# taz.de -- Buch über Füchse in Großbritannien: Unsere wilden Nachbarn
       
       > Füchse haben die Stadt als Lebensraum für sich entdeckt. Die britische
       > Ökologin Adele Brand hat ein lesenswertes Buch über sie geschrieben.
       
 (IMG) Bild: Ich seh’ nur Dich, Du schlauer Fuchs, und darin liegt die ganze Crux!
       
       Der Fuchs ist kein Eindringling in unsere Welt“, schreibt Adele Brand.
       „Vielmehr haben wir […] eine Landschaft, die ihm seit Langem vertraut ist,
       grundlegend verändert.“ Füchse werden in Großbritannien regelmäßig zum
       Kampfthema. Das Verbot der Fuchsjagd, bei der die Tiere von einer
       Hundemeute gleichsam zu Tode gehetzt werden, ist seit 2004 in Kraft, musste
       aber gegen große Widerstände durchgesetzt werden.
       
       Und kaum dass darüber nicht mehr gestritten werden konnte, wurde ein neues
       Diskussionsfeld eröffnet. Überall haben Füchse die Stadt als Lebensraum für
       sich entdeckt. Und offenbar gibt es in Großbritannien deutlich mehr
       Menschen, die sich daran stören, als anderswo. Adele Brand erzählt von
       einer Umfrage über die Einstellung zu Füchsen, die sie und ein Kollege
       unter 2.000 zufällig ausgewählten Personen durchführen ließen. 25 Prozent
       der Befragten „drückten massive Ablehnung aus“, schreibt Brand.
       
       Unter den EinwohnerInnen Londons seien es sogar 33 Prozent gewesen
       (darunter mehr Männer als Frauen). Die Idee zu der Studie war nicht von
       ungefähr gekommen. In Großbritannien ist man vielerorts dazu übergegangen,
       Füchse im städtischen Raum gezielt zu töten, um ihre Anzahl zu dezimieren.
       
       Auch Boris Johnson als Londoner Bürgermeister warf sein politisches Gewicht
       dafür in die Waagschale. Adele Brand erklärt in ihrem Buch unter anderem,
       warum das nichts bringt und dass es die in den Medien behauptete
       Überpopulation von Füchsen auch gar nicht gibt. Mittlerweile sind die
       Fuchsbekämpfungsprogramme in vielen britischen Kommunen offenbar auch
       wieder von der Agenda verschwunden.
       
       ## FuchsfreundInnen und FuchshasserInnen
       
       Solche Informationen sind ein interessanter impliziter Nebeneffekt der
       Lektüre. Selbstverständlich hat die Ökologin und Wildtierforscherin Adele
       Brand eigentlich kein Buch über das Verhältnis der britischen Bevölkerung
       zu Wildtieren geschrieben, wohl aber beim Verfassen von „Füchse – Unsere
       wilden Nachbarn“ diese Bevölkerung als Zielgruppe im Sinn gehabt.
       
       Und so geht ganz nebenbei aus ihrem Buch eben auch hervor, dass heute
       zwischen britischen FuchsfreundInnen und FuchshasserInnen womöglich
       derselbe tiefe Graben verläuft wie zuvor zwischen GegnerInnen und
       BefürworterInnen der Fuchsjagd.
       
       Brands Buch ist aber nicht in erster Linie als Fuchsapologetik, sondern vor
       allem als Crashkurs in Sachen Fuchskunde gedacht – und als eine manifeste
       Verlängerung ihres Blogs „A Walk with Wildlife“, auf dem sie schon viel
       über Füchse geschrieben sowie Fuchsbilder veröffentlicht hat.
       
       Der Crashkurs umfasst zunächst eine Übersicht über die Kriterien der
       biologischen Einordnung der Füchse, die zu den Hundeartigen gehören, aber
       im Gegensatz zu Hunden und Wölfen auch ein paar Eigenschaften besitzen, die
       sie mit Katzen teilen, und über die kulturelle Rezeption des Fuchses.
       Dieser Teil fällt recht knapp aus, was schade ist. Als interessanter
       Hinweis bleibt hängen, dass die mythologische Gestalt des Kitsune, des
       Fuchses in der traditionellen japanischen Bildwelt, heute von modernen
       Manga- und Animekünstlern fortgeschrieben wird.
       
       ## Von Wölfen, Elstern und Wühlmäusen
       
       Weitere Kapitel behandeln die verschiedenen Aspekte der Frage „Was macht
       der Fuchs?“. Ernährungsgewohnheiten, Sozialverhalten, Lebenswelten,
       Aussehen, Lautäußerungen, Krankheiten werden anschaulich beschrieben – und
       immer wieder das Verhältnis des Fuchses zu anderen Spezies thematisiert,
       sei es der Mensch, der Wolf, die Elster oder die Wühlmaus. Als Ökologin
       betrachtet Brand größere biologische Zusammenhänge. Entspannt erklärt sie
       viele Vorurteile weg, die Füchsen gegenüber kursieren.
       
       Immer noch werde gegen Füchse häufig das Tollwutargument angeführt,
       schreibt sie – und das, obwohl die Tollwut in Großbritannien seit 1922 als
       ausgerottet gelte. (Deutschland wurde 2008 für tollwutfrei erklärt.) Dass
       Füchse, wenn sie einen Hühnerstall überfallen, sehr oft mehr Tiere töten,
       als sie fressen können, werde ihnen ebenfalls vorgehalten.
       
       Zum einen, erklärt Brand dazu, seien solche sogenannten Surplus Killings
       bei fleischfressenden Jägern weit verbreitet. Im Übrigen hat der Fuchs
       einen sehr kleinen Magen. Er ist auf Vorratshaltung angewiesen und pflegt
       getötete Beute zu verstecken.
       
       ## Gegen Räude, dafür mit Wurst
       
       Wo möglich, lässt die Autorin Erzählungen aus ihrem eigenen Erleben mit
       Füchsen einfließen. Dazu gehörten Tiere, denen geholfen werden musste, weil
       es sich um verwaiste Junge handelte, oder solche, die medizinisch gegen
       Räude (weil ansteckend) behandelt werden mussten.
       
       Und wenngleich sie Verständnis für die Begeisterung von TierfreundInnen
       erkennen lässt, die zutrauliche Füchse in ihren Gärten mit Wurst füttern,
       macht sie gleichzeitig durch ihre eigenen Erfahrungsberichte deutlich, dass
       Füchsen wie Menschen auf lange Sicht mehr damit geholfen ist, wenn man
       Füchse als wilde Tiere betrachtet und Distanz wahrt.
       
       Abschließend gibt die Expertin noch viele handfeste Tipps zur
       Wildtierbeobachtung, einschließlich der Wahl der richtigen Kamera. Und
       wiederholt nochmals die goldene Beobachtungsregel: „Falls Ihre Anwesenheit
       bewirkt, dass ein Tier sein Verhalten ändert, sind Sie zu nah.“
       
       22 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Granzin
       
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