# taz.de -- NGO-Report über Öko-Kautschuk-Projekt: Massive Kritik an Michelin
       
       > Eine NGO wirft dem Reifenhersteller bei einem Projekt Greenwashing vor.
       > Michelin soll dabei die Abholzung auf Sumatra verschwiegen haben.
       
 (IMG) Bild: Gerade dort sehr bedroht: Orang-Utan auf Sumatra
       
       BERLIN taz | Die Umweltschutzorganisation Mighty Earth wirft dem größten
       Reifenhersteller der Welt, Michelin, Täuschung bei einem Umweltprojekt vor,
       das ausdrücklich nachhaltige Investoren angeworben hat. Bei der Vorstellung
       des Vorzeigeprojekts „Royal Lestari Utama“ für nachhaltigen Kautschukanbau
       auf der indonesischen Insel Sumatra verschwieg der Konzern etwas
       Entscheidendes, heißt es in einem [1][am Dienstag veröffentlichen Report]:
       Dort habe der eigene Geschäftspartner den Regenwald abgeholzt. Es soll sich
       um 2.590 Hektar handeln, die im Zeitraum von 2012 bis Anfang 2015 in
       industriellem Maßstab geplündert wurden – 1.298 in einem Naturschutzgebiet.
       
       Der Report basiert auf über anderthalbjähriger Arbeit; [2][er enthält
       Satellitenbilder und eine Analyse] der Geschäftsverbindungen. „Michelin
       wusste von dieser furchtbaren Waldzerstörung“, ist Alex Wijeratna,
       Kampagnendirektor von Mighty Earth, überzeugt. „Sie verhalfen dem Projekt
       zu einem grünen Deckmantel, um Investoren von Öko-Anleihen anzulocken“,
       sagt er. Bislang haben laut Report Investoren 95 Millionen Dollar in das
       angebliche Ökoprojekt gesteckt, darunter öffentliche Geldgeber. Die
       Investition wurde offensiv als nachhaltig beworben, heißt es in dem
       Bericht.
       
       Das Kautschukprojekt ist ein Joint Venture zwischen Michelin und
       indonesischen Firmen aus dem Netzwerk der Barito-Pacific-Gruppe. Die
       wiederum gehört Prajogo Pangestu, der als Holzmagnat verschrien und laut
       Forbes der drittreichste Indonesier ist. Offiziell verdient er sein Geld
       nicht mehr mit Raubbau. Die Flächen befinden sich nahe dem
       Bukit-Tigapuluh-Nationalpark. In dessen Wäldern leben bedrohte Tiger,
       Elefanten und Orang-Utans. Auch zwei indigene Gruppen, die Talang Mamak und
       die Orang Rimba, leben im Tropenwald.
       
       Michelin stellte sein „grünes“ Projekt im Mai 2015 offiziell vor. [3][In
       der damaligen Pressemitteilung] heißt es, die Konzessionsflächen seien
       „durch unkontrollierte Abholzung verwüstet“ worden. Das suggeriert, es
       handele sich um unbekannte Umweltzerstörer. Mighty Earth hingegen sagt nun,
       dass es eine Tochterfirma des Kautschuk-Joint-Ventures war, die für die
       Rodung vor allem verantwortlich war. [4][Schon länger gibt es Berichte,
       dass für das Projekt Bauern unter Druck Land verkaufen mussten.]
       
       ## Michelin wurde vor Greenwashing gewarnt
       
       Reportautor Wijeratna ist seit 2019 mit den verantwortlichen Konzernen im
       Gespräch. Er betont, dass Michelin bereits seit Oktober 2013 eine ganze
       Reihe von Untersuchungen in dem Gebiet durchgeführt habe. Es seien aber
       keinerlei Details aus der fraglichen Zeit transparent gemacht worden.
       Mighty Earth habe jedoch einen von Michelin in Auftrag gegebenen
       vertraulichen Bericht vom November 2014 zu Gesicht bekommen. Darin stehe,
       dass das Unternehmen von der von den Tochterfirmen durchgeführten Rodung
       wusste, so Wijeratna. Es sei auch explizit davor gewarnt worden, es zu
       positiv als Wiederaufforstungsprojekt darzustellen.
       
       Skandalös ist, dass vor allem an Nachhaltigkeit interessierte Investoren,
       darunter auch öffentliche Geldgeber, in die Finanzierung eingestiegen sind,
       sagt Irene Knoke, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Verein Südwind.
       „Wenn wissentlich relativ aktuelle Abholzung im Spiel ist, dürfte eine
       solche Anlage nicht als Green Bond angeboten werden“, so Knoke.
       
       Vertreter des Kautschukprojekts erklärten gegenüber der taz, alle Rodungen
       ihrer Tochterfirmen seien legal gewesen. „Wir weisen jede Unterstellung von
       Greenwashing zurück“, sagte das Unternehmen. Anfragen bei Michelin und dem
       WWF blieben bis Redaktionsschluss unbeantwortet. Letzterer [5][beriet
       Michelin bis März 2020] bezüglich des Kautschuk-Projekts und [6][kooperiert
       weiterhin mit dem Reifenhersteller].
       
       6 Oct 2020
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] https://www.mightyearth.org/michelin-covered-up-industrial-deforestation-by-its-indonesian-partner
 (DIR) [2] https://www.mightyearth.org/wp-content/uploads/Mighty_Earth_MichelinReport5Oct2020FINAL.pdf
 (DIR) [3] https://www.michelin.com/en/press-releases/joint-venture-to-produce-natural-eco-friendly-rubber/
 (DIR) [4] https://www.tandfonline.com/doi/full/10.1080/1747423X.2019.1709225
 (DIR) [5] https://www.wwf.id/publikasi/penangguhan-kerja-sama-bilateral-antara-wwf-indonesia-dengan-royal-lestari-utama
 (DIR) [6] https://www.michelin.com/en/press-releases/wwf-france-and-michelin-group-renew-their-partnership/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andrew Müller
       
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