# taz.de -- Rassismus im Bild: Blind für schwarze Menschen
       
       > Ein Fotoautomat des Hamburger Landesbetriebs für Verkehr kann nur weiße
       > Menschen fotografieren. Das Problem ist seit Monaten bekannt.
       
 (IMG) Bild: Ist eine schwarze Person in der Kabine? Dann könnte es Probleme geben
       
       HAMBURG taz | Einen internationalen Führerschein zu bekommen, kann eine
       Sache von zehn Minuten sein, wenn man die erforderlichen Unterlagen zum
       Termin beim Landesbetrieb Verkehr (LBV) mitbringt – und weiß ist. Schwarze
       Menschen hingegen haben damit in Hamburg Probleme: Der Fotoautomat der
       Bundesdruckerei, der biometrische Fotos machen soll, erkennt sie nicht.
       
       So ging es auch Audrey K. Sie hatte eigentlich alle erforderlichen
       Unterlagen dabei, als sie Ende letzten Jahres zu dem Termin bei der Behörde
       ging. Nur ein biometrisches Passfoto brachte sie nicht mit, aber auf dem
       Flur der Behörde steht ja ein Fotoautomat. Als die Sachbearbeiterin sie
       gefragt habe, ob sie alles dabeihabe, habe K. deshalb zuversichtlich
       geantwortet, dass sie nur noch eben das Foto machen müsse. So erzählt K. es
       der taz. An der verhaltenen Reaktion der Mitarbeiterin habe sie schon
       gemerkt, dass etwas komisch sei.
       
       „Es könnte ein [1][Problem mit Ihrer Hautfarbe] geben“, habe die
       Mitarbeiterin gesagt und sie zum Fotoautomaten begleitet, der dann
       tatsächlich kein biometrisches Foto von K. machen konnte. Der Automat
       schien sie nicht mal als Motiv zu erkennen.
       
       Verärgert schrieb K. später eine Mail an den Landesbetrieb. „Die Erfahrung
       macht mich sehr traurig“, schrieb sie. „Das Problem scheint Ihnen bekannt
       zu sein, aber auf Ihrer Internetseite wird auf diesen Sachverhalt nicht
       hingewiesen.“ Im Wartebereich des Landesbetriebs hätten mit ihr zusammen
       etwa 15 Personen gewartet, von denen fünf schwarz waren.
       
       ## „Es macht mich traurig“
       
       Dass also für ein Drittel der Anwesenden die Dienstleistung nicht nutzbar
       gewesen sei, sei für sie schwer nachzuvollziehen. [2][„Es macht mich
       traurig], dass in Kauf genommen wird, dass hier schwarze Menschen einen
       Termin machen, womöglich dafür vieles im privaten und/oder beruflichen
       Bereich koordinieren und dann noch einmal kommen müssen, ohne dass auf
       diese besondere Situation von Ihrer Seite eingegangen wird.“
       
       Das Problem, dass manche Fotoautomaten schwarze Menschen nicht
       fotografieren können, ist nicht neu. Im Juni 2019 berichtete die Neue
       Osnabrücker Zeitung über einen [3][Automaten im Osnabrücker Bürgeramt]. Das
       Online-Magazin Migazin berichtete bereits 2015 [4][über einen ähnlichen
       Fall], bei dem es sich ebenfalls um einen Automaten der Bundesdruckerei
       handelte.
       
       K. musste also noch mal wieder kommen. Zwar hatte sie zum nächsten Termin
       ein Passbild dabei – das ein herkömmlicher Bahnhofsautomat ohne Probleme
       ausgespuckt hatte –, aber um zu testen, ob sich die Situation verändert
       hatte, probierte sie den Fotoautomat noch mal aus. Wieder ohne Erfolg.
       Wieder begleitete eine Mitarbeiterin sie. „Die Situation schien ihr sehr
       unangenehm zu sein“, sagt K. Die Frau habe sich mehrfach für die
       Unannehmlichkeiten entschuldigt und angekündigt, ihrer Chefin von dem
       Problem zu berichten.
       
