# taz.de -- Massenproteste in Belarus: „Sascha, du bist entlassen!“
       
       > Hunderttausende demonstrieren in Minsk, Belarus kommt nicht zur Ruhe.
       > Obwohl Diktator Lukaschenko Geburtstag hatte, gehört die Straße dem Volk.
       
 (IMG) Bild: Der Staat wäre gerne obenauf, aber die Demonstrantinnen in Minsk sind unbeeindruckt
       
       KIEW taz | Obwohl Polizisten schon am frühen Morgen die Innenstadt
       großräumig abgesperrt und vier U-Bahn-Stationen im Stadtzentrum geschlossen
       hatten, gelangten die Demonstrierenden ins Zentrum der Hauptstadt Minsk.
       Bis Sonntagnachmittag waren es nach Angaben der Nachrichtenagentur Belapan
       200.000 Demonstrierende, die mit weiß-rot-weißen Fahnen auf ihrem „Marsch
       für Frieden und Unabhängigkeit“ durch die Innenstadt den Rücktritt von
       Alexander Lukaschenko als Präsident und die Freilassung der politischen
       Gefangenen forderten. Auch in Brest, Gomel, Mogiljow und anderen Städten
       gingen erneut Tausende auf die Straße.
       
       Die Miliz, wie die Anti-Aufstands-Einheiten der Polizei genannt werden, war
       in Minsk stark präsent, Wasserwerfer und Gefangenentransportwagen waren
       deutlich sichtbar für die Demonstrierenden positioniert. Eine Stunde nach
       Beginn der Demonstration waren schon 30 Personen festgenommen, berichtet
       belaruspartisan.by; die russische Nachrichtenagentur RIA meldete am
       Nachmittag 125 Festnahmen, Tendenz steigend.
       
       Da der zentrale Siegesplatz abgeriegelt war, bewegte sich der
       Demonstrationszug zur Residenz des Präsidenten. „Wir kommen zum Geburtstag“
       war immer wieder auf Sprechchören zu hören. [1][Alexander Lukaschenko wurde
       am 30. August 66 Jahre alt]. Gegen 15 Uhr zeigte tut.by ein Video von
       gepanzerten Wagen, die sich schnell Richtung Stadtmitte bewegten.
       
       Bereits am Freitag hatten laut Belapan über 10.000 Frauen in Minsk gegen
       „Sascha“, wie sie Alexander Lukaschenko nennen, protestiert. Es begann mit
       einer Menschenkette um den 40 Meter hohen Obelisk, der der Opfer des
       Zweiten Weltkrieges gedenkt und nicht nur Wahrzeichen der Stadt ist,
       sondern inzwischen auch beliebtester Versammlungsort von Minsk. Mit ihren
       Blumen, weiß-rot-weißen Fahnen und Regenschirmen ließen sie sich von der
       Miliz nicht abhalten.
       
       Bald gingen die Frauen von der Menschenkette zur Straßenblockade über und
       marschierten durch die Innenstadt. An die Miliz gewandt riefen sie in
       Sprechchören: „Wir brauchen keine Begleiter“ und an Präsident Lukaschenko
       gewandt riefen sie „Sascha, du bist entlassen!“ Von 16 bis 20 Uhr am
       Freitag gehörten die zentralen Straßen der Hauptstadt den demonstrierenden
       Frauen.
       
       ## Staatsmacht verschärft die Gangart
       
       29 Personen seien am Samstag festgenommen worden, berichtet das
       Innenministerium. Am Freitag waren es 32, so tut.by. Unter den
       Festgenommenen sind auch Swetlana Woltschek und ihr Ehemann Michail.
       Woltschek ist Sprecherin des Streikkomitees an der staatlichen Universität.
       
       Mit ihrer Festnahme wurde auch deutlich, wie stark auf die Streikkomitees
       im universitären Bereich Druck ausgeübt wird. Nach Informationen der
       Agentur Belapan soll der belarussische Geheimdienst KGB
       ArchitekturstudentInnen der Technischen Universität zu einem Verhör wegen
       angeblicher Organisation von Streiks vorgeladen haben.
       
       Die belarussischen Behörden verschärfen ihre Gangart auch gegenüber den
       ausländischen Medien. Am Freitag wurden russische Staatsbürger, die für die
       ARD arbeiten, vorübergehend festgenommen und aus Belarus abgeschoben. Ihre
       Akkreditierung wurde ihnen entzogen. Dem belarussischen Staatsbürger des
       ARD-Kamerateams werfen die Behörden eine Beteiligung an einer nicht
       genehmigten Veranstaltung vor. Er wird deswegen am Montag vor Gericht
       stehen.
       
       Insgesamt, so die belarussische Agentur tut.by, verloren am Freitag 19
       Journalisten ihre Akkreditierung, darunter von Reuters, AP, BBC, Radio
       Liberty und AFP.
       
       30 Aug 2020
       
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