# taz.de -- Safari-Tourismus in Kenia: Die Tiere sind jetzt unter sich
       
       > Weil Corona den Tourismus einbrechen ließ, herrscht nun Stille im
       > beliebten Maasai-Mara-Nationalpark. Ein Segen ist das jedoch nur für die
       > Jagdtiere.
       
 (IMG) Bild: Satt und selig: drei der „fünf Musketiere“
       
       MAASAI MARA taz | Zu Zehntausenden überqueren grunzende Gnus die Grenze aus
       Tansania nach Kenia. Im kenianischen Maasai-Mara-Nationalpark gibt es in
       dieser Jahreszeit mehr Gras als in Tansania, wo die Gnus schon alles
       weggefressen haben. Rund 1,5 Millionen dieser Tiere wie auch einige
       Hunderttausend Zebras unternehmen zweimal im Jahr ihre saisonale 600
       Kilometer lange Wanderung.
       
       Normalerweise beobachten Touristenscharen dieses uralte Schauspiel, in
       Hunderten Geländewagen und Kleinbussen. Aber nicht dieses Jahr. Es stehen
       nur ein paar wenige Wagen beim Mara-Fluss, wo die Gnus und Zebras durch das
       tiefe Wasser schwimmen, in dem die Nilkrokodile auf Leckerbissen warten.
       
       Wegen des Coronavirus gibt es keine ausländischen Touristen, nur lokale
       Besucher. Die internationalen Flughäfen in Kenia waren monatelang gesperrt.
       Erst seit Samstag sind sie wieder für Personenflüge geöffnet – aber viele
       der 275 Touristenunterkünfte in und um den Park herum sind noch
       geschlossen.
       
       „So habe ich den Maasai Mara noch nie gesehen“, sagt Parkführer Simon
       Pariken. Der 31-Jährige hat sein ganzes Leben am Rande des Parkes
       verbracht. „Es hat Vorteile für die Tiere, aber auch Nachteile.“
       Selbstsicher steuert er den Geländewagen über verwachsene Pfade. Es ist
       schwer zu erkennen, wo sich ein großer Felsbrocken oder ein Stück Sumpf
       befindet. Der erfahrene Guide fährt jedoch bewusst im Zickzack durch das
       hohe Gras.
       
       ## Scheinbar schwangere Männchen
       
       Da liegen fünf Geparde mit ihrem hellgelben Fell, bedeckt mit runden
       schwarzen Flecken. Wenn ein Tier mühsam aufsteht, sieht es so aus, als ob
       es hochschwanger sei. Aber es ist ein Männchen. Sie haben offensichtlich
       gut gefressen.
       
       Die fünf Geparde sind alle Männchen, sie werden die „fünf Musketiere“
       genannt und sind dank vieler Videos und Recherchen mittlerweile
       weltberühmt. Normalerweise erwischt ein solitär lebender Gepard nur eine
       Impala-Gazelle, aber in der Gruppe können sie selbst ein Gnu erlegen.
       
       „Geparde werden oft während der Jagd gestört durch die Anwesenheit von
       Touristen“, erläutert Pariken. „Fahrzeuge blockieren manchmal ihren Weg
       oder erschrecken die Beute, die dann verschwindet. Vor Corona merkten wir,
       dass die Geparde oft um die Mittagszeit jagten, trotz der Mittagshitze, als
       die Touristen in ihren Unterkünften beim Mittagessen saßen. Jetzt gibt es
       kaum jemanden im Park und sie können ungestört jagen. Erfolgreich, wie man
       sehen kann.“
       
       Es ist relativ einfach, wilde Tiere in der offenen Savannenlandschaft des
       Maasai Mara zu entdecken: Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard. Jedes
       Jahr zieht der Park normalerweise etwa 300.000 Besucher an und oft gibt es
       Staus bei außergewöhnlichen Tieren.
       
       ## Schriller Falkenschrei
       
       Aber jetzt herrscht vor allem Stille. Nur der schrille Schrei eines
       Fahnenfalken ist zu hören. Eine halbe Stunde später hält Pariken bei einer
       Truppe schlafender Löwen. Die 24 Tieren bilden die sogenannte Schwarzer-
       Fels-Truppe. Die Raubtiere öffnen ihre Augen nicht mal, als das Auto neben
       ihnen anhält. „Sie sind mit Autos und Touristen aufgewachsen“, erklärt
       Pariken. Damit die Tiere bei der Rückkehr der Touristen nicht erschrecken,
       gibt die Parkverwaltung den jetzt arbeitslosen Parkführern gelegentlich
       Benzin für ihre Wagen, um durch den Park zu fahren.
       
       Pariken ist ein junger Maasai – das Hirtenvolk, das in dieser Region lebt.
       Aus Mangel an Arbeit kümmert er sich jetzt um seine Kühe. Viele
       Gleichaltrige haben aber keine Herde mehr. Sie arbeiten in Zeltlagern und
       Hotels im und um den Park. Sie investieren nicht mehr in Vieh. „Der Park
       hat unsere Kultur verändert. Diejenigen ohne Vieh bedauern das jetzt, weil
       sie ohne Einkommen nach Hause geschickt wurden.“
       
       Auch viele Maasai-Grundbesitzer um den Park herum, die ihr Land als
       Naturschutzgebiet vermieten, haben es momentan schwer. Die Mieter sind
       meistens Tourismusunternehmer, die jetzt ohne Einnahmen sind und ihre Miete
       nicht zahlen.
       
       „Dutzende von Familien sind plötzlich ohne Einkommen. Oft haben sie
       Darlehen bei den Banken und können diese jetzt nicht zahlen. Sie müssen
       Kühe verkaufen, aber die bringen momentan kaum etwas“, erzählt Pariken.
       
       ## Patrouillen gegen Wilderei
       
       Der 1.500 Quadratkilometer große Maasai-Mara-Park gehört zur Region Narok.
       Die Regionalregierung hat keinen der 270 Parkranger gefeuert. Oberaufseher
       James Sindiyo bedauert die Abwesenheit der Touristen nicht nur, weil es
       keine Eintrittsgelder gibt. „Wir haben Patrouillen gegen Wilderei, aber es
       ist ein riesig großes Gebiet. Die Anwesenheit von Touristen hilft, Wilderer
       abzuschrecken.“
       
       Wilde Tiere werden in Kenia regelmäßig illegal getötet. Elefanten sind
       wegen ihres Elfenbeins gefragt, Nashörner wegen ihres Horns. Sindiyo hat in
       der Coronapandemie keine Zunahme der Wilderei auf Großwild beobachtet. Es
       gibt jedoch eine leichte Zunahme der Wilderei von Warzenschweinen und
       Impalas, wohl für die Kochtöpfe der Anwohner, die ihre Einkommen verloren
       haben und hungrig sind.
       
       Sindiyo hat sich die diesjährige Gnu-Wanderung angeschaut. „Nur der Laut
       der Tiere war zu hören und nicht wie sonst der Lärm von vielen klickenden
       Kameras“, sagt er. „Ich hoffe jedoch, dass, wenn die Gnus später dieses
       Jahr nach Tansania zurückwandern, Corona gemeistert ist. Ich hoffe, dass
       sich dann viele Besucher das Schauspiel wieder anschauen können.“ Wenn
       diese Hoffnung Realität wird, können Touristen und Wildtiere ihr
       Rollenspiel wieder aufnehmen.
       
       3 Aug 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ilona Eveleens
       
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