# taz.de -- Rollstuhlfahrer*innen in Hamburg: Endstation Neugraben
       
       > Die Innenstadt ist für Menschen im Rollstuhl wegen Bauarbeiten und
       > kaputten Fahrstühlen mitunter unerreichbar. Verantwortlich sein will dann
       > niemand.
       
 (IMG) Bild: Barrierefreiheit: In dieser neueren Haltestelle sieht es gut aus – doch vielerorts gibt es Probleme
       
       HAMBURG taz | Jonas Technau kommt nicht weit. Will er mit den öffentlichen
       Verkehrsmitteln Richtung Hamburg, endet die Fahrt für ihn momentan in
       Neugraben. Grund hierfür ist eine Baustelle an der Bahnstrecke zwischen
       Buxtehude und Neugraben − und der Umstand, dass am Bahnhof Neugraben alle
       vorhandenen Fahrstühle außer Betrieb sind. Gleiswechsel sind also
       unmöglich, wenn man im Rollstuhl sitzt, wie Technau.
       
       „Wie kann man eine Baustelle planen, ohne sich Gedanken zu machen, dass
       auch Menschen mit Behinderungen von A nach B kommen müssen?“, fragt
       Technau. Der 35-Jährige fährt häufig nach Hamburg, doch Termine musste er
       seit dem 18. Juli bis zum morgigen Freitag absagen. Solange wird noch
       gebaut.
       
       „Alle reden immer von Teilhabe und Inklusion, aber so funktioniert das
       nicht“, sagt er. Technau hat versucht, sich zu informieren und zu
       beschweren, sei aber lediglich rumgereicht und vertröstet worden. „Deutsche
       Bahn, HVV und Stadt schieben die Verantwortung von einem zum anderen“,
       lautet das Fazit aus seinen Bemühungen.
       
       Auf taz-Anfrage heißt es bei der S-Bahn und dem HVV, die Instandhaltung der
       Fahrstühle in Neugraben liege in der Verantwortung der Stadt. Der momentane
       Zustand sei „bedauerlich“, man nehme die Anliegen von Menschen mit
       Behinderung sehr ernst.
       
       „Mobilitätseingeschränkte Fahrgäste sind für uns eine wichtige
       Kundengruppe“, sagt eine Bahnsprecherin. Und es gebe ja Möglichkeiten. Im
       Fall der Baustelle zwischen Buxtehude und Neugraben könnten man sich „bei
       Fahrtantritt an unsere Lokführer wenden“, die könnten dann so in Neugraben
       einfahren, dass ein Gleiswechsel nicht nötig sei.
       
       Das Problem mit den Aufzügen am Bahnhof Neugraben besteht schon länger,
       immer wieder fallen die Fahrstühle aus. Das geht aus einer kleinen Anfrage
       des Abgeordneten André Trepoll (CDU) hervor. Besserung sei in Sicht − der
       Senat teilt mit, dass die Unterquerung erneuert und ein zusätzlicher Aufzug
       gebaut werde. Bis 2022 soll der ÖPNV in Hamburg barrierefrei sein. Laut dem
       HVV sind aktuell gut 80 Prozent der U-Bahn- und S-Bahn-Haltestellen
       barrierefrei ausgebaut, Regionalbahnhöfe zu knapp 90 Prozent.
       
       „Die Situation in Hamburg für Menschen mit Behinderungen ist schon viel
       besser geworden“, sagt Cornelia Zolghadri von der Hamburger
       Landesarbeitsgemeinschaft für behinderte Menschen (LAG). Trotzdem gehen
       immer wieder Beschwerden ein, etwa über ausgefallene Fahrstühle oder im Weg
       stehende Baugerüste, mit denen blinde Menschen kollidieren. Die LAG leitet
       diese an verantwortliche Stellen weiter. In den meisten Fällen werde
       schnell gehandelt, sagt Zolghadri, manchmal dauere es aber auch länger.
       
       In den vergangenen Jahren wurde die Zusammenarbeit zwischen den Verbänden
       und der Stadt ausgebaut. Regelmäßig berät die Arbeitsgruppe „Barrierefreier
       ÖPNV im HVV“, außerdem hat im vergangenen Jahr das Kompetenzzentrum für ein
       barrierefreies Hamburg seine Arbeit aufgenommen. Neben den Bereichen
       Hochbau und Quartiersentwicklung beraten Experten die Stadt auch in Sachen
       Verkehrsplanung. Auch in die Gestaltung der neuen HVV-Station Ottensen hat
       sich das Kompetenzzentrum laut einem [1][Bericht der Hamburger Morgenpost]
       schon eingeschaltet. Kritisiert wird dort, dass der geplante Westeingang
       nur einen Aufzug habe.
       
       „Sackgassensituationen für Rollifahrer sind uns sehr gut bekannt“, sagt
       Cornelia Zolghadri. Lange Umwege und defekte Aufzüge führten natürlich zu
       Frust. „Deshalb wollen wir auch die Mitmenschen sensibilisieren“, sagt
       Zolghadri.
       
       Jonas Technau würde sich schon freuen, wenn sich die Verantwortlichen der
       S-Bahn mal bei ihm melden würden, so wie es ihm versprochen wurde. Ab
       Samstag sollen die Züge zwischen Buxtehude und Neugraben wieder fahren.
       Wann die Fahrstühle wieder laufen, ist allerdings noch nicht absehbar. Der
       HVV rät: Immer mal wieder online die Echtzeit-Auskunft über defekte Aufzüge
       checken und zur Not Umwege fahren.
       
       30 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mopo.de/hamburg/hamburgs-neue-bahnstation-hvv-haltestelle--noch-nicht-gebaut---und-schon-gibt-s-zoff--36967234
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Juliane Preiß
       
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