# taz.de -- Konfusionen durch Corona: Es ist zum In-die-Tastatur-Beißen
       
       > Hausunterricht, Milliardenfonds und Zoom-Konferenzen. In der Pandemiezeit
       > gerät einiges durcheinander. Aber danach wird alles weitergehen. Fast
       > alles.
       
 (IMG) Bild: Urlaub zu Coronazeiten: Der Wohnwagen wird klar gemacht
       
       Achtung, dieser Wochenrückblick könnte ein wenig konfus wirken: Nicht nur
       verschwimmen dieser Tage Raum und Zeit – manchmal weiß ich gerade nicht
       mehr, ob ich mit jemandem gerade in einem virtuellen Zoom-Raum gesprochen
       habe oder in echt oder was gerade Arbeit ist und was [1][Hausunterricht]:
       Letztens war ich kurz davor, einer Kollegin das Akkusativobjekt im
       Satzgefüge zu erklären, dabei wollte sie mit mir über den
       Seite-eins-Kommentar reden. Und während ich diesen Text schreibe, muss ein
       Zweitklässler hier am selben Küchentisch „Wortschlangen“ in Sätze zerlegen
       und die Nomen rot, die Adjektive grün … wo war ich?
       
       Ach ja, auch politisch gerät einiges durcheinander: Dieser Tage schnurrte
       mir morgens in der Küche beim Kaffeemachen eine bekannte Stimme via
       Deutschlandfunk ins Ohr, er unterstütze „nach einigem Nachdenken“ Ursula
       von der Leyens Milliardenhilfen-Plan voll und ganz. Solidarität mit den
       besonders coronagebeutelten „Südländern“ sei jetzt wichtig, sonst könne
       Europa einpacken. Ich brauchte eine Weile, um zu kapieren, dass da
       Christian Lindner von der FDP sprach. Hat er wirklich das Wort Solidarität
       in den Mund genommen – oder war ich noch nicht ganz wach?
       
       Ob ich eigentlich richtig höre, habe ich mich den Rest der Woche dann noch
       öfter gefragt: etwa, ob jetzt allen Ernstes Deutschlands stolze
       [2][Kranich-Fluglinie mit Staatsgeld] gerettet wird – und dafür nichts,
       aber auch gar nichts anders machen muss als bisher? Wo einem doch all die
       schönen wissenschaftlichen Vorher-nachher-Visualisierungen einer Welt mit
       viel und fast ohne Flugverkehr klar gemacht haben, dass verdammt noch mal
       weniger geflogen werden muss.
       
       Nicht mal Inlandsflüge muss die staatsgerettete Lufthansa einschränken, so
       wie die französische Air France, die Präsident Macron dazu verpflichtet
       hat, alle Ziele, die innerhalb von 2,5 Stunden auch per Zug erreichbar
       sind, vom Flugplan zu streichen? Nein, im Industrieland Deutschland traut
       man sich solche Ansagen natürlich nicht. Da macht man allenfalls ein paar
       Pop-up-Radwege in den Großstädten (nur temporär, versteht sich) – und lässt
       weiter fliegen wie bisher. Hängen ja Arbeitsplätze dran.
       
       Das gleiche Trauerspiel mit dem Auto: Haben wir nicht alle gesehen, wie
       dramatisch die Stickstoffdioxid-Belastung zurückgeht, wenn weniger gefahren
       wird? Jetzt wo wir den Vorher-nachher-Vergleich haben: Könnten wir jetzt
       dann die Autoindustrie, die schon wieder nach Staatsknete schreit, bitte
       mal auch dazu zwingen, Alternativen zum Verbrennungsmotor zu entwickeln und
       zu verkaufen – und zwar pronto?
       
       ## Autoprämien
       
       Aber nein, jetzt heißt es aus Autolobbykreisen in grotesker
       Faktenverdrehung: die Feinstaubwerte seien durch den wenigen Verkehr kaum
       gesunken, das Auto sei also nicht das Problem. Umweltverbände protestieren,
       klar. Aber für die Politik reicht es offenbar, das Stichwort „Arbeitsplätze
       in Gefahr“ fallen zu lassen – und die Autoländer Niedersachsen,
       Baden-Württemberg und Bayern machen sich für [3][Autoprämien stark – für
       Benziner und Diesel!] Ganz nach dem Motto meines verstorbenen
       Deutschlehrers, der zu sagen pflegte: „Mein Porsche fährt auch ohne Wald.“
       Aber das war ungefähr 1991. Und mein Deutschlehrer war, im Gegensatz zu
       Baden-Württembergs Winfried Kretschmann, auch nicht bei den Grünen.
       
       ## Dauercamper
       
       Es ist zum In-die-Tastatur-Beißen: Seit Wochen ist die Rede davon, dass
       „nach Corona“ die Welt ganz anders sein werde, ja, müsse! als zuvor. Aber
       jetzt, wo alles langsam wieder anläuft, fühlt es sich eher an wie 1991 plus
       Klimakrise. Und minus Regelschulunterricht natürlich. Und auch minus
       Urlaub? Am langen Himmelfahrtswochenende habe ich schon mal das Modell
       „Urlauben in Deutschland“ getestet – im Wohnwagen der Schwiegereltern im
       süddeutschen Nirgendwo.
       
       Anreise mit der Bahn, die interessanterweise seit der Coronakrise pünktlich
       ist wie nie, als wolle sie sich als Alternative zum Autowahnsinn
       präsentieren, als Kernstück einer „Mobilitätsprämie“ etwa, die BürgerInnen
       die Kombination aus Pkw/Bus/Fahrrad plus Bahn schmackhaft macht und für
       entsprechenden Ausbau des Bahnnetztes sorgt – was wiederum für neue Jobs
       sorgen könnte. Aber, keine Angst, so weit wird es nicht kommen: So krass
       umzudenken, das wird hierzulande niemandem zugemutet – höchstens den
       Eltern.
       
       Die Dauercamper im süddeutschen Nirgendwo praktizieren jedenfalls seit
       vielen Jahren das, was als der neue heiße Post-Corona-Scheiß gilt: das
       einfache Leben – lokal, naturnah, nachbarschaftlich-solidarisch und
       konsumeingeschränkt. Es ist allerdings auch kein Leben, wie sich das
       Grünen-wählende Großstädter wie ich so imaginieren, sondern eher:
       Morgenzigarette, vormittags das erste Bier, Post vom Amt lesen, danach
       Aufschnitt, Grill und Nackensteak vom Discounter. Wenn Sie mich fragen:
       Deutschland kann nicht anders. Es geht „danach“ einfach so weiter. Minus
       Klima.
       
       1 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
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 (DIR) Nina Apin
       
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