# taz.de -- Erziehermangel in Grundschulen: Der Hort der Probleme
       
       > An einer Lichtenberger Schule sollen die Eltern ihre Kinder nachmittags
       > nun möglichst selbst betreuen. Die Schule ist kein Einzelfall.
       
 (IMG) Bild: Dinge, die man im Schulhort macht
       
       BERLIN taz | Der Brief, den die ElternvertreterInnen der Grundschule an der
       Victoriastadt in Lichtenberg Mitte September an die Schulaufsicht im Bezirk
       schreiben, klingt einigermaßen dramatisch: „Wir schreiben Ihnen, weil wir
       uns große Sorgen um die Sicherheit, Grundbedürfnisse, persönliche
       Entwicklung und Gesundheit unserer Kinder“ machen, steht da. Seit Jahren
       spitze sich der Personalmangel zu. Dass die Personalsituation in der
       Nachmittagsbetreuung nun wohl endgültig nicht mehr haltbar ist, wissen die
       Eltern seit der Aufforderung der Schulleitung, die Kinder nach Möglichkeit
       nachmittags selbst zu betreuen – versehen mit der Bitte, den Hortvertrag
       nicht zu kündigen.
       
       Die Eltern sollen also im Zweifel für etwas zahlen, für das sie keine
       Gegenleistung mehr bekommen. „Von einer wirklichen Betreuung, von Raum für
       Hausaufgaben und sinnvoller Beschäftigung kann sowieso keine Rede mehr
       sein“, sagt die Vorsitzende der Gesamtelternvertretung, Isa Waschke.
       
       Zwischen sieben und neun ErzieherInnen sind für 437 Kinder in der
       Nachmittagsbetreuung zuständig. „Dass ist ein Ausfall von 50 Prozent bei
       den Erzieherinnen“, sagt Ulrike Biermann, ebenfalls in der
       Gesamtelternvertretung. Schon seit Längerem sei der Krankenstand unter den
       ErzieherInnen an der Schule ein Problem, nun komme auch noch Corona dazu.
       „Dadurch sind jetzt nochmal zwei Erzieherinnen ausgefallen, die nur aus dem
       Homeoffice arbeiten können“, sagt Waschke.
       
       Tatsächlich ist der Langzeitkrankenstand bei den ErzieherInnen in Berlins
       Schulhorten höher als bei den Lehrkräften: Sieben Prozent von knapp 5.000
       Fachkräften an den Horten in öffentlicher Trägerschaft sind nicht in den
       Schulen einsetzbar, teilt die Senatsbildungsverwaltung auf taz-Anfrage mit.
       Bei den Lehrkräften waren es zu Schuljahresbeginn nur drei Prozent. Hinzu
       kommt, dass die Schulen für dauerkranke Lehrkräfte zwar Ersatz bekommen,
       für ErzieherInnen aber nicht.
       
       ## Corona verschärft den Fachkräftemangel
       
       Nicht nur die Schule an der Victoriastadt bekommt deshalb gerade in
       Coronazeiten ein Problem: Alleine im Bezirk Lichtenberg gebe es „drei bis
       vier Schulen“, wo die Schulaufsicht einen eklatanten Personalmangel
       gemeldet hätte, weiß man in der Bildungsverwaltung. Diese Schulen hätten
       sich dann mit „einer entsprechenden Ansage an die Eltern gewandt“, sagt ein
       Sprecher von Schulsenatorin Sandra Scheeres (SPD). Klar sei aber auch: „Die
       Eltern haben einen Anspruch auf die Nachmittagsbetreuung.“
       
       Die Frage ist nur, sagen die Elternvertreterinnen Waschke und Biermann, ob
       man diesen Anspruch überhaupt noch möchte – beziehungsweise verantworten
       kann. Zumal durch die mangelhafte Betreuungsmöglichkeit auch der
       [1][Hygieneplan der Schule] konterkariert werde, sagt Biermann. „Vormittags
       halten die Kinder die Regeln ein, nachmittags rennen alle auf dem viel zu
       kleinen Schulhof herum – aber mehr geht eben nicht, bei dem
       Personalschlüssel.“
       
       Biermann fragt sich, wie das [2][im Herbst werden soll], wenn das Wetter
       schlechter wird – die Lichtenberger Schule hat auch ein massives
       Raumproblem.
       
       Aus der Bildungsverwaltung heißt es, man sei nun damit beschäftigt,
       Personal „umzuorganisieren.“ Schulen mit einer „vergleichsweise guten
       Personalausstattung“ sollen ErzieherInnen abgeben an andere Schulen, so
       Scheeres’ Sprecher. Auch Lehrkräfte könnten im Schulhort eingesetzt werden,
       zulasten von „Extras“ wie Förderunterricht.
       
       Die Leitung der Schule an der Victoriastadt selbst wollte nicht mit der taz
       sprechen. Man arbeite „sehr aktiv an der Umsetzung von Lösungen“ hieß es.
       
       Biermann sagt, nach dem Brandbrief Mitte September sei zwei Tage später ein
       Schreiben der Schulaufsicht an die Eltern gegangen: Binnen einer Woche
       sollte ein zusätzlicher Erzieher kommen. Die Eltern warteten eine Woche,
       doch es passierte – nichts. „Jetzt haben wir uns entschlossen, unseren
       Protest öffentlich zu machen“, sagt Waschke.
       
       29 Sep 2020
       
       ## LINKS
       
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       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anna Klöpper
       
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