# taz.de -- Korruption und Betrug im Gewichtheben: Verschworene Reißer und Stoßer
       
       > Der neueste Thriller aus der finsteren Welt des Sportbetrugs spielt in
       > der Gewichtheberszene. Dort hat man wenig Interesse an Aufklärung.
       
 (IMG) Bild: Positive Erscheinung: Michail Audsejeu, EM-Dritter mit Boldenon und Androsteron
       
       Der neue McLaren ist da. Die Erwartungen waren hoch. Mit seinem
       [1][Thriller über das staatlich orchestrierte Doping in Russland] hatte der
       kanadische Anwalt Richard McLaren seine Leser:innen bereits in seinen Bann
       geschlagen. Seine Story über pharmazeutische Sportcocktails, manipulierte
       Dopingproben und die Rolle des russischen Geheimdienstes ist längst ein
       Klassiker. Der McLaren-Report ist Standard-Lektüre für alle, die sich für
       die Geschichte der Wettberwerbsmanipulation im Sport interessieren.
       
       Der [2][neue Report aus dem Team des Sportrechtlers] beschäftigt sich mit
       dem Intenationalen Gewichtheberverband IWF und der Rolle, die dessen
       langjähriger [3][Präsident Tamás Aján] darin gespielt hat. Und wieder ist
       es McLaren gelungen, einen Krimi der Extraklasse vorzulegen. Es ist die
       Geschichte eines Sportfunktionärs, der sich einen Internationalen Verband
       zu eigen macht.
       
       Es ist die Story eines Mannes, der es zur Meisterschaft gebracht hat,
       Verbandsgelder auf private Konten umzuleiten, der ein System geschaffen
       hat, durch das sich nicht mehr nachvollziehen lässt, welche Mittel für
       welchen Zweck verwendet wurden. Der Verbleib von über 10 Millionen Dollar
       lässt sich nicht mehr klären.
       
       Es ist die Geschichte eines kleinen, aber umso selbstherrlicheren
       Sportkunktionärs, der einen Verband in eine veritable Diktatur umbaut, der
       es versteht, die Gremien gleichzuschalten und der keine Scheu hat, sich bei
       anstehenden Wahlen Stimmen zu kaufen. Und, wie bei einem guten McLaren
       nicht anders zu erwarten – es ist ein Lehrbuch darüber, wie man positive
       Dopingtests einfach unter den Tisch fallen lässt, um den Ruf von Gold- und
       Silbermedaillengewinnern bei Weltmeisterschaften nicht mit dem Makel des
       Sportbetrugs zu beflecken.
       
       ## Fehlender Aufklärungswille
       
       Dieser Thriller um einen Gewichtheberfunktionär, der sich eine olympische
       Sportart unterwirft, ist keine Fiktion. Sie ist das Ergebnis einer
       unabhängigen Untersuchung, die beauftragt wurde, nachdem eine
       [4][ARD-Dokumentation] die Machenschaften des Tamás Aján aufgedeckt hatte.
       Der Bericht geht noch über die Anwürfe hinaus, die in der TV-Doku erhoben
       wurden. Aus dem Internationalen Olympischen Komitee wird mitgeteilt, man
       wolle den Report „sorgfältig“ lesen. Am Ende könnte das Gewichtheben seinen
       Status als Olympische Sportart verlieren.
       
       Dafür liefert der Report viele Gründe. Nicht nur der [5][traditionell tiefe
       Dopingsumpf] und die fehlende Bereitschaft diesen auszutrocknen, sprechen
       für einen Ausschluss. Es ist das mangelnde Interesse an Aufklärung aus der
       Gewichtheberszene selbst, welches das IOC nachdenklich machen sollte. Im
       neuen McLaren ist nachzulesen, dass die meisten Funktionäre aus dem
       Exekutivkomitee des Verbands nichts zur Aufklärung der Affäre Aján
       beitragen wollten, obwohl sie dies zuvor zugesichert hatten.
       
       Nur zwei von acht gewählten Vorstandsmitgliedern haben auf die Fragen von
       McLarens Team geantwortet. 20 Präsidenten oder Generalsekretäre nationaler
       Verbände hat McLaren kontaktiert. Nur ein einziger davon hat den Ermittlern
       Informationen zur Verfügung gestellt. Und es gab nur einen einzigen,
       aktiven Athleten, der mit dem Team von McLaren gesprochen hat. Eine
       Whistleblower-Hotline sei weitgehend ungenutzt geblieben. Im Report wird
       festgestellt: „Der Appetit von Mitgliedern und Interessenvertretern des
       Weltverbandes sich zu melden, war praktisch nicht vorhanden.“
       
       Das ist die vielleicht erschütterndste Erkenntnis aus dem Report. An
       Aufklärung gibt es kaum Interesse. Tamás Ajáns Bemühungen, den Verband
       gleichzuschalten, wirken nach.
       
       5 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.wada-ama.org/en/media/news/2016-12/wada-publishes-independent-mclaren-investigation-report-part-ii
 (DIR) [2] https://mclarenweightliftingenquiry.com/wp-content/themes/mclarenweightlifitingenquiry/assets/mclaren-independent-investigator-report-iwf-final.pdf
 (DIR) [3] /Korruption-im-Gewichtheben/!5651688
 (DIR) [4] https://www.sportschau.de/weitere/geheimsachedoping/video-geheimsache-doping---der-herr-der-heber--100.html
 (DIR) [5] /Doping-im-Gewichtheben/!5329817
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Rüttenauer
       
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