# taz.de -- Demo für Menschen in Moria: Stinkefinger für Seehofer
       
       > In Berlin haben Tausende dafür demonstriert, Geflüchtete von den
       > griechischen Inseln nach Deutschland zu holen. Protest gab es in vielen
       > Städten.
       
 (IMG) Bild: Deutschlandweite Demos: Auch in Berlin wurde dafür demonstriert, die Lager zu evakuieren
       
       BERLIN taz | Unter dem Motto „Wir haben Platz“ haben am Mittwochabend
       tausende Menschen im Berliner Regierungsviertel dafür demonstriert, die
       Geflüchtetenlager auf den griechischen Inseln zu evakuieren. Am Mittwoch
       war das Lager Moria auf Lesbos – laut einem Redner auf der Demo „der größte
       Slum Europas“ – [1][vollständig abgebrannt]. Deshalb hatten das Netzwerk
       Seebrücke, die Internationale Liga für Menschenrechte, der Republikanische
       Anwältinnen- und Anwaltsverein sowie zahlreiche Flüchtlingsorganisationen
       zum Protest aufgerufen.
       
       Nach Veranstalterangaben kamen 10.000 Menschen, nach Polizeiangaben waren
       es 3.000, die vom Berliner Hauptbahnhof zum Bundesinnenministerium zogen.
       Auch in anderen deutschen Städten gab es Demonstrationen. In Leipzig kamen
       laut dpa 1.800 Protestler zusammen, in Hamburg mehr als 1.200 und in
       Frankfurt am Main 300.
       
       Tareq Aaaows, der die Berliner Demonstration angemeldet hat, war 2015
       selbst nach Deutschland geflüchtet. „Mal zu Fuß, mal mit Bussen, aber ich
       war wohl mehr Zeit zu Fuß unterwegs“, sagt er der taz. Europäische
       Abschottungspolitik hat er am eigenen Leib erlebt. Und das prangerte er
       Mittwoch als Vertreter des Netzwerks Seebrücke auf dem Lautsprecherwagen
       an:
       
       „Was auf Moria geschieht, ist keine Naturkatastrophe. Es ist politisch
       gewollt, dass Geflüchtete an den europäischen Außengrenzen vor sich hin
       vegetieren“, sagte er. „Diese Abschottung wird die Flüchtlingsbewegungen
       aber nicht stoppen“, zeigte er sich überzeugt.
       
       ## Bisher blockt Seehofer
       
       Das sahen die Demoteilnehmer, die sich diszipliniert an die Abstandsregeln
       hielten und Mund-Nasen-Schutz trugen, auch so. Die zentrale Forderung: Die
       ehemaligen Bewohner des „Lagers der Schande“ müssten sofort in europäische
       Städte ausgeflogen werden.
       
       Allein 170 Städte in Deutschland haben mittlerweile erklärt, Flüchtlinge
       aufnehmen zu wollen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verhindert
       aber seit geraumer Zeit per Veto, dass tatsächlich Flüchtlinge herkommen.
       Vor den Demonstranten, die am Mittwoch vor seinen Dienstsitz zogen, bekam
       er dafür den Stinkefinger gezeigt. Als die Demonstranten gegen 20.40 Uhr
       das Ministerium erreichten, riefen sie dort „Wir haben Platz“ oder
       „Evakuierung sofort“. Im Ministerium brannte da kein Licht mehr.
       
       Das Ausländergesetz sieht vor, dass die Länder und Kommunen nicht ohne den
       Bund über die Aufnahme von Flüchtlingen entscheiden können. Eine
       Bundesratsinitiative, die Berlin und Thüringen schon Ende 2019 eingebracht
       hatten, will das ändern. Ihr zufolge sollen Bundesländer in eigener
       Verantwortung über die Aufnahme entscheiden dürfen.
       
       Berlins Linken-Vorsitzende Katina Schubert freute sich auf der
       Demonstration, dass es jetzt aus weiteren Bundesländern Stimmen gebe, die
       das befürworten: aus Bremen, Brandenburg, Niedersachsen und
       Nordrhein-Westfalen.
       
       Am Montag – noch vor dem Brand in Moria – hatte das Netzwerk Seebrücke
       [2][vor dem Bundestag 13.000 Stühle aufgestellt]: Ein Stuhl für jeden
       Insassen des Lagers auf Lesbos, die dort ohne ausreichende medizinische
       Versorgung, ohne Abstandsmöglichkeiten in Zelten oder Bretterverschlägen
       vegetierten. „Wir haben Platz“ sollten die Stühle eindrucksvoll zeigen.
       
       Aktuell hatten Seebrücke und die anderen Flüchtlingsorganisationen wenige
       Informationen zum Schicksal der Menschen, die durch das Feuer ein weiteres
       Mal ihre gesamte Habe verloren haben. 13.000 Menschen seien auf der Insel
       auf der Suche nach einem Platz zum Schlafen. Anwohner der 85.000 Einwohner
       zählenden Insel hätten ihre Straßen abriegelt, so berichten Augenzeugen. Es
       bestehe die Gefahr, dass Rechtsextreme die Situation weiter anheizen.
       Angaben zu Toten durch das Feuer sowie zur Brandursache gebe es keine.
       
       10 Sep 2020
       
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 (DIR) Marina Mai
       
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