       Ein paar Tage später entschuldigte sich auch der Abteilungsleiter
       „Fahrerlaubnis“ bei Audrey K., per E-Mail, als Antwort auf K.s
       Beschwerdemail. „Ich bedauere, dass in Ihrem Fall der Fotoautomat keine
       Hilfe war. Dem LBV ist sehr daran gelegen, die Beleuchtung in diesem
       Bereich zu verbessern. Dies wird in der nächsten Zeit auch erfolgen“,
       schrieb der Abteilungsleiter. Und weiter: „Ich habe die berechtigte
       Hoffnung, dass der LBV bei Ihrem nächsten Besuch besser aufgestellt sein
       wird.“
       
       ## Bei hellerer Haut gibt es keine Probleme
       
       Dem war aber nicht so. Im März kam K. mit zwei Freundinnen wieder, um zu
       gucken, ob sich die Situation inzwischen verändert habe. Die drei Frauen
       filmten ihren Besuch in der Fotokabine. Auf dem Video sieht man, wie der
       Fotoautomat K.s Gesicht sucht. Das Objektiv, das in einen digitalen
       Bildschirm integriert ist, fährt an einer Stange hoch und runter, um auf
       der Höhe von K.s Gesicht stehen zu bleiben, findet es aber nicht. Nach
       mehreren Versuchen gelingt es schließlich und der Automat schließt Bilder –
       die aber alle nicht den biometrischen Anforderungen genügen. Ein gelbes
       Ausrufezeichen auf dem Bildschirm signalisiert die Fehlerhaftigkeit. Bei
       einer von K.s Freundinnen, deren Haut heller ist als K.s, gibt es keine
       Probleme.
       
       Der Verkehrsbehörde, bei das Landesamt angegliedert ist, ist das Problem
       bekannt. „Wir arbeiten selbstverständlich an Lösungen“, sagt der Sprecher
       Henning Grabow. Man sei mit der Bundesdruckerei im Austausch – dort
       allerdings versucht man das Problem auf die Beleuchtung zu schieben und
       weist den Rassismusvorwurf weit von sich.
       
       Ein Sprecher der Bundesdruckerei sagte der taz: „Wir haben Verständnis,
       dass in Zeiten, in denen Rassismus Gemüter erregt, derartige Themen zur
       Kenntnis genommen werden. Dieses Thema eignet sich jedoch [5][definitiv
       nicht als Beitrag zur Rassismus-Debatte.]“ Die Automaten zählten zu den
       modernsten der Welt und unterschieden definitiv nicht nach Hautfarbe. „Wie
       jedes optische System ist die Qualität abhängig von der jeweiligen
       Beleuchtungssituation – gleichgültig ob für weiße oder schwarze Hautfarbe.
       Im Übrigen kennt das System keinen Rassismus, so wie wir uns auch gegen
       jeden Vorwurf der Diskriminierung oder des Rassismus zur Wehr setzen.“ Das
       Hamburger Landesamt will nun die aktuell nur von oben kommenden
       Lichtquellen durch seitliche Lichter ergänzen.
       
       Für K. hingegen ist die Dysfunktion des Automaten ein Zeichen für
       institutionellen Rassismus. „Es kann nicht sein, dass die Behörde sich des
       Problems bewusst ist und es einfach ausblendet, indem sie den Apparat über
       eine längere Zeit dort stehen lässt“, sagt K. „Es macht mich wütend.
       Während für weiße Menschen meistens alles ganz einfach funktioniert, sind
       schwarze Menschen im Alltag häufig mit solchen Mechanismen der
       Unterdrückung konfrontiert. Für meine Heimatstadt Hamburg ist das
       beschämend.“
       
       21 Jul 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Politik-der-Hautfarbe/!5688126
 (DIR) [2] /Racial-Profiling-bei-der-Polizei/!5697146
 (DIR) [3] https://www.noz.de/lokales/osnabrueck/artikel/1756787/junge-kann-fotoautomaten-im-osnabruecker-buergeramt-nicht-nutzen
 (DIR) [4] https://www.migazin.de/2015/07/13/schwarze-sind-zu-dunkel-fuer-das-biometrische-passfoto/
 (DIR) [5] /Gaslighting-und-Rassismus/!5693141
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Schipkowski
       
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