# taz.de -- Corona in Israel: Hausgemachtes Chaos
       
       > Israel droht der zweite totale Lockdown. Grund für die hohe Zahl der
       > Neuinfektionen ist Netanjahus Zickzackkurs.
       
 (IMG) Bild: Morgengebet mit Abstand. Die Ultraorthodoxen in Israel trifft die Coronakrise besonders schwer
       
       Israel befindet sich in der vielleicht tiefsten innenpolitischen Krise seit
       Gründung des Staates. [1][Die Corona-Infektionszahlen schießen in die
       Höhe.] Bis zu 4.000 positive Testergebnisse wurden in der letzten Woche
       fast jeden Tag gemeldet, umgerechnet auf deutsche Dimensionen wären dies
       annähernd 40.000 täglich. Wirtschaftlich liegt das Land am Boden. Beinah
       jedeR achte Israeli ist ohne Arbeit. Die Krankenhäuser schlagen Alarm;
       sollten die Zahlen nicht bald sinken, drohen sie, keine neuen Fälle
       aufnehmen zu können.
       
       Regierungschef Benjamin Netanjahu, der [2][in drei Korruptionsfällen]
       angeklagt ist, hat mit seinen Kampagnen gegen das Justizsystem, gegen die
       Polizei und die Medien das politische System destabilisiert. Nun, wo es
       wirklich drauf ankommt, ist es nicht funktionstüchtig. Die Koalition von
       Netanjahus Likud und dem liberaleren Ex-Generalstabschef Benny Gantz ist
       wohl die ohnmächtigste, die das Land je gesehen hat.
       
       Der Zickzackkurs der Regierung in der Coronakrise führte dazu, dass sich
       kaum jemand noch an die von der Regierung erlassenen Regeln hält. Riesige
       Feiern und Hochzeiten finden überall im Land statt. Geschäftsinhaber*innen
       und Restaurantbesitzer*innen kündigten an, einem Lockdown, sollte er in
       Kraft treten, nicht Folge zu leisten.
       
       Am Sonntagnachmittag ist nun auch noch der ultraorthodoxe
       Wohnungsbauminister Yaakov Litzman aus Protest gegen den geplanten Lockdown
       zurückgetreten. Damit hat sich der einzige politische Partner, der
       Netanjahu geblieben war, aufgrund von Druck aus seiner eigenen Community
       von ihm abgewandt. Es sieht nicht nur für das Land düster aus, sondern auch
       für Netanjahu.
       
       Netanjahu flieht zur Unterzeichnung der [3][Normalisierungsverträge mit den
       Vereinigten Arabischen Emiraten] und Bahrain nach Washington ins
       Blitzlichtgewitter. Er will sich für außenpolitische Erfolge feiern lassen.
       Was das Land jetzt bräuchte, ist eine lösungsorientierte Politik, die nicht
       von persönlichen Interessen geleitet ist. Solange Netanjahu das Steuer in
       der Hand hält, bleibt das wohl Illusion.
       
       14 Sep 2020
       
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