# taz.de -- Bilanz zum Homeoffice in Coronazeiten: Nur noch montags ins Büro
       
       > Das Arbeiten im Homeoffice hat die Produktivität nur in jedem zehnten
       > Betrieb gesteigert. Viele Beschäftigte wollen einen Mix aus Heim- und
       > Büroarbeit.
       
 (IMG) Bild: Geht schon mal drunter und drüber im Homeoffice
       
       BERLIN taz | Der Mann hatte Humor. Beim virtuellen Meeting in der Firma
       ließ er den himmelblauen Hintergrund der ARD-Tagesschau einblenden und
       setzte sich im Anzug davor, um sich im Nachrichtensprecher-Look mit den
       KollegInnen auszutauschen.
       
       „Das war eine kreative Lösung“, sagt Thorsten Urbanski, Sprecher von Eset
       Internet Security, über seinen Kollegen. In dem internationalen
       Software-Unternehmen, das Sicherheitssoftware anbietet und Niederlassungen
       in München und Jena betreibt, arbeiteten während der Coronakrise
       zwischenzeitlich rund zwei Drittel der rund 100 MitarbeiterInnen im
       [1][Homeoffice]. Jetzt stellt sich die Frage, wie es weitergeht. „Es wird
       eine Neustrukturierung geben“, sagt Urbanski.
       
       Über diese Neustrukturierung denkt man in Tausenden Unternehmen nach. Die
       Hälfte der Beschäftigten, die in privatwirtschaftlichen Betrieben mit mehr
       als 50 Mitarbeitern tätig sind und digitale Informationstechnologien
       nutzen, arbeitete im April oder Mai zumindest zeitweise im Homeoffice, geht
       aus einer am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung des Instituts für
       Arbeitsmarkt- und Berufsforschung [2][(IAB)] hervor. Dabei wechselten
       Frauen häufiger ins Homeoffice als Männer, was auch damit zu tun hat, dass
       Frauen häufiger im Büro und Männer mehr in der Produktion tätig sind.
       
       Doch wie viel Heimarbeit soll man nun beibehalten, wenn die Coronakrise
       abklingt? Und: Arbeiten die KollegInnen nun besser oder schlechter im
       Heimbüro?
       
       ## Wenig Erfahrung mit virtuellen Teams
       
       In einer noch unveröffentlichten Umfrage, von Eset beim
       Meinungsforschungsinstitut YouGov Deutschland in Auftrag gegeben, erklärten
       von 405 Unternehmen, deren MitarbeiterInnen coronabedingt im Homeoffice
       waren, nur 10 Prozent, dass die Produktivität durch die Heimarbeit
       gestiegen sei. 31 Prozent der Firmenleitungen gaben an, die Produktivität
       habe abgenommen. 57 Prozent teilten mit, die Produktivität sei gleich
       geblieben.
       
       Dabei müsse man allerdings sehen, dass die Rahmenbedingungen für das
       Homeoffice in vielen Unternehmen zu Beginn der Coronakrise schwierig waren,
       sagt Urbanski. Oft war die Hardware der Mitarbeiter für das Homeoffice
       nicht optimal, manchmal waren die Internetverbindungen nicht schnell genug.
       Die Firmen mussten erst lernen, dezentral arbeitende Teams zu steuern, so
       Urbanski. Und wenn dann auch noch die unbeschulten Kinder zu Hause bei den
       MitarbeiterInnen herumtobten, sah es schlecht aus mit der Produktivität.
       
       Bei der Firma [3][Sevdesk] in Offenburg, einem Software-Dienstleister, sei
       die Produktivität durch das verstärkte Arbeiten im Homeoffice gestiegen,
       sagt Personalleiter Thomas Schnell. Nach dem Höhepunkt der Coronakrise
       kehrten von 100 MitarbeiterInnen bisher nur 10 bis 15 KollegInnen wieder
       ins Büro zurück. „Das sind Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen, die zu Hause
       keinen ruhigen Arbeitsort haben, also etwa in einer Wohngemeinschaft oder
       mit Kindern auf engem Wohnraum leben. Die brauchen das Büro als
       Rückzugsraum“, sagt Schnell.
       
       ## Die Kinderbetreuung muss geklärt sein
       
       Dass das Büro zum Rückzugsort werden kann, wenn zu Hause kein Arbeitsraum
       zur Verfügung steht, und die Kinder Aufmerksamkeit brauchen, ergibt sich
       auch aus einer Umfrage der Jobplattform [4][hokify.] Danach klagten Frauen
       im Homeoffice doppelt so oft über die Unvereinbarkeit von Job und Familie
       als Männer – ein Beleg dafür, dass die Heimarbeit zum reinen Stress wird,
       wenn [5][die Frage der Kinderbetreuung] nicht geklärt ist.
       
       Mit Freiheit oder Freizeit hat das Homeoffice also nichts zu tun. In einer
       Studie des gewerkschaftsnahen [6][WSI-Instituts] kamen die Sozialforscher
       zu dem Schluss, dass „die Qualität und die Formalisierung des Arbeitens zu
       Hause“ eine wichtige Rolle dabei spielen, ob Beschäftigte mit der
       Heimarbeit zurecht kommen oder nicht.
       
