# taz.de -- Krieg in Libyen: General Haftar verliert Rückhalt
       
       > Mit ihrer militärischen Einmischung in Libyen haben Moskau und Ankara
       > klargestellt: Sie entscheiden über die Zukunft des Landes.
       
 (IMG) Bild: Kämpfer der libyschen Regierung feiern sich am zurückeroberten Flughafen von Tripolis
       
       KAIRO taz | Es kommt Bewegung in die seit Jahren festgefahrene Lage in
       Libyen – politisch, weil sich militärisch etwas geändert hat. Vor 15
       Monaten hatte der abtrünnige General Chalifa Haftar seine Milizen vom Osten
       des Landes in Richtung Westen geschickt. Sie sollten in einer Blitzaktion
       die Hauptstadt Tripolis, die Hochburg seiner Rivalen, erobern. Haftar
       wollte das ganze Land unter seine militärische Kontrolle bringen und sich
       selbst zum libyschen Alleinherrscher machen.
       
       Haftars Plan ist gründlich in die Hose gegangen. Nachdem er Tripolis
       monatelang belagern und beschießen ließ, [1][ist seine Offensive in den
       letzten Wochen total zusammengebrochen].
       
       Nun hat der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi, einer der
       wichtigsten ausländischen Unterstützer des libyschen Generals, die
       Notbremse gezogen. Er zitierte Haftar und den zweiten starken Mann in
       dessen Lager, den Sprecher des Parlaments Aguila Saleh, nach Kairo. Am
       Samstag traten sie zu dritt in der ägyptischen Hauptstadt bei einer
       Pressekonferenz vor die Öffentlichkeit und verkündeten die sogenannte
       Kairo-Initiative.
       
       Die beinhaltet zunächst einen einseitigen Waffenstillstand, der am
       Montagmorgen um sechs Uhr beginnen soll. [2][Dann soll ein Fahrplan für
       eine politische Lösung anvisiert werden]. In einem Präsidialrat sollen
       Vertreter aus beiden Lagern die Macht teilen. Dieser Rat soll die Geschicke
       des Landes für eine Übergangsperiode von 18 Monaten lenken, bevor es dann
       Wahlen geben soll. Die staatlichen Institutionen sollen in dieser Zeit
       vereint werden.
       
       ## Haftars Bündnis ist zerbrochen
       
       Das sind Ideen, die teilweise aus früheren Verhandlungen, etwa bei der
       Libyen-Konferenz in Berlin letzten Januar, kolportiert worden sind. Mit dem
       Unterschied, dass diese Initiativen immer daran gescheitert waren, dass
       Haftar sie abgelehnt hatte. Erst letzten April hatte Haftar das von der UNO
       2015 ausgehandelte Machtteilungsabkommen, auf dessen Grundlage die
       Regierung in Tripolis amtiert, endgültig für null und nichtig erklärt.
       
       Dabei wurden aber erste Risse im Machtgefüge im Osten des Landes deutlich.
       Während Haftar bei seiner unnachgiebigen Linie blieb, streckte
       Parlamentschef Aguila Saleh vorsichtig die Hände Richtung Westen aus und
       bot bereits eine ähnliche politische Initiative an, wie sie nun in Kairo
       verkündet wurde. Damals wurde über einen möglichen Coup im Haftar-Land
       gemunkelt. Dass Saleh auf der Pressekonferenz in Kairo übrigens vor Haftar
       sprach, ist aufmerksamen Beobachtern nicht entgangen.
       
       Die Regierung in Tripolis geht auf die Kairoer Initiative bisher nicht ein.
       Wer sich auf der Siegerstraße fühlt, wie einst Haftar, ist nicht unbedingt
       daran interessiert, die bewaffnete Auseinandersetzung schnell zu beenden.
       
