# taz.de -- Gastronomie wieder geöffnet: Der ganz normale Trubel!?
       
       > Anfang Mai traf die taz drei Gastronomen in ihren leeren Restaurants.
       > Mitte Mai sprachen wir sie dann kurz vor der Wiedereröffnung. Wie läuft
       > es nun?
       
 (IMG) Bild: Mario Dzeladini, Inhaber des italienischen Restaurants „Firenze“ in Pankow
       
       BERLIN taz | Vor dem kleinen Restaurant Osmans Töchter in der Pappelallee
       in Prenzlauer Berg sieht es an einem hellen Freitagabend im Juni ähnlich
       belebt und lustig aus, wie es an einem Freitagabend im Juni 2019 ausgesehen
       hat. Gut: Die Tische stehen seltsam weit voneinander entfernt, aber dafür
       stehen sie überall: auf dem Bürgersteig, im Durchgang des Hauses in den
       Innenhof, auch im Innenhof selbst. Überall sitzen Gäste bei einem kühlen
       Getränk, unterhalten sich angeregt, warten auf ihre bunten türkischen
       Tortellini oder ihren Fenchelsalat mit Granatapfel.
       
       Mit viel Schwung betritt Arzu Bulut, eine der beiden Inhaberinnen, ihr
       Restaurant für moderne türkische Küche. „Ja, es fühlt sich fast wieder an
       wie früher“, strahlt die resolute Frau und springt gleich noch einmal auf,
       um draußen zu telefonieren. „Nur die Umsätze, die haben leider noch nichts
       mit den Umsätzen zu tun, die wir im letzten Juni hatten“, fügt sie an, als
       sie wieder am Tisch ist.
       
       Wie viele RestaurantbesitzerInnen in Berlin derzeit beschreibt auch Arzu
       Bulut, wie schwer es in den ersten zwei Wochen nach der Wiedereröffnung
       Mitte Mai war. Die Menschen waren zunächst vorsichtig, hinzu kam die
       Sperrstunde, die erst am 10. Juni aufgehoben wurde.
       
       Bulut wirkte beim letzten Gespräch Mitte Mai mehr als skeptisch, fuhr nach
       der Wiedereröffnung der anderen GastronomiebetreiberInnen zunächst einmal
       viel mit dem Rad herum, öffnete erst eine Woche später ihr Restaurant in
       Prenzlauer Berg und die Filiale in Charlottenburg. In den letzten beiden
       Wochen hingegen lief es besser. „Wir nutzen jetzt mal den Sommer“, sagt
       Bulut voller Hoffnung. „Auch wenn die Umsätze nach wie vor maximal bei 60
       Prozent liegen.“
       
       ## Mundschutz mit Firmenlogos
       
       So oder so ähnlich sieht das auch Mario Dzeladini, Inhaber des
       italienischen Restaurants Firenze in der Pankower Florastraße, wo sich
       ebenfalls in diesen sonnigen Tagen das Leben auf den beiden großen
       Terrassen abspielt. Noch darf der große Parmesankäse für die legendäre
       Pasta „al Tartufo e Parmigiano“ nicht auf dem Teewagen von Tisch zu Tisch
       geschoben werden, noch tragen die KellnerInnen Mundschutz mit Firmenlogos –
       aber abgesehen davon ist hier der ganz normale Trubel ausgebrochen, den man
       vom Firenze kennt.
       
       Anders als noch vier Wochen wirkt Dzeladini weniger verzweifelt denn
       beschwingt. Der stattliche Mann mit dem Bariton eines Opernsängers ist in
       Mazedonien aufgewachsen und seit 1980 in Berlin. „Ich habe von ganz unten
       angefangen“, sagt er. Genau vor zwanzig Jahren hat er sich hier
       selbstständig gemacht. „Meine Mitarbeiter: Sie sind meine Familie“, sagt
       er. „Ich bin froh, dass ich die meisten von ihnen ins Restaurant
       zurückholen konnte.“ Dzeladini freut sich auf den Sommer – und dass er eher
       auf Kunden aus dem Kiez denn als auf Touristen angewiesen ist. „Trotzdem
       komme ich im Juni maximal auf zwei Drittel des Umsatzes in normalen
       Zeiten.“
       
