufkommen müssen. Sie investierten zu wenig, sodass die Krankenhäuser auch
       Investitionen aus dem laufenden Betrieb finanzieren müssten, so der
       Vorwurf.
       
       In seinen Hamburger Kliniken hat Asklepios knapp die Hälfte der
       Investitionen getragen – seit 2005 waren das nach Senatsangaben 722 von
       1.542 Millionen Euro, für die die Stadt nicht aufkommen musste. Ein
       Gutachten der Firma Mehrwertconsult im Auftrag der Hamburger Linken spricht
       von „notorisch zu geringen Investitionsmitteln der Länder für die
       Krankenhäuser mit der Folge eines Investitionsstaus in Höhe von mehr als
       fünf Milliarden Euro“.
       
       ## „Unfreiwillig hohe Produktivität“
       
       Dazu kommt laut Asklepios, dass die deutschen Fallkostenpauschalen im
       internationalen Vergleich gering ausfallen. Das hat den wirtschaftlichen
       Druck weiter erhöht und etwa dazu geführt, dass sich Mediziner und
       Pflegekräfte in Deutschland um mehr Patienten kümmern müssen, als das im
       Ausland der Fall ist. „Diese unfreiwillige, hohe Produktivität ist die
       wesentliche Ursache für die trägerunabhängige Arbeitsverdichtung in
       deutschen Kliniken“, heißt es in einer Asklepios-Mitteilung von 2017.
       
       „Die Fallkostenpauschalen bauen schon Druck auf“, sagt Hilke Stein,
       Landesfachbezirksleiterin der Gewerkschaft Ver.di. Aber mit der
       Privatisierung des LBK habe sich die Zielrichtung geändert. Im Vordergrund
       stünden wirtschaftliche Interessen, es gehe um Gewinnmaximierung. „An ganz
       vielen Punkten spüren wir das“, sagt Stein.
       
       Ein Indikator hierfür könnte die Patientenzufriedenheit sein, die alle drei
       Jahre mit dem [4][Hamburger Krankenhausspiegel] erhoben wird. 2018
       belegten die sieben Asklepios-Kliniken bei der Frage „Würden Sie dieses
       Krankenhaus ihren Freunden und Bekannten weiterempfehlen?“ die letzten
       Plätze. Die Qualitätsindikatoren für bestimmte Behandlungen, die ebenfalls
       erhoben werden, spiegeln dieses Bild allerdings nicht.
       
       Nach Einschätzung der Hamburger Finanzbehörde kommen die Überschüsse
       immerhin den Krankenhäusern und damit mittelbar den Patienten zugute: „Die
       erwirtschafteten Mittel sind im Unternehmen verblieben, um zur Finanzierung
       von Investitionen aus Eigenmitteln zur Verfügung zu stehen“, teilte sie
       mit.
       
       ## Eigenkapital gewachsen
       
       Tatsächlich ist das Eigenkapital der Asklepios-Kliniken Hamburg seit dem
       Verkauf kontinuierlich gewachsen – von 163 Millionen Euro 2005, im ersten
       Jahr nach der Privatisierung, auf 329 Millionen 2010 bis auf 667 Millionen
       2018.
       
       Wie sich der Verkauf des LBK auf den Hamburger Haushalt ausgewirkt hat,
       kann aus Sicht der Finanzbehörde nicht abschließend bewertet werden. Als
       positiv vermerkt Mehrwertconsult in seiner Studie für die Linke die
       Investitionen von Asklepios, die Wertsteigerung des Unternehmens und seiner
       Grundstücke sowie die Entlastung von Zinszahlungen, weil sich die
       Schuldenlast der Stadt durch den Verkauf verringert habe.
       
       Allerdings stemmt Asklepios die Investitionen aus den laufenden Einnahmen.
       Einem internationalen Konzern dürfte das leichter fallen als einem
       regionalen Unternehmen. Möglicherweise hätte das ein gut geführter LBK ohne
       Pensionslasten aber auch gekonnt.
       
