# taz.de -- Konflikte mit China und der Türkei: Nachsicht aus Brüssel
       
       > Erstes Treffen der Außenminister unter deutscher Ratspräsidentschaft: EU
       > sucht in Sachen Hongkong, Libyen, Istanbul und Zypern weiter den Dialog.
       
 (IMG) Bild: China ist für Europa vor allem ein wichtiger Handelspartner und wird deshalb auch kaum kritisiert
       
       BRÜSSEL taz | Die Türkei und China dürfen trotz zunehmender Spannungen mit
       Nachsicht aus Brüssel rechnen. Neue Sanktionen sind nicht geplant, die EU
       sucht weiter den Dialog mit Ankara und Peking. Dies sagte der
       EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach dem ersten Treffen der
       EU-Außenminister unter deutschem Ratsvorsitz in Brüssel.
       
       [1][Deutschland hat am 1. Juli die halbjährlich wechselnde
       Ratspräsidentschaft] übernommen. Bundesaußenminister Heiko Maas hatte zuvor
       angekündigt, für eine robustere Außenpolitik einzutreten: „Europa soll
       handlungsfähiger werden und seine Werte und Interessen wirksam vertreten“,
       erklärte der SPD-Politiker. Doch schon beim Thema Hongkong verließ ihn der
       Mut.
       
       Zusammen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Yves Le Drian schlug
       Maas vor, künftig den Export von Gütern zu untersagen, die zur
       Niederschlagung von Protesten genutzt werden können. Zudem sollen Bürger
       Hongkongs dauerhaft in der EU bleiben können, wenn sie politisch verfolgt
       werden.
       
       Von Wirtschaftssanktionen oder einer Einschaltung des Internationalen
       Gerichtshofs in Den Haag, wie sie das Europaparlament gefordert hatte, war
       beim ersten „leibhaftigen“ Treffen der Außenminister in der Coronakrise
       jedoch keine Rede. Borrell wurde lediglich aufgefordert, einen „neuen
       Ansatz“ in der China-Politik zu entwerfen.
       
       ## Beziehungen sollen nicht weiter belastet werden
       
       Der Hintergrund: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat den Ausbau der
       [2][Beziehungen zu China] zum Schwerpunkt des deutschen EU-Vorsitzes
       erklärt. Nachdem der zunächst für September geplante EU-China-Gipfel
       geplatzt ist, will die Bundesregierung die Beziehungen nicht noch mehr
       belasten.
       
       Am Wochenende hatte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier die
       Wirtschaftsbeziehungen mit China verteidigt. „Es war immer die Politik der
       westlichen Staatengemeinschaft, auch der EU, dass internationale
       Handelsbeziehungen nicht allein daran ausgerichtet werden können, wie
       demokratisch ein Land ist“, sagte der CDU-Politiker.
       
       Auch im [3][Streit mit der Türkei] zeichnen sich keine Fortschritte ab. Die
       türkische Regierung hatte am Freitag den Status der Hagia Sophia in
       Istanbul geändert; künftig soll das historische Bauwerk wieder als Moschee
       dienen. Zudem setzt sich Ankara offen über das Waffenembargo in Libyen
       hinweg, was zu einem militärischen Zwischenfall mit Frankreich führte. Auch
       die nach EU-Auffassung illegalen türkischen Bohrungen vor Zypern gehen
       weiter.
       
       Doch auch hier betreibt der deutsche EU-Vorsitz Appeasement. Die Türkei
       habe strategische Bedeutung für die EU, sagte Maas nach dem Treffen.
       Allerdings habe man im Streit um die Bohrungen die „klare Erwartung, dass
       es positive Signale der Türkei gibt“.
       
       Um die Details soll sich der EU-Außenbeauftragte Borrell kümmern. Der
       Spanier will eine „Sanktionsspirale“ vermeiden – und setzt genau wie Maas
       auf Dialog.
       
       ## Flüchtlingsdeal soll halten
       
       Im Hintergrund steht die Sorge, dass Ankara den 2016 mit Merkel getroffenen
       Flüchtlingsdeal endgültig aufkündigen könnte. Im Winter hatte der türkische
       Präsident Recep Tayyip Erdogan die Grenze zur EU für offen erklärt, was zu
       Chaos an der griechischen Grenze führte. Dies könne sich jederzeit
       wiederholen, hieß es bei einem Besuch Borrells in Ankara.
       
       Für eine härtere Gangart sprach sich auch Österreichs Außenminister
       Alexander Schellenberg aus. Die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee
       sei nur das „jüngste Glied in einer Kette von Provokationen“, sagte er am
       Montag in Brüssel. Deshalb müsse die EU „einen klaren Schnitt ziehen“ und
       die Beitrittsgespräche beenden.
       
       So weit wollte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zwar nicht gehen.
       Aber auch er kritisierte die Umwidmung der Hagia Sophia. Dies sei ein
       „Schlag gegen die Allianz der Zivilisationen“, so Asselborn, die Türkei sei
       de facto ausgestiegen.
       
       13 Jul 2020
       
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