       Die Berliner Restaurants sind – so sie nicht schon aufgegeben haben – also
       längst nicht raus aus der Gefahrenzone. Erst letzte Woche vermeldete der
       Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga), die Branche befinde sich
       in der „größten Krise der Nachkriegszeit“ und mahnte weitere staatliche
       Hilfen an. „Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das
       Gastgewerbe sind verheerend“, sagte Präsident Guido Zöllick.
       
       Nach aktuellen Zahlen der Dehoga Berlin haben zwar 91 Prozent der Betriebe
       in dieser Stadt wieder geöffnet, aber 39 Prozent verzeichnen seit der
       Wiedereröffnung Umsatzeinbußen von über 75 Prozent im Vergleich zum
       Vorjahr. Bei drei von vier Betrieben hätten sich die Umsatzerwartungen nach
       den Corona-Schließungen nicht erfüllt, 89 Prozent der UnternehmerInnen
       gaben an, dass eine Wirtschaftlichkeit derzeit nicht gegeben sei.
       
       ## Arzu Bulut hofft auf einen Zuschuss
       
       Die Kneipen, Bars, Restaurants und Cafés hatten in Berlin ab 22. März mit
       Ausnahme von Abhol- und Lieferservices geschlossen. Seit Mitte Mai wurden
       die Einschränkungen nach und nach wieder gelockert. Ab 1. Juli soll die
       Branche bundesweit mit einer vorübergehenden Senkung des
       Mehrwertsteuersatzes unterstützt werden. Aus einem gemeinsamen Schreiben
       der Bundesminister Altmaier und Scholz geht hervor, dass ab 1. Juli
       Unternehmen für die Monate Juni bis August 2020 einen Zuschuss zu den
       betrieblichen Fixkosten erhalten werden, wenn ihr Umsatz in den Monaten
       April und Mai 2020 um mindestens 60 Prozent gegenüber den Vormonaten
       eingebrochen ist.
       
       Auf diesen Zuschuss hofft Arzu Bulut vom Restaurant Osmans Töchter, hofft
       Mario Dzeladini vom Restaurant Firenze und hofft auch Mengling Tang, die
       Inhaberin des gehobenen chinesischen Restaurants Peking-Ente in Mitte, das
       sich in einem der DDR-Wohnblöcke aus den achtziger Jahren in der Voßstraße
       befindet. Auch Tang musste trotz Umsatzeinbußen die Mehrkosten für die
       aufwendigen Hygieneregeln tragen. Und: Ab 1. Juli wird sie nach und nach
       drei Monatsmieten abstottern müssen, die ihr den gesetzlichen Vorgaben
       entsprechend gestundet wurden.
       
       Das „Peking-Ente“ ist riesig, direkt am U-Bahnhof Mohrenstraße, zwischen
       britischer Botschaft und Finanzministerium. Tang schuldet ihrem privaten
       Vermieter einen mittleren fünfstelligen Betrag. Die Frau, die in Peking
       aufgewachsen ist, eine freundliche, eine fröhliche Person, begrüßt während
       des Gesprächs immer wieder überschwänglich Stammkunden, ist mit vielen per
       du. Einige von ihnen beliefert sie seit der Coronakrise persönlich.
       
       Tang kämpft mit vollem Einsatz. Ihre Eltern sind nach Deutschland gekommen,
       als 1989 in Peking die Demokratiebewegung niedergeschlagen wurde. Das
       Restaurant, das sie von ihnen übernahm, ist ihr Lebenswerk. Auch wenn sie
       inzwischen alle Mitarbeiter wieder beschäftigen kann, auch wenn die Gäste
       auf der Terrasse wieder so munter wirken wie je: Sie macht sich trotzdem
       Sorgen. „Einen zweiten Lockdown würde ich nicht überstehen.“
       
       24 Jun 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Messmer
       
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