       Wie es jetzt weitergeht, hat wahrscheinlich weniger mit den beiden
       libyschen Machtblöcken zu tun als mit deren auswärtigen Unterstützern. Denn
       klar ist: Die militärischen Erfolge der Regierung in Tripolis sind vor
       allem der Türkei geschuldet. Vor allem türkische Angriffsdrohnen wendeten
       das militärische Blatt. Andererseits hätte Haftar seine Offensive gegen
       Tripolis gar nicht ohne ägyptische und russische Militärhilfe und ohne
       umfangreiche Waffenlieferungen aus den Arabischen Emiraten beginnen können.
       
       ## Der Schlüssel liegt in Moskau und Ankara
       
       Mit den Erfolgen der Türkei war Russland in den letzten Wochen
       offensichtlich nervös geworden und hatte Kampfjets von Syrien in den
       Ostteil Libyens verlegen lassen. Damit hat Russland, das ohnehin schon
       [3][hunderte von Söldnern auf der Seite Haftars] in den Konflikt geschickt
       hat, sein Engagement in Libyen erhöht. Wird der russische Präsident
       Wladimir Putin Haftar retten, so wie er das zuvor mit Baschar al-Assad in
       Syrien getan hat? Oder setzen Russland und Ägypten auf Aguila Saleh und
       lassen Haftar fallen, um zu retten, was zu retten ist?
       
       Wahrscheinlich ist, dass Russland und die Türkei unter sich ausmachen, wie
       es in Libyen weitergeht. Ein ähnliches Manöver haben sie schon einmal in
       Syrien vorgeführt, als sie miteinander vereinbarten, wo zwischen dem
       Assad-Regime und den Rebellen in Idlib eine Linie gezogen wird.
       
       Auch diesmal könnten sie miteinander ausmachen, wie weit sie die Truppen
       aus Tripolis vorrücken lassen, mit türkischer Unterstützung, ohne dass sie
       von russischen Kampfjets angegriffen werden. Auch der Einsatz der
       ägyptischen Luftwaffe wäre denkbar, um die Milizen aus dem Westen
       aufzuhalten.
       
       Wenn diese Linie gezogen ist, kommt Libyen vielleicht tatsächlich erstmals
       seit Jahren zu einer relativen Ruhe. Vielleicht beginnt dann endlich der
       politische Prozess, das Land zu befrieden. Dabei gibt es aber unzählige
       Stolpersteine aus dem Weg zu räumen. Doch eines ist sicher: Sowohl die
       Türkei als auch Russland haben sich mit ihrem militärischen Engagement in
       Libyen einen wichtigen Platz am Verhandlungstisch erobert.
       
       8 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Krieg-um-Libyens-Hauptstadt-beendet/!5687739
 (DIR) [2] /Krieg-in-Nordafrika/!5682847
 (DIR) [3] /Krieg-in-Libyen/!5668759
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim El-Gawhary
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Recep Tayyip Erdoğan
 (DIR) Wladimir Putin
 (DIR) Türkei
 (DIR) Russland
 (DIR) Abdel Fattah al-Sisi
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
 (DIR) Schwerpunkt Libyenkrieg
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Krieg um Libyens Hauptstadt beendet: Durchatmen und durchladen
       
       Die regierungstreuen Milizen in Tripolis feiern ihren Sieg über die
       Haftar-Rebellen. Nun tobt die nächste Schlacht: um Gaddafis Heimatort
       Sirte.
       
 (DIR) Massaker in Libyen: Miliz tötet mehr als 30 Migranten
       
       Weil sie sich gegen ihre Folterknechte gewehrt hatten, wurde eine Gruppe
       entführter Migranten ermordet. Das Verbrechen wird wohl ungesühnt bleiben.
       
 (DIR) Haftars Niederlage in Libyen: Die Söldner ziehen ab
       
       Über 1.000 Russen und Syrer verlassen die Kriegsfront im Westen Libyens.
       Haftars Belagerung der libyschen Hauptstadt geht zu Ende.