# taz.de -- Schwarzer Fotograf bei „Vanity Fair“: Das Versprechen der Anna Wintour
       
       > Zum ersten Mal macht ein schwarzer Fotograf das Cover der „Vanity Fair“.
       > Die US-amerikanische Modepresse will ihre Haltung zu People of Color
       > ändern.
       
 (IMG) Bild: Auch mal vor der Kamera: Fotograf Dario Calmese (in der Mitte)
       
       Wenn das Gesicht von Danielle Scruggs zu sehen wäre, dann wäre der
       schwarzen Fotografin die Verzweiflung sicher anzusehen. Was sie davon
       halte, dass das aktuelle Coverfoto der Vanity Fair zum ersten Mal von einem
       schwarzen Fotografen geschossen wurde, fragt sie die Moderatorin des New
       Yorker Radiosenders WNYC. „Nun, es ist …“, Scruggs stockt, seufzt. „Es ist
       lächerlich.“ Sie lacht auf. „Ich kann das nicht wirklich feiern. Es hätte
       einfach nicht so lange dauern sollen.“
       
       Das Coverfoto der Vanity Fair wird jeden Monat mit großem Aufwand
       produziert. Dutzende von Mitarbeitern sind beteiligt, die Kosten sind hoch.
       Berühmte Fotografen wie Annie Leibovitz, Mario Testino oder Bruce Weber
       standen dafür bereits hinter der Kamera. Mit Dario Calmese wurde jetzt
       erstmals seit der Gründung des Magazins im Jahr 1913 ein schwarzer Fotograf
       in diesen Olymp aufgenommen. In ihrem Editorial beschreibt Chefredakteurin
       Radhika Jones das als einen Meilenstein in der Geschichte des Magazins.
       
       Es ist, als hätte sich da schleichend eine neue, noch sehr kleine Bewegung
       breitgemacht. Vor knapp zwei Jahren ließ die US-amerikanische Vogue 126
       Jahre nach ihrer Gründung zum ersten Mal einen schwarzen Fotografen ein
       Coverfoto schießen. Das Covermodel, die Sängerin Beyoncé, hatte auf dem
       damals 23-jährigen Tyler Mitchell als Fotografen bestanden.
       
       Anfang 2019 verkündete das 1976 gegründete Magazin Rolling Stone, dass es
       mit Dana Scruggs (nicht verwandt mit Danielle Scruggs) die erste schwarze
       Fotografin für ein Titelfoto engagiert habe. Calmese setzt jetzt mit seinem
       Vanity-Fair-Cover diese kurze Reihe von „sehr verspäteten“ sogenannten
       Firsts fort, schreibt die New York Times.
       
       ## Das erste schwarze Model gab es 1974
       
       Die Glamourwelt der großen Modemagazine blieb lange Zeit ein closed shop
       für Afroamerikaner. Beverly Johnson war das erste schwarze Model, das 1974
       auf dem Cover eines großen Modemagazins erschien, dem der Vogue. Nur ihr
       britischer Ableger war damals früher dran. British Vogue hatte bereits 1966
       mit Donyale Luna ein schwarzes Model auf dem Cover. Nase und Mund
       allerdings hinter der Hand versteckt – um sie weniger schwarz aussehen zu
       lassen, vermutet das Magazin The Cut.
       
       Johnson schreibt im Guardian Anfang dieses Jahres, wie allein sie sich
       damals gefühlt habe. Ihre Bitte, schwarze Fotografen, Make-up-Künstler oder
       Hairstylisten einzustellen, sei brüsk zurückgewiesen worden. „Rassismus
       nicht anzusprechen war damals und ist immer noch der Preis, den man für die
       Aufnahme in die Modeindustrie bezahlen musste“, schrieb sie.
       
       Die Diskriminierung von Schwarzen betraf sogar die technischen Seite der
       Fotokunst. Grund waren die sogenannten Shirley Cards. Diese wurden in den
       50er Jahren vom damaligen Marktmonopolisten Kodak als Richtwerte für die
       Entwicklung von Farbfilmen an Fotolabore in der ganzen Welt verteilt.
       Benannt waren sie nach dem Modell, an dessen Hautton die Farben der Karte
       ausgerichtet wurden: Shirley.
       
