# taz.de -- Ungleichbehandlung durch geltendes Abstammungsrecht: Queere Mütter klagen
       
       > Mit der Iniative „nodoption“ machen queere Mütter darauf aufmerksam, dass
       > sie ihre eigenen Kinder adoptieren müssen. Jetzt gehen sie vor Gericht.
       
 (IMG) Bild: Eine typische Famile: lesbisches Paar mit Kind und Hund
       
       BERLIN taz | Vor dem Amtsgericht in Tempelhof-Kreuzberg verteilt Christina
       Klitzsch-Eulenburg Regenbogenflaggen. Sie lächelt viel und unterhält sich
       mit Frauen, die wie sie Anträge einreichen – darauf, dass sie als
       rechtliche Eltern ihrer Kinder anerkannt werden.
       
       Laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) ist Klitzsch-Eulenburg [1][nicht als
       Elternteil anerkannt], obwohl sie mit der Mutter ihres Kindes verheiratet
       ist. Klitzsch-Eulenburg hat mit [2][anderen queeren Eltern] die
       deutschlandweite Initiative „nodoption“ gegründet.
       
       Bislang haben fünf Ehepaare in Berlin Klagen beim Familiengericht
       eingereicht, um die Ehefrau der Mutter als zweiten rechtlichen Elternteil
       ihrer in die Ehe hineingeborenen Kinder feststellen zu lassen. Sie folgen
       damit zwei Familien aus Hildesheim und Frankfurt. Weitere Klagen sind in
       Vorbereitung.
       
       Gemeinsam mit der Rechtsanwältin Lucy Chebout folgen diese Familien einer
       strategischen Prozessführung. Das bedeutet, Mandant*innen und
       Rechtsanwält*innen tauschen sich untereinander aus und folgen einer
       gemeinsamen Strategie.
       
       ## Bis in die höchste Instanz
       
       Klitzsch-Eulenburg und ihre Frau Janina Eulenburg sind dazu entschlossen,
       ihre Klage bis an das Bundesverfassungsgericht zu bringen: „Es ist erstmal
       unwahrscheinlich, dass wir in erster Instanz recht bekommen“, sagt
       Klitzsch-Eulenburg. „Aber meine Frau und ich wollen auf jeden Fall bis in
       die letzte Instanz gehen.“
       
       Hintergrund ist das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgeschriebene
       Abstammungrecht. § 1591 regelt die Mutterschaft: „Mutter eines Kindes ist
       die Frau, die es geboren hat.“ Als die Ehe 2017 geöffnet wurde, wurde das
       Recht nicht reformiert. Ein Kind von zwei verheirateten Frauen hat damit
       nur einen rechtlichen Elternteil. Auch andere Geschlechter werden nicht
       erwähnt.
       
       Bereits 2018 wurde vor dem Bundesgerichtshof erfolglos geklagt. Die
       Initiative „nodoption“ hat keinen Kontakt zu dieser Familie. Die Initiative
       weiß nicht, warum diese Familie nicht bis zum Bundesverfassungsgericht
       klagte.
       
       ## Grundsatzentscheidung gewünscht
       
       „Wir rollen das Thema nun im Wege der strategischen Prozessführung auf, um
       eine Grundsatzentscheidung zu bewirken“, sagt Rechtsanwältin Chebout. „Das
       geltende Abstammungsrecht verletzt die Grundrechte der Kinder und der
       Ehefrauen.“
       
       Bevor die vier Familien ihre Klage einreichen, stellen sie sich zu einem
       Foto auf: Die Aktivist*innen breiten eine circa drei Meter lange
       Regenbogenflagge vor sich auf, Zwillingsmütter halten gemeinsam mit
       Klitzsch-Eulenburg ein Banner, auf dem „nodoption – Elternschaft
       anerkennen“ steht. Dazwischen schaukeln Mütter ihre Kinder im Tragetuch.
       Nachdem die Fotos fertig sind, schmeißen die vier Familien ihre Anträge in
       den Briefkasten des Amtsgerichts. Die anderen Aktivist*innen klatschen und
       jubeln.
       
       Eine Klägerin, Marianne Greenwell, sagt: „Das nimmt das Ohnmachtsgefühl von
       mir. Bevor wir Leute kennengelernt haben, haben meine Frau Jane und ich uns
       so alleine gefühlt.“ Greenwell adoptiert parallel zur Klage ihr Kind Robin.
       Sie habe unterschätzt, wie sehr die [3][Adoption] sie emotional mitnehme.
       „Wir wussten, dass wir das machen müssen, aber es hat mich krass
       getroffen.“
       
       Auf den angekündigten [4][Gesetzesentwurf] von Justizministerin Christine
       Lambrecht (SPD) zum Thema wollen die Kläger*innen nicht warten.
       Rechtsanwältin Chebout sagt dazu: „Im Moment ist überhaupt nicht absehbar,
       ob aus der Ankündigung wirklich ein Gesetz wird. Den betroffenen Familien
       ist es nicht zumutbar, die diskriminierende Rechtslage noch länger
       hinzunehmen.“
       
       29 Aug 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /Familien-mit-mehr-als-zwei-Eltern/!5695131
 (DIR) [2] https://freiheitsrechte.org/elternschaft/
 (DIR) [3] /Adoptionen-in-Regenbogenfamilien/!5686809/
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Nicole Opitz
       
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