       Mehr über die Privatisierung und mögliche Rekommunalisierung der
       Krankenhäuser lesen Sie in der taz am wochenende am Kiosk oder in unserem
       [5][e-kiosk].
       
       8 May 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Archiv-Suche/!730429&s=LBK+Volksentscheid+Beust&SuchRahmen=Print/
 (DIR) [2] http://unser-netz-hamburg.de/
 (DIR) [3] /LBK-Privatisierung/!5149532
 (DIR) [4] https://www.hamburger-krankenhausspiegel.de/patientenzufriedenheit/
 (DIR) [5] /e-kiosk/!114771/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Gesundheitspolitik
 (DIR) Privatisierung
 (DIR) Rekommunalisierung
 (DIR) Krankenhäuser
 (DIR) Hausarzt
 (DIR) Asklepios
 (DIR) Asklepios
 (DIR) Mecklenburg-Vorpommern
 (DIR) Krankenhäuser
 (DIR) Krankenhäuser
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Schwerpunkt Coronavirus
 (DIR) Geburtshilfe
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Medizinische Versorgung mangelhaft: Abschied vom Landarzt
       
       Landärzt:innen finden oft keine Nachfolger:in für ihre Praxen. In die Lücke
       stoßen Medizinische Versorgungszentren. Doch wer hat dort das Sagen?
       
 (DIR) Klage gegen Klinikkonzern: 1:0 für Asklepios
       
       Der Landkreis Goslar wird wohl keine 16 Millionen Euro Schadenersatz dafür
       bekommen, dass der Klinikkonzern ein Krankenhaus kaputtspart.
       
 (DIR) Privatisierung im Gesundheitswesen: Asklepios soll bluten
       
       Der Landkreis Goslar verklagt Asklepios auf 16 Millionen Euro, weil der
       Konzern das Krankenhaus in Clausthal nur noch auf Sparflamme betreibt.
       
 (DIR) Klinik zurück in öffentliche Hand: Ein Krankenhaus für einen Euro
       
       Der Kreistag Ludwigslust-Parchim hat für den Kauf der Klinik in Crivitz
       gestimmt. Die Geburtshilfe ist damit aber nicht gerettet.
       
 (DIR) Pläne für Rekommunalisierung: Landrat will Krankenhaus kaufen
       
       Im mecklenburgischen Landkreis Ludwigslust-Parchim soll demnächst die
       Entscheidung über den Rückkauf einer Klinik fallen.
       
 (DIR) Kliniken zurück in öffentliche Hand: Schluss mit Profitstreben
       
       In Mecklenburg-Vorpommern soll eine Klinik rekommunalisiert werden. Die
       Menschen dort haben genug von den Machenschaften der privaten Betreiber.
       
 (DIR) Gesundheitsforscher über Krankenhäuser: „Schließungen sind keine Lösung“
       
       Karl-Heinz Wehkamp erklärt, warum die Krankenhäuser nicht weniger werden
       sollten und kleine Häuser nicht schlechter sein müssen als große.
       
 (DIR) Ökonom über Coronakrise: Sargnagel für den Neoliberalismus
       
       Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig der Staat als letzte Instanz ist, sagt
       der Ökonom Marcel Fratzscher. Für ihn hat der Glaube an den Markt versagt.
       
 (DIR) Mythos des britischen NHS: Wo alle willkommen sind
       
       Der National Health Service ist in Großbritannien eine Art Ersatzreligion.
       Seine Schwachstellen werden in der Corona-Pandemie nun allerdings deutlich.
       
 (DIR) Konzern will Geburtshilfe schließen: Gnadenfrist für Mütter und Babys
       
       Der Asklepioskonzern und Mecklenburg-Vorpommerns Gesundheitsminister haben
       sich geeinigt. Die Geburtshilfe in Crivitz bleibt – vorerst.