# taz.de -- Diskriminierung bei Dating-Apps: Rassistischer Fetisch
       
       > Dating-Apps führen fragwürdige Kategorien, um den passenden Typ zu
       > ermitteln. Besser wäre es, wenn Menschen ihr Begehren laufend
       > hinterfragen.
       
 (IMG) Bild: Typ Mann mit großer Uhr
       
       Eine Zeit lang dachte ich, ich stehe auf breit und bullig, dann war ich
       sicher, mein „Typ“ seien kleine Schmale, zwischendurch mussten sie ganz
       dolle männlich sein, dann ein bestimmtes Alter haben. Manche Freund*innen
       wünschen sich große Partner*innen, andere wollen auf keinen Fall jemand
       Blondes.
       
       Alles nicht besonders erwachsen, finde ich. Es fühlt sich nach einem Behelf
       an, um das große unergründliche eigene Begehren klein und greifbar zu
       halten. Der „Typ“ ist ein [1][Fetisch], aber keiner, durch den der Spaß
       größer wird. Im Gegenteil.
       
       Solange man derlei für sich behält, schadet man aber wenigstens nur sich
       selbst. Fies wird es, wenn man seine Liebesbegrenzungen herumtrötet, sodass
       sich Leute abgewertet fühlen. Und noch schlimmer wird’s, wenn dieses
       Herumgetröte dann auch noch rein zufällig übereinstimmt mit
       gesellschaftlichen Abwertungsmustern. Und man trotzdem meint, erklären zu
       müssen: Man stehe nun mal nicht auf Dicke, nicht auf feminine respektive
       maskuline Typen oder nicht auf diese oder jene Hautfarbe. Hab ich übrigens
       auch alles schon gedacht – hat mir letztlich selbst geschadet.
       
       Ein Klassiker sind Ausschlussklauseln, die gern auf Dating-Apps ins Profil
       geschrieben werden. „Keine Dicken, keine … [hier Rassismus einsetzen].“ Als
       ginge es nicht um einen Haufen Kontaktanzeigen voller mäßiger
       Spiegelselfies, sondern um die Vorauswahl eines Schönheitswettbewerbs der
       frühen Nachkriegszeit. Obendrein bieten [2][viele Dating-Apps] einen
       „Filter“ an: nicht nur nach Gewicht, Alter und (bisweilen) Schwanzgröße,
       sondern auch nach „Ethnie“.
       
       ## Rassistischer Fetisch
       
       Die Dating-App Grindr hat kürzlich angekündigt, Letzteres als Suchoption
       abzuschaffen. Andere wollen die „Ethnie“ behalten, zum Beispiel OKCupid und
       Planetromeo. [3][Romeo begründet das zum einen damit], dass Nutzer*innen,
       wenn sie denn filtern, meist nach anderen „Ethnien“ suchten als der
       eigenen. Und man redet sich ein, das liege daran, dass Leute ihren Horizont
       erweitern wollten.
       
       Die naheliegende Erklärung, [4][rassistischer Fetisch], scheint niemandem
       eingefallen zu sein. Zum anderen argumentiert man, dass sexuelle Vorlieben
       nicht zu „verleugnen“ seien. Kluger Spin von der vorwiegend schwulen App:
       Wir wollen nun mal auch zum Schwulsein stehen dürfen. Und zur eigenen
       Dickenfeindlichkeit et cetera stehen zu dürfen ist schließlich genau
       dasselbe. Nicht wahr?
       
       Ich persönlich wünsche mir ja, dass Menschen ihr Begehren laufend
       hinterfragen und updaten – jedenfalls da, wo es einem nicht wehtut.
       Ansonsten soll meinetwegen niemand gezwungen werden, mit einer
       Menschengruppe Sex zu haben, mit der er*sie partout nicht will. Aber man
       braucht dafür keine Ermunterung und schon gar keine Suchmaschine. Und ja,
       ich weiß: Man sieht am Ende auf dem Foto ohnehin, ob jemand dick, dünn,
       Schwarz oder weiß ist. Richtig. Aber dann sehe ich wenigstens, wen ich
       aussortiere – und kein Algorithmus befreit mich davon.
       
       25 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Psychopathologisierung-des-Begehrens/!5628030
 (DIR) [2] /Datenhandel-mit-Dating-Apps/!5652549
 (DIR) [3] https://www.planetromeo.com/de/care/anti-discrimination-statement/
 (DIR) [4] /Fetisch-und-Rassismus/!5694662
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Weissenburger
       
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