       Shirley war natürlich weiß. Menschen mit dunklerer Hautfarbe wirkten
       deshalb auf Farbfotos lange Zeit verschwommen oder unscharf. Erst Mitte der
       90er Jahre entwickelte Kodak eine sogenannte multiracial norm card, die
       auch dunklere Hauttöne widerspiegelte.
       
       ## Ein echter Karrierekiller
       
       Zwar gab es durchaus schon früher schwarze Fotografen, die für
       US-amerikanische Modemagazine tätig waren. Die Produktion eines Coverfotos
       wurde ihnen aber verweigert. Für viele ein echter Karrierekiller. Denn es
       sind diese sehr aufwendigen und teuren Produktionen, die den Marktwert
       eines Fotografen steigern und seine Karriere vorantreiben.
       
       Bis heute sind schwarze Fotografen im Modebetrieb selten. Wobei die
       George-Floyd-Proteste, wie auch in der Kunstwelt, eine Überprüfung von
       rassistischen Strukturen erzwungen haben. Ein Chefredakteur des bedeutenden
       Medienimperiums Condé Nast (Vanity Fair, Vogue) musste wegen
       Rassismusvorwürfen seinen Posten aufgeben. Seit Juni wird zudem das
       Konkurrenzmagazin der Vogue, Harper’s Bazaar, mit Samira Nasr von einer
       schwarzen Frau geleitet.
       
       Anna Wintour, die berühmt-berüchtigte Chefredakteurin der Vogue, hat sich
       laut New York Times intern per Mail ganz allgemein für ihr „verletzendes
       und intolerantes“ Verhalten gegenüber Afroamerikanern entschuldigt. Sie
       werde sich in Zukunft mehr für ihre schwarzen Mitarbeiter und ein
       diverseres Arbeitsumfeld einsetzen, soll sie darin versprochen haben.
       
       ## Falsche Werte der Magazine
       
       Viele schwarze Fotografen glauben nicht an eine neue Bewegung. Und selbst
       die „Firsts“ bleiben skeptisch. Dana Scruggs, die als erste schwarze
       Fotografin vergangenes Jahr ein Titelfoto für den Rolling Stone geschossen
       hat, sagt in einem Interview für The Luupe, ein Netzwerk für Fotografinnen:
       „Wenn Magazine damit hausieren gehen, dass sie endlich schwarze Fotografen
       die Coverfotos schießen lassen, dann zeigt das nur, dass die Werte dieser
       Magazine nicht stimmen.“
       
       Und Tyler Mitchell, der mit Beyoncé ein Cover für die Vogue gestaltet hat,
       sagte der Financial Times, es reiche nicht, die Arbeit von schwarzen
       Künstlern „zu loben“ oder sie „auf dem höchsten Niveau arbeiten zu lassen“.
       Es gehr vielmehr um die Macht, Jobs zu vergeben.
       
       Um diesen Machtstrukturen zu entkommen, haben einige afroamerikanische
       Fotografen, Künstler und Modemacher inzwischen ihre eigenen Produktions-
       und Veröffentlichungsstrukturen aufgebaut. Der Kunstkritiker Antwaun
       Sargent hat ein Buch dazu veröffentlicht: „The New Black Vanguard“, „Die
       neue schwarze Vorhut“.
       
       Viele schwarze Fotografen ohne „Zugang zu den institutionellen
       Hauptakteuren“ wie etwa Vogue oder Vanity Fair haben einfach „ihre eigenen
       Ausstellungen, Magazine, Internetseiten und sozialen Netzwerke genutzt, um
       direkt mit ihrem Publikum zu kommunizieren“, schreibt Sargent in der New
       York Times.
       
       Ein Beispiel dafür ist das mittlerweile ikonische Foto von der
       hochschwangeren schwarzen Sängerin Beyoncé. Der schwarze Fotograf Awol
       Erizku hat sie 2017 so aufgenommen. Das Bild wurde nur auf Beyoncés
       Instagram-Kanal veröffentlicht. Schnell wurde es zur Sensation. Zahlreiche
       internationale Medien berichteten darüber. Im selben Jahr wurde es das
       meistbeachtete Foto auf Instagram.
       
       24 Jul 2020
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Verena Harzer
       
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