       In dem Unternehmen Sevdesk, deren Beschäftigte eine
       Online-Buchhaltungssoftware für Firmen entwickeln und vertreiben, arbeiten
       die Teams weitgehend eigenständig. Jedes Team aus fünf bis zehn
       Beschäftigten legt anhand der Strategie seine Ziele eigenhändig fest und
       überprüft diese auch selbst. Jeden Morgen und Abend treffen sich die Teams
       in virtuellen Meetings, um darüber zu sprechen, was am heutigen Tag anliegt
       und was man gestern geschafft hat. Die Anbindung sei virtuell, aber
       persönlich nah, sagt Schnell.
       
       Niemand soll sich im Homeoffice als EinzelkämpferIn fühlen, aber es gibt
       eben auch eine Überprüfbarkeit der Leistung und keiner kann auf
       irgendwelche lange Anwesenheitszeiten im Büro verweisen, um die Bedeutung
       der eigenen Arbeit herauszustellen.
       
       ## Büro als Heimat
       
       Die meisten Beschäftigten wollen auf das heimelige Bürogefühl nicht ganz
       verzichten. Nur 8 Prozent der MitarbeiterInnen können sich ein Arbeitsleben
       ohne festen Arbeitsplatz im Firmengebäude vorstellen. 29 Prozent der
       Beschäftigten wollen mindestens einen Tag in der Woche von zu Hause aus
       arbeiten. 31 Prozent wollen flexibel entscheiden können, ob sie im Heimbüro
       oder in der Dienststelle tätig sind. Dies ergab eine andere
       [7][Eset-Studie] vom April mit rund 2.000 Befragten.
       
       Bei Eset, wo die Produktivität dank Homeoffice gestiegen sei, kehrte
       inzwischen in einigen Abteilungen etwa die Hälfte der MitarbeiterInnen
       wieder ins Büro zurück, sagt Urbanski. Dort und bei Sevdesk können die
       KollegInnen selbst entscheiden, ob und wann sie ins Büro zurückkommen
       wollen oder nicht. Wer lange Fahrtzeiten ins Büro hat und jeden Tag zwei
       Stunden im Stau oder in überfüllten Bahnen verbringen muss, für den ist das
       Homeoffice besonders attraktiv.
       
       ## Firmen sparen Büromiete
       
       Firmen liebäugeln damit, ob sich durch verstärktes Homeoffice nicht
       Bürofläche sparen ließe. In der [8][New York Times] kündigten Unternehmen
       an, ihre Büroflächen im sündhaft teuren Manhattan zu reduzieren, wenn Teile
       der Belegschaft jetzt auch nach Corona den größten Teil der Arbeit zu Hause
       erledigen und MitarbeiterInnen nur noch an wenigen Tagen in der Woche an
       einen gemeinsam genutzten Schreibplatz in die Firma kommen. Auch bei
       Sevdesk sieht man diesen Vorteil des Homeoffice. „Das nimmt uns den Druck,
       zusätzliche Büroflächen suchen zu müssen, wenn wir weiter personell
       expandieren“, sagt Schnell.
       
       Ein grundsätzliches Recht der MitarbeiterInnen auf Homeoffice wollen viele
       Arbeitgeber aber nicht. Dies betonte die Bundesvereinigung der Deutschen
       Arbeitgeberverbände in Antwort auf Bundesarbeitsminister Hubertus Heil
       (SPD), der ein solches „[9][Recht auf Homeoffice“] einführen will. Ein
       Gesetzentwurf dazu soll im Herbst kommen. Aber der Arbeitgeber könnte dann,
       so der Plan, immer noch betriebliche Belange anführen, warum das nicht
       geht.
       
       25 Jun 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Von-zu-Hause-arbeiten/!5681075
 (DIR) [2] https://www.iab.de/de/informationsservice/presse/presseinformationen/kb1320.aspx
 (DIR) [3] https://sevdesk.de/
 (DIR) [4] https://blog.personal-manager.at/2020/06/15/frauen-koennen-familie-und-beruf-in-corona-krise-schlechter-vereinbaren/
 (DIR) [5] /Vorteile-des-Homeoffice-fuer-Eltern/!5679419
 (DIR) [6] https://www.boeckler.de/de/pressemitteilungen-2675-bessere-vereinbarkeit-durch-homeoffice-nur-wenn-arbeitgeber-und-vorgesetzte-die-richtigen-21392.htm
 (DIR) [7] https://www.eset.com/de/about/presse/pressemitteilungen/pressemitteilungen/corona-effekt-68-prozent-der-beschaeftigten-wollen-nach-der-krise-nicht-dauerhaft-zurueck-ins-buero/
 (DIR) [8] https://www.nytimes.com/2020/05/12/nyregion/coronavirus-work-from-home.html
 (DIR) [9] https://www.bmas.de/DE/Presse/Interviews/2020/2020-04-30-redaktionsnetzwerk-deutschland.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Barbara Dribbusch
       
       ## TAGS
       
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