# taz.de -- Volksentscheide in Berlin: Demokratie wird direkter
       
       > Rot-Rot-Grün will die direkte Demokratie gerechter machen. Dazu wird
       > endlich eine Frist für die Zulässigkeitsprüfung eines Volksbegehrens
       > eingeführt.
       
 (IMG) Bild: Rot-Rot-Grün lässt sie waren: Unterstützer der Initiative Deutsche Wohnen enteignen im Mai
       
       BERLIN taz | Die rot-rot-grüne Koalition bessert nach langem Ringen die
       Verfahren der direkten Demokratie nach. Künftig soll der Innensenator nicht
       mehr die Möglichkeit haben, die rechtliche Zulässigkeitprüfung eines
       Volksbegehrens nach Lust und Laune in die Länge zu ziehen. Zudem sollen
       Volksentscheide möglichst gleichzeitig mit Wahlen stattfinden. Das sieht
       ein Gesetzentwurf vor, der am Freitag von den drei Regierungsfraktionen
       vorgestellt wurde.
       
       Die direkte Demokratie auf Landesebene verläuft in Berlin in drei Stufen.
       Initiativen müssen mindestens 20.000 Unterschriften sammeln für einen
       Gesetzentwurf. Gelingt dies, überprüft die Innenverwaltung dessen
       Zulässigkeit. Ist diese gegeben und übernimmt das Parlament die Ziele
       nicht, müssen rund 175.000 Unterschriften gesammelt werden für einen
       Volksentscheid. Erfolgreich war damit etwa die Initiative „100 Prozent
       Tempelhof“, die auf diesem Weg 2014 die Bebauung des Tempelhofer Feldes
       verhindern konnte. Ähnliche Regelungen gibt es auf Bezirksebene.
       
       Die am Freitag vorgelegten Verbesserungsvorschläge sind nicht neu – im Kern
       standen sie [1][so bereits im Koalitionsvertrag vom Dezember 2016]. Denn
       schon lange leiden Volksinitiativen wie zuletzt „Berlin Werbefrei“ und
       [2][„Deutsche Wohnen enteignen“] darunter, dass die Innenverwaltung die von
       ihnen vorgelegten Gesetzentwürfe bisher zeitlich unbegrenzt prüfen darf und
       damit verschleppen kann. Gleiches gilt für die amtliche Kostenschätzung.
       
       Das soll sich nun ändern: Lediglich noch fünf Monate darf die
       Innenverwaltung die rechtliche Zulässigkeit überprüfen; nur zwei Monate
       bleiben für die amtliche Kostenschätzung, die den BürgerInnen verdeutlichen
       soll, wie teuer die Umsetzung eines solchen Gesetzes kommen würde.
       
       „Mit den Fristen besteht für die Initiativen endlich Planbarkeit“, sagte
       Michael Efler (Linkspartei), der das Gesetz mit ausgearbeitet hat. „Fünf
       Monate sind eine Frist, die auch für die Innenverwaltung machbar ist“,
       kommentierte SPD-Innenpolitiker Frank Zimmermann. Die Innenverwaltung
       selbst hatte eine Siebenmonatsfrist vorgeschlagen und lange andauernde
       Prüfungen – teilweise über ein Jahr – stets damit begründet, dass die
       Vorhaben sehr komplex seien.
       
       ## Im Schnitt ein Jahr lang geprüft
       
       Verhaltenes Lob für die Reform kommt vom [3][Verein Mehr Demokratie.] Diese
       würde die direkte Demokratie auf das „nächste Level“ heben. „Leider kommen
       die Neuregelungen für viele Initiativen zu spät“, sagte Regine Laroche,
       Landesvorstandssprecherin des Vereins. Nach Angaben des Vereins hat der
       Senat unter Rot-Rot-Grün im Schnitt 342 Tage für die Prüfung der
       Zulässigkeit von Volksbegehren gebraucht.
       
       Bisher war zudem vorgeschrieben, dass es nach einer erfolgreichen
       Unterschriftensammlung innerhalb von vier Monaten zum Volksentscheid kommen
       muss. Künftig soll, wenn ein regulärer Wahltermin in den acht Monaten
       danach ansteht, eine gleichzeitige Abstimmung möglich sein. Das erhöht die
       Chance, dass ein Entscheid nicht mangels Beteiligung scheitert. Die Quoren
       will die Koalition indes unverändert lassen: Für einen erfolgreichen
       Volksentscheid muss die Mehrheit, aber mindestens ein Viertel der
       Wahlberechtigten – zuletzt etwa 630.000 BerlinerInnen – dafür stimmen.
       
       29 May 2020
       
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