# taz.de -- Wiederaufbau-Plan der EU: 750 Milliarden Euro aus Brüssel
       
       > Kommissionspräsidentin Von der Leyen geht mit ihrem Corona-Hilfsprogramm
       > auf die skeptischen EU-Staaten zu – und auf die Klimafreunde.
       
 (IMG) Bild: Gondeln in der Krise: In Venedig brechen ohne Touristen die Einnahmen weg
       
       BRÜSSEL taz | Es war das bestgehütete Geheimnis in Brüssel: Nur der engste
       Kreis um Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kannte die Zahlen, die
       über den Wiederaufbau in der EU entscheiden. Höchstpersönlich wollte von
       der Leyen die Details ihres „historischen“ Plans präsentieren.
       
       Doch am Ende war es nicht die deutsche CDU-Politikerin, sondern der
       italienische Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni, der die wichtigste Zahl
       verriet. 750 Milliarden Euro will die EU-Kommission an den Finanzmärkten
       aufnehmen, um d[1][en Neustart der Wirtschaft nach Corona] zu finanzieren,
       teilte Gentiloni per Twitter mit.
       
       Das sind 250 Milliarden Euro mehr, als Kanzlerin [2][Angela Merkel und
       Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron] vor einer Woche vorgeschlagen
       hatten. Aber es ist deutlich weniger, als Italien oder das Europaparlament
       fordern. Auch das EU-Budget bleibt hinter den Erwartungen zurück.
       
       Der neue „mittelfristige Finanzrahmen“ für 2021 bis 2027 soll sich auf 1,1
       Billionen Euro belaufen – das wäre kaum mehr, als schon vor Corona geplant
       war. Hier kommt die EU-Kommission den „Frugal Four“ – den „Sparsamen Vier“
       – entgegen: Österreich, Holland, Dänemark und Schweden wollen ihren
       EU-Beitrag auch in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit dem Zeiten
       Weltkrieg möglichst niedrig halten.
       
       ## Widerstand von vier EU-Staaten
       
       Von der Leyen hat versucht, es allen recht zu machen – Merkel und Macron,
       aber auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der sich zum Sprecher der
       Sparsamen aufgeschwungen hat. Zugleich wollte sie ihren „European Green
       Deal“ retten, das Klima schützen und die Digitalisierung vorantreiben.
       
       Zumindest auf dem Papier ist dieser Balanceakt gelungen. Mit einem ganzen
       Berg von Dokumenten – insgesamt haben die EU-Beamten 1.000 Seiten
       vollgeschrieben – kommt von der Leyen allen Wünschen entgegen. Ihr
       Aufbau-Programm (Titel: „Next Generation EU“) enthält für jeden etwas, es
       ist ein Wünsch-dir-was für die Post-Corona-Ära.
       
       Sogar die Finanzierung scheint gesichert, jedenfalls fürs Erste. Dabei sah
       es wochenlang so aus, als könne von der Leyen nur mit Buchhaltungstricks
       und Finanzhebeln die nötigen Rekordsummen aufbringen. Erst als Kanzlerin
       Merkel eine Wende vollzog und [3][der Aufnahme von EU-Schulden] zustimmte,
       ging die Rechnung plötzlich auf.
       
       Ganz ohne Finanztricks geht es allerdings auch jetzt nicht. So will die
       EU-Kommission die sogenannte Eigenmittelobergrenze anheben – von derzeit
       1,2 Prozent auf bis zu 2 Prozent. In der Praxis bedeutet das, dass sie wie
       von Zauberhand über mehr Geld aus den EU-Beiträgen der Mitgliedsstaaten
       verfügen können wird. Dieses Geld dient dann als Garantie zur Aufnahme der
       geplanten 750 Milliarden Euro Schulden.
       
       ## Sogar ein bisschen Klimaschutz
       
       Außerdem soll die EU neue Steuern und Abgaben erhalten. Im Europaparlament
       sprach von der Leyen vom Ausbau des Emissionshandels, einer neuen
       CO2-Grenzsteuer und der schonseit Langem geplante Digitalsteuer. „Hier
       müssen wir ambitioniert sein“, rief sie den Abgeordneten zu. Denn mithilfe
       der neuen Steuern sollen die Schulden abgestottert werden. Bis zu 30 Jahre
       könnte das dauern.
       
       Erst 2058 dürften die Lasten der „Next Generation EU“ abgetragen sein. Doch
       genau das mache „die Schönheit“ des Vorschlags aus, sagen
       Kommissionsexperten: Man komme schnell an Geld, um die Krise zu bewältigen
       und ein klimafreundliches Konjunkturprogramm zu finanzieren – müsse jedoch
       erst später zurückzahlen (ab 2028) und die klammen Mitgliedsstaaten nicht
       zusätzlich belasten.
       
       Doch wie viel Geld wird [4][am Ende in Italien, Spanien oder Deutschland]
       ankommen – und zu welchen Konditionen? Darüber dürfte noch ein heftiger
       Streit entbrennen. Nach einer internen Aufstellung der EU-Kommission sind
       knapp 173 Milliarden Euro als Zuwendungen und Kredite für Italien
       reserviert. Spanien könnte bis zu 140 Milliarden bekommen, Deutschland darf
       mit 28 Milliarden rechnen.
       
       Doch auch die „Frugal Four“ und die Osteuropäer wollen ihren Teil vom
       Kuchen abhaben. Zudem soll die EU-Hilfen an Bedingungen wie
       Rechtsstaatlichkeit oder Klimaverträglichkeit gebunden werden. Das könnte
       für Polen, Ungarn oder Griechenland zum Problem werden. Vor allem in Athen
       sind die Auflagen der Troika in schlechter Erinnerung. Am Ende müssen alle
       27 EU-Staaten und das Europaparlament zustimmen, damit der billionenschwere
       Kommissionsplan umgesetzt wird. Die EU-Abgeordneten wollten sich am
       Mittwoch noch nicht festlegen.
       
       ## Lob und Kritik aus dem EU-Parlament
       
       Der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary nannte den Vorschlag „ein historisches
       Signal der europäischen Einheit“. Allerdings dürfe das Geld nicht einfach
       in die nationalen Haushalte fließen, sondern müsse an Auflagen gebunden
       werden. Außerdem solle die EU früher mit der Rückzahlung der Schulden
       beginnen.
       
       Der grüne Haushaltspolitiker Rasmus Andresen sprach von einem „kleinen
       Schritt in die richtige Richtung“. Er zeigte sich skeptisch, ob der
       vorgeschlagene Fonds stark genug wird, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen.
       Dass von der Leyen die klimaschädlichen Agrarzahlungen unverändert lasse
       und weiter fossile Energie fördern wolle, mache die Klimaziele
       „unerreichbar und unglaubwürdig“.
       
       27 May 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
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