# taz.de -- Antidopinggesetz der USA: Streit unter Saubermachern
       
       > Die USA planen ein Gesetz, mit dem auch Funktionäre aus dem Ausland
       > verfolgt werden können. Gedroht wird auch der Weltantidopingagentur.
       
 (IMG) Bild: Gewichtheben, ein behelligter Sport mit unbehelligten Funktionären, hier bei der WM 2020 in Rom
       
       Die Antidopingwelt ist in Aufruhr. Die USA wollen die finanzielle
       Unterstützung der Weltantidopingagentur Wada einstellen oder zumindest
       kürzen. Parallel liegt dem US-Kongress ein scharfes Antidopinggesetz zur
       Abstimmung vor. Es würde US-Ermittlern auch den Einsatz gegen Hintermänner
       und Dopingnetzwerker aus dem Ausland ermöglichen. Die Wada wiederum,
       oberste Antidopinginstitution in globalem Maßstab, ist gegen das Gesetz.
       Verrückt.
       
       Aufklärung kann [1][Travis Tygart] bringen. Der Chef der
       US-Antidopingagentur Usada ist so etwas wie der meistdekorierte
       Antidopingjäger. Seine Ermittler brachten den Radler [2][Lance Armstrong]
       zur Strecke, hoben das Balco-Labor aus, das Dopingpräparate für die
       Leichtathletikstars um Marion Jones herstellte. Auch die Machenschaften im
       Nike Oregon Project der Lang- und Mittelstreckenläufer wurden aufgedeckt.
       
       Tygart selbst ist nicht glücklich über die angedrohten Kürzungen. „Wir alle
       wollen mehr Geld, niemand will weniger“, sagte er der taz. „Aber wir wollen
       nicht unter den gegenwärtigen Bedingungen weitermachen“, betonte er auch.
       Tygart wirft der Wada ein zu langsames Reformtempo vor. Als entscheidende
       Kritikpunkte nennt er: „unzureichende Athletenbeteiligung, Unabhängigkeit
       und Transparenz“. Das hatte auch ein Bericht des Büros für Nationale
       Drogenkontrollpolitik der US-Regierung (ONDCP) angemahnt.
       
       Die Wada wehrte die Kritik ab. Gegenüber der taz betonte ein Wada-Sprecher,
       dass die Reformen im beschlossenen Tempo vorangingen: „Ein
       Athletenvertreter sitzt bereits stimmberechtigt im Exekutivkomitee der
       Wada. In jedem anderen Komitee sitzt mindestens ein Athletenvertreter.“ Das
       ist ein Fortschritt. In der Vergangenheit hatten Athletensprecher und
       -sprecherinnen immer wieder Frustration über mangelndem Einfluss geäußert.
       
       Die kanadische Skilangläuferin Beckie Scott, vier Jahre lang Vorsitzende
       der Wada-Athletenkommission, verabschiedete sich im vergangenen Jahr mit
       einem Appell für mehr Transparenz und mehr Gehör auch von kritischen
       Stimmen. Um Reformen in dieser Richtung weiter voranzutreiben, drohen die
       Washingtoner Drogenjäger des ONDCP mit der Kürzung der jährlich 2,7
       Millionen Dollar Zuwendung an die Wada. Man kann darüber streiten, ob
       Subventionsentzug das beste Mittel zur Beschleunigung von Reformen ist. Das
       ist aber zumindest der Hintergrund dieses Streits.
       
       Zweiter Streitpunkt ist der „Rodchenkov Act“. Der Gesetzentwurf, benannt
       nach dem Kronzeugen im russischen Dopingskandal [3][Grigori Rodtschenkow]
       sieht Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren und Geldstrafen bis zu 1
       Million Dollar für Hintermänner im Doping vor. Usada-Chef Tygart erläutert
       den Wert des Gesetzes mit dem jüngsten Skandal im Gewichtheben. Der Ungar
       Tamás Aján führte 45 Jahre lang den Internationalen Gewichtheberverband,
       erst als Generalsekretär, dann als Präsident. „Wie der McLaren-Report
       herausfand, unterschlug Ajan 10 Millionen Dollar und vertuschte 40
       Dopingfälle. Dann geht er einfach in den Ruhestand, ohne dass er sich für
       seine Taten verantworten muss.“ Diese Art Straflosigkeit für Funktionäre
       könne das neue Gesetz beenden.
       
       ## Ende der Straflosigkeit für korrupte Funktionäre
       
       Der Fall Ajan hat eine noch pikantere Komponente. Der als
       Dopingvertuscher aktive Sportfunktionär war Mitgründer der Wada und saß von
       1999 bis 2017 in deren Stiftungsrat. Tygart vergleicht diese Konstellation
       gern mit „dem Fuchs, der den Hühnerstall bewacht“.
       
       Die Wada kritisiert, dass der US-Gesetzentwurf die internationale
       Antidopinggesetzgebung in ein Chaos brächte. Tatsächlich würden sich Teile
       von nationaler und internationaler Gesetzgebung überlagern.
       
       Die Vorteile, die der Rodchenkov Act bietet, liegen ebenfalls auf der Hand:
       ein Ende der Straflosigkeit für korrupte Sportfunktionäre. Die Nationale
       Antidopingagentur Deutschlands (Nada) lehnt deshalb das Gesetz nicht
       pauschal ab, sondern mahnt zur Kooperation. „Welche möglicherweise
       gravierenden Auswirkungen dieser ausgedehnte Anwendungsbereich für andere
       Länder haben kann, ist derzeit nicht absehbar.
       
       Im Sinne einer international möglichst einheitlichen Antidoping-Arbeit ist
       es aus unserer Sicht deshalb wichtig, die Rechtsfolgen des sogenannten
       Rodchenkov Acts vor Inkrafttreten des Gesetzes in den internationalen
       Antidoping-Gremien, wie dem Europarats und der Wada, umfassend und
       transparent zu erörtern und mögliche Kooperationsmodelle, zum Beispiel
       zwischen den USA und Europa, frühzeitig festzulegen“, teilt die Nada mit.
       
       Da ist sie als nationalen Organisation offensichtlich weiter, als die
       internationale Dachorganisation. Es gibt also noch einiges aufzuräumen im
       Antidopingbusiness. Die Zeit drängt. Der Rodchenkov Act soll in diesem Jahr
       verabschiedet werden.
       
       17 Jul 2020
       
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